Das europäische Horrorkino scheint überholt. Konnten sich im Fahrwasser des großen Vorbilds „High Tension“ einige glanzvolle Vertreter der „New wave of horror“ stil- und selbstsicher behaupten, erfuhr das Genre mit dem letzten großen Paukenschlag „Martyrs“ nicht nur seine Krönung sondern auch sein Ende. Gut, einen solchen gegen den Strich gebürsteten Stinkefinger gegen Überseetrash á la „Saw“ und „Hostel“ hätte auch nur allzu schwer überboten werden können. Dementsprechend entäuscht MUSSTEN die Reaktionen zu Franck Richards Debütfilm „Die Meute“ ausfallen, lässt er doch quasi alle etablierten Elemente der „Französischen Härte“ vermissen.
Statt sich also in eine Reihe mit den eingangs erwähnten Schockern zu stellen, erinnert „Die Meute“ eher an einen klassischen Vertreter aus den späten 80er Jahren, als es zumindest im Land der Baguettes nur bedingt darum ging durch Blutfontänen und abgerissenen Körperteile Aufmerksamkeit zu erheischen. Stattdessen dominiert eine rohe, sexuell aufgeladene Stimmung, die jedoch nicht jedem wirklich behagen mag. Diese Direktheit, die französischen Filmen beinahe schon klischeehaft immanent zu sein scheint, wird ob ihrer szenenweise dargebrachten Plumpheit den ein oder anderen Rezipienten sogar verschrecken. Hat man sich jedoch genau darauf eingestellt, kann man – zumindest in meinen Fall – ganz gut damit leben. Ein zweiter Punkt an dem sich die Geister scheiden werden ist die ironische Skurrilität des Films: Da mögen die Bilder noch so schmutzig und trostlos erscheinen, die Stimmung durch den formidablen Soundtrack noch so düster wirken, ernst ist der Film wohl kaum zu nehmen. Wenn schon zu Beginn eine in Folie gewickelte Frau überraschend durchs Bild läuft und von den Protagonisten kaum beachtet wird, ist eigentlich klar, dass wir es mit einer Farce zu tun haben.
Genau das scheint es aber zu sein, neben der falschen Erwartungshaltung gegenüber Blut- und Innovationsgehalt des Films, das den meisten Zuschauern den Spaß am Sehen verleidet hat. Vielleicht wäre es aber vom Verleih auch geschickter gewesen, den Film nicht als Mitglied im Club der Folterfilme zu platzieren. „Die Meute“ weist viel mehr Ähnlichkeit mit Fabrice du Welz „Calvaire“ auf: Zu skurril um in der Realität verankert zu sein. Allerdings konnte ich mit der bedeutungsschwangeren Pseudometaphorik von Welz absolut nichts anfangen. Da gefällt mir ein straighter Flick, der den Grundprinzipien filmischen Schaffens gehorcht (Etablierung der Charaktere, Problem, Katharsis) um einiges besser. Zumal ich eigentlich immer ganz gut auf schweinefickende Bauern in Filmen verzichten kann und trotzdem einen gelungenen Filmabend habe.
Ästhetisch wiederum unterscheiden sich beide Filme kaum, auch wenn „Calvaire“ ein wenig mutiger ist, was Bildkompositionen angeht – dafür punktet „Die Meute“ mit einem sehr guten Witz gleich zu Beginn. Interessanterweise hat der jüngere Output auch noch die interessantere Besetzung zu bieten: Sei es nun die aus „Micmacs“ liebgewonnene Yolande Moreau in einer wahrlich gegen den Strich gebürsteten Rolle oder der „Menschenfeind“ Phillipe Nahon (der Gorefraktion bereits aus „High Tension“ bekannt). Émilie Dequenne in der Hauptrolle kannte ich bis dato nicht, hat es mir persönlich allerdings allein schon optisch angetan. Hinzu kommen auf der positiven Seite noch die sehr atmosphärischen Schauplätze und die recht gelungene Maske der titelgebenden Meute.
Bei all diesen doch recht guten Voraussetzungen ist es dann umso enttäuschender, was aus dem finalen Werk dann herausgekommen ist. Denn all die interessanten Einzelteile und auch die ein oder andere gelungene Szene können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich doch um einen Film nach Schema F und noch viel schlimmer ohne auch nur den geringsten Anflug von Spannung handelt. Genau diese hätte dem Film aber wirklich gut getan. Es fällt mir recht schwer im Nachhinein zu beurteilen, ob der Fehler nun im überraschungsarmen Skript, der einfallslosen Kamera oder gar dem völlig sinnfrei eingesetzten und damit vergeudeten Soundtrack liegt. Gerade letzterer Punkt ist beinahe schon zum heulen, denn was ringt einem der atmosphärischste OST, inklusive toller Effekte, wenn er nicht passend eingesetzt wird? Da fällt dann schon kaum noch ins Gewicht, dass der abschließende „Showdown“ beinahe schon lächerlich uninteressant ausfällt.
So lässt sich abschließend festhalten, dass „Die Meute“ ein kaum überraschender Film ist, der wohl am meisten damit zu kämpfen hat, nicht aus dem Groß der monatlich ausgeschissenen B-Ware herauszustechen. Die Skurrilität, bzw. der schwarze Humor wird zu wenig genutzt, die Geschichte ist nicht der Rede wert und die Schauspieler können kaum ihr wahres Können zeigen. Für französische Verhältnisse ist das alles dann auch noch zu unscheinbar bebildert – wobei man nie vergessen sollte, dass selbst die langweiligste Inszenierung aus Sarkozyland immer noch zehnmal besser aussieht als manch deutscher Kinofilm. Alles in allem also ein Muss-nicht-sein-Film, der mir aber dennoch um einiges besser gefallen hat als „Calvaire“. 5,5 / 10 Punkten