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Manchmal ist es eben doch besser, wenn man die Genreware des Phantastischen, des Horrors, mal eben nicht von denjenigen jungen Wilden anfertigen läßt, die sich mit "props" und Tiereingeweiden zuhauf zugeschmissen haben, um ihre filmischen Talente freizulegen, sondern von Leuten, die sich bemühen, möglichst kreativ vorzugehen.

Möglicherweise deshalb ist auch "The Last Exorcism" ein wesentlich vielfarbiger Film geworden, der nicht sofort wie von der Stange gemacht wirkt. Zwar im Wesentlichen ein weiterer Beitrag zur "Found Footage"-Welle ("Cloverfield", "Blair Witch", "Paranormal Activity"), wird diese Identität allerdings nicht von vornherein als gesetzt gegeben, sondern stellt sich erst nach Betrachtung der letzten Filmszenen als die wahrscheinlichste Variante heraus.
Daß es sich tatsächlich um einen veritablen Horrorfilm handelt, spürt man bei Daniel Stamms Großeinsatz-Kinodebüt erfrischenderweise erst ziemlich spät, bis dahin darf man erstmal sein Näschen in die Charakterskizze einer überaus interessanten, wenn auch fiktiven Figur halten, die in dieser Fake-Dokumentation thematisiert wird.
Begleitet von einem Zwei-Personen-Kamerateam, stellt sich der Prediger und Exorzist Cotton Marcus selbst dem Kameraauge und entblößt dabei seine gespaltene Existenz. Einerseits ist er ein erfolgreicher Prediger, außerordentlich beliebt und als Priester oder Moderator zu praktisch allem fähig, ein Glaubenszauberer mit Entertainerqualitäten; andererseits zeigt er auf, daß er die Exorzismen, die er vornimmt und zu denen er immer wieder gerufen wird, eigentlich nur wegen des Geldes unternimmt. Tatsächlich glaubt er nicht an dämonische Besessenheit und führt seinen Job eher widerwillig mit Hilfe von verschiedenen raffinierten technischen Hilfsmitteln durch, die auch in Friedkins "Der Exorzist" gut aufgehoben wären. Seine Maxime dabei lautet, daß die Leute sich wünschen, er könne ihnen auf diese Art und Weise helfen - und der offenbare Erfolg bei seinen Patienten scheint ihm recht zu geben.
Wesentlich anrüchiger ist dabei, daß er offenbar seinen Glauben mehr oder weniger schon vor längerer Zeit verloren hat, so läßt er seine Amtsmüdigkeit zum Teil überraschend aufrichtig aufblitzen - die Kirche als Produzent einer Ware, die die Menschen glauben. Seine Vorgeschichte spielt dabei eine entscheidende Rolle, ist er offenbar schon als Kind in die Rolle des Dämonenaustreibers und Predigers gedrängt worden und fühlt sich nun mit Frau und Kind selbst nicht mehr wohl in der zwiegespaltenen Existenz.

Der wahllos aus den Anfragen herausgezogene Hilferuf der Familie Sweetzer, irgendwo in der Louisiana-Regieon auf einer Farm beheimatet, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, während sie den unterschiedlichsten Religionen und Kulten fröhnen. Dort haben wir eine überreligiöse Familie (hauptsächlich den Vater, die Mutter verstorben), eine eher kindlich-naive Tochter, die angeblich besessen ist und einen widerborstigen und agressiven Bruder, der Marcus genau als das sieht, was er darstellt, einen Scharlatan.
Das übertriebene Gottvertrauen gibt Marcus Gelegenheit noch einmal alle Register seiner Trickkiste zu ziehen, doch nachdem die Angelegenheit scheinbar geregelt ist (die auch noch mit Viehtötungen einher gingen), geraten die Dinge außer Kontrolle.

Stamm baut seinen Film geschickt nach allen Regeln der Spannungskurve auf, ohne daß er allzu früh sein Heil in äußerlichen Effekten sucht. Die Umgebung, der Menschenschlag und das Verhalten der Bewohner geben mehr Rätsel auf und verursachen mehr Unruhe, als das offensichtliche Schauereffekte tun könnten. Natürlich erahnt man zu diesem Zeitpunkt längst, daß es um mehr geht, als um religiöse Wahnvorstellungen, aber das geschickt aufgebaute Skript läßt lange offen, um was es sich bei der Angelegenheit handeln könnte. Erst spät greift Stamm dann wirklich in die Besessenheitskiste, vom auf den Schränken krabbeln bis zum unmenschlichen Deformieren des Körpers, allerdings verliert er nie die Bodenhaftung seiner rätselhaften Geschichte, sondern bleibt nah an den Figuren. Gewisse Anzeichen wie das präcognitiv gesehene und zu morbiden Bildern gebastelte Schicksal von Marcus und seiner Crew sorgen für unspezifische Unruhe, aber "The Last Exorzism" läuft nicht allein auf diesen simplen Summenstrich hinaus, sondern beschäftigt sich weiter mit dem hin- und hergerissenen Marcus, der ungewollt weiter tätig werden muß, obwohl er seinen unterhaltungsgestählten Schutzpanzer nach- und nach verliert: immer öfter verlangt er nach Ärzten oder richtigen Priestern, auch wenn dies nur noch mehr Fragen zur Folge hat.

Das führt den Film dann geschickt zu der Schlußwendung, in der der eher ungläubige Thomas praktisch wieder bekehrt wird, als er schließlich in einem spontanen Akt den Geschehnissen auf den Grund geht und mehr erfährt, als er sich hätte träumen lassen, da wird der typische Exorzismusfilm dann plötzlich zu einem klassischen Okkultschocker, dessen letzte Szenen enorm viel Interpretationsspielraum für Theorien und Ideen bieten. Zwar nähert er sich mit dem Finale ein wenig unangenehm dem "Blair Witch"-Feeling an, aber trotzdem dürfte die Auflösung der Geschichte für den Zuschauer als Überraschung daherkommen, wenn auch gewissermaßen als unbequeme und unerfreuliche.

Streckenweise naturalistisch wirksam inszeniert und mit kleinen innovativen Spitzen versehen (so wird in einer Sequenz die Handkamera ausgerechnet von der Besessenen entwendet, die ihre nächtlichen Aktivitäten so eigenständig dokumentiert), ist "The Last Exorcism" ein erfrischender kleiner (und strukturiert kurzer) Film ohne überflüssiges Fett an den Rippen, bei dem Blut und Schockeffekt höchst effektiv in den Film eingearbeitet sind, ohne ihn durch auffällige Betonung zu verkleben.
Der Stein der Weisen ist dadurch natürlich nicht entstanden, aber ein bißchen befriedigender als im Falle einer gewissen Hexe fällt das Gesamtergebnis schon aus, da die Macher ihre Story offenbar wenigstens zuende gedacht haben.
Im Falle Daniel Stamms dürfen wir uns wohl auf kommende Arbeiten freuen. (7,5/10)

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