Betrachtet man die Story, die "Der Adler der Neunten Legion" erzählt, in ihren Grundzügen, so klingt der Plot viel versprechend. Ein einzelner Mann in Begleitung eines Einheimischen, der gezwungen wird, ihm den Weg zu weisen, begibt sich auf unbekanntes Territorium, aus dem noch niemals ein Eindringling zurück kam - selbst eine Armee mit tausenden Soldaten verschwand dort vor 20 Jahren, ohne das man danach etwas über ihr Schicksal erfuhr.
Damit ein solches Wahnsinns-Unternehmen auf der Leinwand funktioniert und für entsprechende Spannung sorgen kann, bedarf es zweier wesentlicher Voraussetzungen - eine hohe Identifikation mit dem Hauptakteur und ein nachvollziehbares Motiv. Beides kann "Der Adler der neunten Legion" nicht bieten, weil die Macher scheinbar glaubten, dass es genügt, dass der Film im 2.Jahrhundert nach Christus unter römischen Legionären spielt. Marcus Aquila (Channing Tatum) ist ein solcher Legionär, dazu noch der neue Befehlshaber einer Einheit, die sich in einer Festung mitten im britannischen Feindesland befindet. Da Aquila - im Gegensatz zu den übrigen Soldaten - die leisen Geräusche heranschleichender Kämpfer hört, kann er verhindern, dass seine Männer im Schlaf nieder gemetzelt werden. Endgültig Respekt verschafft er sich, als er mit seinen Legionären den Ausfall wagt, um gefangen genommene Legionäre seiner Einheit zu befreien. Dabei wird er selbst schwer verletzt.
Als er wenig später erfährt, dass er wegen seiner Verletzung seinen Posten verloren hat, könnte man annehmen, dass es das Schicksal nicht gut mit ihm meint - tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, denn nur dank dieser überraschenden Wendung ist Aquila in der Lage, die Ehre seines Vaters und damit seiner Familie wieder herzustellen. Warum diese überhaupt befleckt ist, wird nicht so recht klar - auch wenn es immer wieder behauptet wird - denn angesichts der Tatsache, dass noch kein römischer Soldat zurückkam, der sich hinter den Hadrian-Wall wagte, fällt es schwer, Aquilas Vater deshalb Vorwürfe zu machen, auch wenn er als Befehlshaber der Neunten Legion den goldenen Adler verloren hatte, das eherne Zeichen des römischen Reiches. Merkwürdigerweise wird dieser Verlust auch als Anzeichen möglicher Feigheit angesehen, wofür es nachvollziehbarer Weise keinen Beweis geben kann, da anscheinend kein Augenzeuge überlebt hatte.
Das dieser Ehrverlust als Grund für Aquilas gewagtes Unternehmen herhalten kann, lässt sich nur mit dem streng soldatischen Denken und dem eisernen Ehrenkodex der römischen Legionäre begründen. Das könnte man noch hinnehmen, wenn Channing Tatum einen solchen Idealtypus zu verkörpern in der Lage wäre. Dass er Kraft und Sportlichkeit mitbringt, nimmt man ihm noch ab, aber das Ganze hat bei ihm eher den Gestus des ortsansässigen Highschool-Quarterbacks. Dazu passt auch der Buddy, den er sich noch im verletzten Zustand anlacht - Esca (Jamie Bell), ein Brite, der auch gut Latein spricht. Als dieser keine Lust hat, sich bei einem Gladiatoren-Wettkampf zu wehren, senken die zuschauenden Römer den Daumen - bis auf Aquila, der den aufrechten Charakter des Briten erkennt und dafür sorgt, dass er am Leben bleibt. Zur Belohnung wird Esca sein Sklave.
Eine solche Konstellation, in der schon der Kern der zukünftigen Männerfreundschaft (Frauen spielen in diesem Film sowieso keine Rolle) ersichtlich wird, kommt immer gut beim Publikum an, hat aber nichts mit einem Soldaten zu tun, dessen strenger Ehrenkodex ihn dazu zwingt, sein Leben für die Ehre des Vaters zu riskieren. Genau daran krankt der gesamte Film, der immer zwischen einem antik angehauchten Buddy-Movie und einer Geschichte von Blut und Ehre schwankt. Der Film nimmt sich auf der einen Seite für eine ironische Betrachtung der Soldaten - Symbolik zu ernst, lässt auf der anderen Seite aber die notwendige Konsequenz und Authentizität vermissen, um den Eindruck tatsächlicher Gefahr zu vermitteln.
Keinen Moment entsteht im Zusammenspiel zwischen Aquila und Esca das Gefühl von Ungewissheit. Bedenkt man, dass sie zu Zweit in für Aquila unbekanntem Terrain unterwegs sind, dann kann man es nur Naivität nennen, dass der Römer seinen Feind und Sklaven von Beginn an wie einen adäquaten Begleiter behandelt. Abgesehen davon, dass ein solch liberaler Charakterzug kaum für einen antiken Offizier vorstellbar ist, den es danach dürstet, gegen eine unvorstellbare Übermacht anzutreten, um dieser einen güldenen Adler zu entreißen. Ähnliches lässt sich auch zu dem Einheimischen sagen. Zwar spielt Jamie Bell mit mürrischem Gesicht gegen eine zu positive Stimmung an, aber warum er nie die Gelegenheit ergreift, zu entkommen oder sein Gegenüber anzugreifen, lässt sich nur mit einem Zitat begründen - dies ist der Beginn einer langen Freundschaft.
Natürlich bietet "Der Adler der neunten Legion" auch einige Schlachten und typische Wendungen auf, die den Abenteuercharakter unterstreichen sollen, aber selbst als die beiden wackeren Kämpen den Hadrians-Wall durchschreiten, will keine echte Spannung aufkommen. Mit seinen Landschaftsaufnahmen kann der Film optisch überzeugen, auch einige Kämpfe sind - mittelprächtig brutal - ordentlich inszeniert, aber entscheidend bleibt, dass sich der Film trotz schöner Kostüme und römischer Landhäuser nie wirklich auf die Zeit einlässt, in der er angeblich spielt.
Dabei hätte das authentische Versetzen in das 2.Jahrhundert nach Christus schon ausgereicht, um Dramatik und Unsicherheit zu erzeugen, doch stattdessen bietet der Film nicht nur zwei Männer-Charaktere auf, angesichts deren Verhalten es an Glaubwürdigkeit kaum zu unterbieten ist, dass sie sich ausgerechnet wegen eines Stahl-Adlers auf diesen beschwerlichen Weg machten, sondern lässt kaum eine Wendung aus zeitgenössischen Abenteuerfilmen Hollywoodscher Prägung aus. Da erstaunt es dann auch nicht mehr, wozu zwanzig Jahre älter gewordene Legionäre plötzlich in der Lage sind (3/10).