Eine Ode an Ozu
Als perfekte Ergänzung zu Wenders aktuellem „Perfect Days“ war „Tokyo-Ga“ schon Anfang bzw. Mitte der 80er seine Ode an Tokio, an Japan, an Yasujiro Ozu, sein größtes Regievorbild. Eine Reise in Japans Hauptstadt und unsere Sicht als Außenseiter auf sie - und auf Ozus einmaligen Blick…
Ein träumerischer Travelog
Spielhallen und amerikanischer Einfluss. Rock & Roll und Videospiele. U-Bahnen und Bars. Hinterhöfe, Gassen, Neonreklame und Vergangenheit. Wenders hat ein klasse Gespür für Tokio, für Ozu, für das Beobachten, Fühlen, Aufarbeiten. Man merkt ihm seine Bewunderung, seine Faszination und seine Neugier an. Zu Beginn sagt er, dass er sich an diesen „Arbeitsurlaub“ kaum noch erinnern kann (da die Doku erst zwei Jahre später, nach „Paris, Texas“ fertiggestellt wurde) - für diesen Preis und dieses Opfer können wir ihm nur danken. Denn er erweist Stadt, Regielende und seinen Zuschauern hiermit massiv Respekt und traut ihnen auch etwas zu. Die Details aufzunehmen. Die Verbindungen herzustellen. Den Zeitkontext einfließen zu lassen. Die Weiterentwicklung zu bedenken. „Tokyo-Ga“ ist teils meditativ, sehr neutral und objektiv. Er lässt uns unsere eigenen Schlüsse ziehen. Er sieht exzellent aus. Auditiv etwas schwachbrüstig bzw. zumindest ohne im Kopf bleibenden Score. Manchmal verliert er sein eigentliches Subjekt (Ozu) etwas aus den Augen - sieht dafür in Tokio jedoch dann an jeder Straßenecke neue interessante Kleinigkeiten und Besonderheiten, nimmt diese auf und lässt diese wirken. Das hat die Ruhe weg. Das war seiner Zeit voraus. Und das hat eine ganz eigene, technomenschliche Aura.
Fazit: selten hat ein Regisseur einem anderen Regisseur (und dessen Hauptstandort!) stilvoller Ehre gebührt. Tokio ist hier hypnotisch, real, magisch!