Review

Ich bin kein Anhänger der Euphorie, die man diesem Film seitens der Kritik zuteil werden läßt: Malicks Tree of Life ist für mich eine mehr als durchwachsene Angelegenheit, sowohl inhaltlich-dramaturgisch, als auch rein visuell-auditiv.
Der Film beginnt grandios mit einem Monolog aus dem Off: einer Reflexion über Gnade vs. Natur. Dazu tolle nüchtern-realistische Bilder und eine unaufdringliche melancholische Musik. Hier liegt für mich eindeutig die Stärke des Films: im unaufdringlichen Realismus. Das ganze Familiendrama, der Vater-Sohn-Konflikt, die Beziehung der Brüder untereinander ist einfach top: anrührend, mit oft kleinen Gesten und feinen Zwischentönen inszeniert, die gerade deshalb eine um so grössere emotionale Wirkung haben. Meistens ist es die Stille und Sprachlosigkeit, die hier tiefgehend berührt.
Doch leider hat diese Ebene dem Herrn Malick noch nicht ausgereicht: er muß gleich noch einen ganzen Schöpfungsgeschichtlichen Bogen spannen und bemühen, um zu zeigen, daß Gewalt und Gnade seit Anbeginn der Zeit in Gottes Werk stecken. Und so unprätentiös nun die Familiengeschichte inszeniert war, so überladen, laut und unfreiwillig komisch kommt er jetzt mit der Kitsch-Keule daher, schwurbelt und suhlt sich in psychedelisch anmutenden Bildern über den pre- und post-Urknall, läßt dazu Zbigniew Preisners "Lacrimosa" hymnisch erschallen und verliert sich dadurch zunehmend in esoterischem Geblubber: "Liebt einander - alles...jeden!". Natürlich, Herr Malick, aber diese durch und durch menschliche Weisheit, braucht ihr pseudo-philosophisches Kitsch-Brimborium nicht, um zum Leben zu gelangen. Es braucht keine penetrante Symbolik, die den Zuschauer mit dem "Achtung, wieder ein Symbol!"-Holzhammer nahezu totschlägt. Solche Botschaften brauchen Raum und Stille, um sich zu entfalten. Doch leider erschlägt die Theatralik dieser Szenen fast den Gedankenraum, den die sensible Familiengeschichte geöffnet hat: denn im Tree of Life passen diese beiden Ebenen überhaupt nicht zusammen. Nein und nochmals nein: sie schließen sich meines Erachtens nach sogar gegenseitig aus bzw. heben sich gegenseitig auf. Und zurück bleibt - "Achtung Symbolik!": das Nichts...
Ich komme mal besser zum Schluß, bevor die Pferde mit mir durchgehen: wer auf bildgewaltiges Eso-Geschwurbel steht, sollte sich besser Darren Aronofskys "The Fountain" ansehen...der ist darin wenigstens konsequent. Wer ein brilliantes Familiendrama sehen will, sollte bei "Tree of Life" über die Fähigkeit verfügen, die andere Hälfte des Films auszublenden.
4 von 10 Punkten

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