"Eine runde Sache" hatte ich mir mit wenig Hoffnung nach dem etwas soliderem sechsten "Saw"-Film erhofft, es sollte tatsächlich eine Hoffnung bleiben. Natürlich, ein wenig Abschluß haben die Macher schon mit ihrer neuesten Episode betrieben, ein paar Erzählfäden zuende geführt (oder einfach abgeschnitten), aber per se ist diese "Vollendung" der abgeschmackteste und fadeste Teil der Serie geworden.
Wieder geführt von Kevin Greutert (dem vormaligen Regisseur und Schnittkünstler der ersten fünf Filme), ist dies nicht nur Abschluß, sondern auch Verbeugung (oder Kniefall?) vor der momentan eben modernen 3D-Welle, die es einem gesunden Splatterfilm wie "SAW" natürlich erlaubt, Blut, Eingeweide oder scharfe Gegenstände auf den armen Zuschauer zurasen zu lassen. So eine Gelegenheit darf nicht ungenutzt bleiben, also heißt die Devise offenbar kurz angebunden : "Peng! Voll in die Fresse!"
Wer es also schön saftig und triefend liebt, dies hier ist die definitive Kapitulation der Torture-Reihe vor den Verfechtern der Regel, daß die Frequenz an spekulativem Eingeweidegeschmeiße wegweisend für die Qualität eines Films ist.
Mit auserlesener Zeigefreudigkeit wird nicht mehr auf den nahenden Schmerz spekuliert, vielmehr scheint klarer als sonst, daß die körperlichen Zerreißproben hier alle schief gehen müssen, damit die Splattergemeinde was zum Abfeiern hat, also liefert Greuterts Team viel und reichlich von allem, mag es auch noch so selbstzweckhaft sein.
Zwar merkt man gleich zu Beginn ironisch an, wo der Hase im Pfeffer liegt mit dieser Art von Filmen, als erstmals eine der tödlichen Fallen an hellem Tage vor einer großen Menschenmenge zum Einsatz kommt, aber Sinn und Zweck dieser öffentlichen Zurschaustellung seitens des "neuen/alten" Jigsaw-Killers Hoffman wird kaum erklärt. Vielleicht auch nur ein Fingerzeig, an dem sich Filmkritiker hochziehen können.
Die fast schon pathologische Zeigefreudigkeit, mit der scharfe Gegenstände in Münder, Augen und Haut eindringen - ganz zu schweigen von einer fast endlos ausgemalten Szene, in der sich eine Hauptfigur zwei Backenzähne aus dem Kiefer reißen muß, offenbar eine Reduktion auf das Wesentliche, wenn man es bissig sehen will - wird noch unterstützt durch eine geradezu groteske Überhöhung der Opferquote innerhalb der gerade mal 80 Minuten Lauflänge. War der Original-Jigsaw John Kramer (Tobin Bell gibt in diesem Film wirklich nur noch ein paar kurze Cameos ab) schon nicht zimperlich, war er stets bemüht, Unschuldige nicht zu töten oder übermäßig zu quälen. Seit jedoch Hoffman seinen privaten Rachefeldzug durchzieht, gilt es einfach nur noch, möglichst viele Opfer zu bieten. Meuchelte er schon im sechsten Teil nebensächlich eine Reihe von ermittelnden Polizisten seines Falls, steht jetzt bei "Vollendung" der absolute Overkill an. Nahezu jeder an der Untersuchung der neuesten Mordserie Beteiligte oder Unbeteiligte muß dran glauben: Sondereinsatzkommando, Polizisten, Ermittler, Pathologen, Sanitäter, alle werden samt und sonders in dem Bemühen, Kramers Witwe Jill Tuck zu meucheln, gleich mit weggehobelt. Das alles in einem finalen Handstreich, der zum Massenmordshowdown mutiert.
Mit der ursprünglichen Serienidee hat das nur noch wenig zu tun, eher ist dies ein striktes Bemühen, endlich alle handelnden Personen präfinal aus dem Spiel zu nehmen. Als Füllmasse gibt es natürlich wieder diverse Fallen, diesmal für den "Boondock Saint" Sean Patrick Flanery, der sich als Jigsaw-Opfer ausgibt und vermarkten läßt und dies dann bitter bereuen muß (was hat der Typ sich eigentlich bei einer Aberdutzende von Opfern umspannenden Mordserie bei der Idee gedacht?). Erwartungsgemäß muß er seinen geld- und mediengeilen Stab über die Klinge springen lassen, um seine Frau zu retten, die keine Ahnung davon hat, daß er ein Betrüger ist, aber das ist (wie zuletzt immer) nur noch Basismaterial für die Lauflänge.
Als Ermittler ist wiederum ein Neuling im Spiel, diesmal ein bisher ungenannter Innenrevisor, der der offensichtlichen Spielfalle genauso tumb auf den Leim geht, wie seine Vorgänger in sechs Fällen zuvor auch. Lernfähigkeit ist also null, dafür läßt aber parallel die Fähigkeit der Autoren nach, aus dem Material noch etwas Steigerungsfähiges zu destillieren.
Der beste und einzige Gag des finalen Films ist die Wiedereinbindung der Figur des Dr. Gordon, die Cary Elwes ja seit dem Originalfilm nicht mehr angerührt hatte und die jetzt zu einem abrundendem Einsatz kommt, aber auch dieser Rückgriff auf bessere Zeiten funktioniert nur als allerallerallerletzte Plotwendung, die uns an den Anfang der Serie zurückführt.
Positiv will ich auch bewerten, daß nun die Serie wohl endlich Ruh haben kann und sich tatsächlich ein erzählerischer Kreis geschlossen hat (den jeder findige Geldschneider natürlich leicht wieder aufbrechen kann), der es möglich macht, gleich sieben dieser Folterwerke am Stück genießen zu können, wobei die Faszination mit der Zeit wohl nachlassen dürfte.
In "Saw 3D - Vollendung" jedenfalls schaut man schon sehr bald auf die Uhr, weil man nun wirklich bis zum Erbrechen weiß, daß erst der Schlußgag alles offenbart, daß von der Formel nicht abgewichen wird und daß es vieler, vieler, vieler Tote bedarf, um wirklich auch dem letzten Geiferer das Maul zu stopfen. Und weil es bis dahin ein langer Weg ist, kreischen die armen Delinquenten in diesem Film mehr und lauter als in den letzten drei Teilen zusammen, was jedem Zuschauer bald schwer auf den Anker gehen dürfte. Ist man auch im siebten Durchlauf immer noch von den Mordapparaturen und dem menschenverachtendem Gemeuchele fasziniert, so kann man natürlich die neue Plastizität der Eingeweide erfreut abfeiern, aber mir hat dieser Overkill auch noch den letzten Geschmack aus dem ausgelutschten Kaugummi getrieben.
Wir haben alle was gelernt, sind jetzt bessere Menschen und hoffen stark darauf, daß mal wieder jemand was Kreatives nur mit einem Küchenmesser anrichtet. (3/10)