Review

Eine Zivilisation, die in Trümmern liegt, ist verhältnismäßig einfach zu lenken. So kam Hitler im von Reparationen des Ersten Weltkriegs niedergeschlagenen Deutschland an die Macht, deren Nachwirkungen die Welt zu Beginn der Fünfziger Jahre prägte. Der Zweite Weltkrieg hatte der Menschheit Spannungen und Unsicherheit vererbt. Der Kalte Krieg war nun im Aufbruch und die Angst vor globaler Zerstörung und der Atombombe bestimmte das Denken der Bevölkerung. Eine dankbare Ausgangskonstellation für jene, die eine Idee propagieren mochten.

Mit Filmen um feindselige Außerirdische wurde vorrangig der Nerv der Zeit getroffen; Christian Nybys “Das Ding aus einer anderen Welt” (1951) setzte mit der konsequent bösartigen Darstellung des trotz aufrechten Gangs eher animalisch als menschlich wirkenden Besuchers aus dem Weltall das wohl konkreteste Aufbruchszeichen in den rigorosen Reaktionismus. Ein Invasor von einer Kälte und Präzision, von der Ridley Scott noch zehrte, als er den Science-Fiction-Film Jahrzehnte später mit “Alien” noch fließender den Grenzen des Horrorfilms zuführte, symbolisiert hier die Mächte des Ostblocks, deren Schrecken durch den Koreakrieg von 1950 noch allgegenwärtig waren.

Der im gleichen Jahr entstandene “Der Tag, an dem die Erde stillstand” dagegen ist ein absoluter Anachronismus. “New York Times”-Kritiker Bosley Crowther verriss den Film, der wie ein Widerhaken aus der glatten Fläche des boomenden Sci-Fi-Genres hervorstand, unter anderem mit der Argumentation, dass die Geschichte wenig packend sei, der Roboter vor dem Raumschiff kaum bedrohlich und dass überhaupt kaum mehr heraus gezogen werden könne als seichte Unterhaltung. Aus diesen Worten spricht unzweifelhaft die Perspektive, mit welcher das Zeitgeschehen damals rezipiert wurde: Amerikanische Filme sollten dem Westen viel eher das Gefühl geben, gnadenlos einer bedrohlichen Macht von außen ausgeliefert zu sein, was im vorliegenden Fall natürlich nicht gelingen kann. Die prophetische Funktion der Science Fiction wurde gemeinhin dazu gebraucht, aus dem Unbekannten eine Furcht in der Bevölkerung zu aktivieren, die mittelfristig in Protektionismus ausufern musste. Dem Militär wurden bereitwillig alle Zügel in die Hand gegeben, da die Optionen eindeutig niedergelegt waren: Gegenangriff oder Zerstörung.

Die große Errungenschaft von Robert Wise’ Werk ist es, dass dem Publikum die Kraft der freien Entscheidung wieder zurückgegeben wurde, die durch Filme wie “Das Ding aus einer anderen Welt” bereits eliminiert schien.

Obwohl das mit religiösen Motiven gespickte Filmende schon damals moralinsauer gewirkt haben muss und heute nicht minder schwülstig davon berichtet, dass die Zukunft des Planeten in der Hand des Menschen liegt, so ist die Botschaft doch gerade im Kontext seiner damaligen Entstehung von bemerkenswerter Art, denn sie erfordert ausgesprochen viel Mut. Warum?

Eine mögliche Antwort darauf liefert die ungewöhnliche Perspektive, die gewählt wurde, um die Mission des menschenförmigen Aliens Klaatu zu erzählen. Was wir heute aus Katastrophenfilmen der 90er Jahre kennen, insbesondere aus “Armageddon”, verwendete “Der Tag, an dem die Erde stillstand” bereits ein halbes Jahrhundert zuvor. Der Blickwinkel ist ungleich des publikumsträchtigen, weil identifikationsstarken intrinsischen Blickwinkels (aktuell wieder in “Cloverfield” zu begutachten) diesmal ein globaler. Als Vorbild ausgewählt wurde die Infrastruktur der Verbreitung von Nachrichten, was durch die Mittel der Filmtechnik jedoch nun zu höherer Effizienz getrieben wird. Man sieht Szenen aus aller Welt - ikonische Bauwerke aus Europa und Amerika ebenso wie aufgeregt gestikulierende Reporter aller Nationen, die teilweise im wahren Leben tatsächlich bekannte Gesichter der Berichterstattung waren, womit die Authentizität noch erhöht werden sollte. Mit diesem Ansatz wurde bereitwillig Identifikationsmaterie zugunsten der Veranschaulichung einer globalen Bedrohung geopfert. Es mag daher rühren, dass der Film als wenig intensiv aufgefasst wurde, weil die Bedrohung für das Individuum auf kurze Sicht (also auf alles bezogen, was im Drehbuch selbst noch aufgegriffen wird) gering ausfällt, aber letztendlich zeichnete keiner die tatsächlichen möglichen Konsequenzen des Ost-West-Konflikts realistischer nach.

Einerseits liegt das an der möglicherweise intensivsten Szene des gesamten Films, einer bildgewaltigen Montage aus Szenen, die den Zusammenbruch jeglicher Technologie der Erde zeigt. Der Autoverkehr kommt zum Stillstand, eine Hebebrücke friert in der Bewegung ein, Computerlichter erlöschen. Die Welt ist mit einem Mal auf ein Jahrhundert zurückgeworfen, hinter die Industrielle Revolution. Bedenkt man, dass sich die Abhängigkeit der Menschheit von der Technik inzwischen weitere 50, bald 60 Jahre lang unaufhörlich multipliziert hat, kann der Schrecken aus diesen Bildern mit der Zeit nur noch größer geworden sein.

Zum anderen - und hier liegt der eigentliche Kniff - wird das unerfüllte Begehren des Zuschauers nach einer Identifikationsfigur als Anklage gegen ihn selbst verwendet. Als Professor Jacob Barnhardt klagt, dass ein Gremium aus Wissenschaftlern nicht reiche, um Klaatus Botschaft an die Menschheit zu richten, weil die Wissenschaft immer noch nicht ernstgenommen werde, verbreitet sich pure Ironie in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Satz in einem Science Fiction-Film geäußert wird. Die Aufforderung ans Publikum, sich aus der durch das individuelle Schicksal verursachten Angststarre zu lösen, wird spätestens zu diesem Zeitpunkt klar. So glasklar wie die Betätigung eines Abblendlichtschalters, um dem auf der Straße stehenden paralysierten Reh zu einer Reaktion zu verhelfen.

Die Instrumentarien zur Verkündung jener Botschaften sind dabei denkbar grob. Das Raumschiff ist in einem futuristisch-kubistischen Design gehalten und fern jeglicher Details, die Aktionen des unheimlichen Roboters, der vor dem Schiff Wache hält, sind minimalistisch und die physische Identität Klaatus, die es ihm erlaubt, unerkannt unter Menschen zu wandeln und sich mit ihnen zu unterhalten, bleibt mysteriös. Anhand der wenigen Spezialeffekte wird kaum Gehaltvolles vermittelt und im Endeffekt führt dies dazu, dass die Botschaft so plump und offensichtlich deklariert wird, als sei es Moses, der hier seine zehn Gebote verkündete. Allerdings ist die Konkretheit der Verkündungen zwar streitbar, aber unzweifelhaft beabsichtigter Natur, ebenso wie das reduzierte Design der Außerirdischen. Ungleich etwa “Alarm im Weltall” suhlt sich Robert Wise nicht im Kreativen, sondern betont das Realistische. Sci-Fi-Elemente werden infolgedessen als fremdartige Relikte aus der Zukunft eingeführt. Sie sind uns deswegen fremd, weil sie auf keinerlei Kultur schließen lassen, was als Warnung vor der Auslöschung der globalen Artenvielfalt zu verstehen ist.

“Der Tag, an dem die Erde stillstand” bezieht seine Wirkung also in erster Linie aus dem, was nicht gezeigt wird. Entgegen der Prämisse des Science Fiction-Genres, einen Blick in die Zukunft zu gewähren, ist dieser Film fester in der Realität verwurzelt als seine Genre- und Zeitgenossen. Als Intention lässt sich daraus ablesen, dass gezeigt werden soll, dass die Zukunft noch nicht geschrieben, folglich veränderbar ist. Hierin liegt die Wurzel seiner einzigartigen Ausnahmestellung. Das noch für 2008 geplante Remake sieht sich idealen Bedingungen ausgesetzt, daran anzuknüpfen, denn aktuelle globale Probleme mit der Umwelt und dem Terrorismus sind nichts anderes als der Kalte Krieg unserer Zeit.

Details
Ähnliche Filme