Review

Was (natürlich) in erster Linie an „Der Exorzist“ und der optischen Darbietung im Doku-Stil von „Paranormal Activity“ erinnert, entpuppt sich unter der Oberfläche als angenehm ambivalentes Horrorgeschichtchen.
Der Hamburger Daniel Stamm treibt ein perfides Spiel zwischen Schein und Sein im fundamentalistischen Amerika, auch wenn die eine oder andere überraschende Wendung etwas Logik vermissen lässt.

Der dokumentarische Stil wird von der ersten Szene an verfolgt, während Kameramann Daniel zu keiner Zeit zu sehen ist. Reverend Cotton Marcus (Patrick Fabian) ist ein Showman und Blender, der den gutgläubigen Leutchen eine Menge vom Pferd erzählen kann.
Für seinen letzten Exorzismus holt er sich eine Reporterin nebst Kameramann, um die Scharlatanerie zu entlarven, doch im Fall der sechszehnjährigen Nell (Ashley Bell) in Ivanhood, Louisiana stellt sich der Fall ein wenig anders dar…

So etabliert man binnen weniger Momente einen Sympathieträger in Form eines Kurzportraits, denn für einen Geistlichen ist der charismatische Cotton ein Windhund mit flotten Sprüchen, einer gesunden Portion Zynismus und augenzwinkernden Einlagen.
Nachdem er auf der einsam gelegenen Farm unter den Augen des Vaters Louis (Louis Herthum) seinen Exorzismus performt, gibt er gegenüber dem Fernsehteam mit kleinen Winks seine Tricks preis, doch als Nell einige Stunden nach der Prozedur unerwartet in dem Meilen entfernten Hotel aufkreuzt, wird man stutzig…

Augenscheinlich betritt die Entwicklung der vom Dämon Abalam besessenen Sechszehnjährigen kein Neuland. Hier und da die zweite Stimme, aggressive Anwandlungen mit anschließenden Erinnerungslücken, stilles Verharren und als mögliche Steigerungen das obligatorische Spinnenkriechen, knackende Gelenke und natürlich der Dämon, welcher mit veränderter Stimme durch Nell spricht und obszöne Töne anschlägt.
Jedoch weiß man zu keiner Zeit mehr als die Kamera preisgibt. Hin und wieder dringen unerklärliche Geräusche aus Nells Zimmer, das nächtliche Dunkel legt phasenweise nur Vermutungen nahe und ab und an muss auch die Kamera auf Wunsch Beteiligter ausgeschaltet werden.

Für einen angeblichen Profi wackelt das Arbeitsgerät zwar etwas zu häufig und der Fokus wird auch nicht immer sicher anvisiert, doch demgegenüber wirken die Gefilmten recht glaubhaft, da man jederzeit ablesen kann, wer die Kamera kaum wahrnimmt, ihre Gegenwart genießt oder sich in einigen Momenten unter Druck gesetzt fühlt.
Darstellerisch überzeugt jeder, wobei ein besonderes Lob an Ashley Bell als facettenreich agierende Nell geht, ebenso an Louis Herthum, der als alkoholkranker Vater zwischen religiöser Resignation und brodelnder Impulsivität eine tolle Leistung hinlegt.

Einen weiteren Pluspunkt fährt das Spiel mit den unterschiedlichen Erklärungsansätzen ein, die zwischen übersinnlicher Bedrohung, rein irdischen Motiven und schauspielerischem Hokuspokus lange Zeit schwer einzuordnen sind.
Auch das Team wird zusehends unsicherer und verwirrter und - wie der Zuschauer - so manches Mal von einer überraschenden Wendung übermannt, die sich im letzten Drittel häufen.
Zwar treten dadurch auch einige Unwahrscheinlichkeiten zutage und das Ende weicht leider der zu abrupt angesetzten Holzhammermethode, doch die an sich schlichte Grundidee schlägt bis zuletzt immer wieder unerwartete Richtungen ein.

Daniel Stamm schürt Suspense durch den überwiegend effektiven Einsatz der Doku-Perspektive und weiß die bedrückende Stimmung auf der isoliert erscheinenden Farm gekonnt einzufangen. Teilweise gerät das Treiben zwar ein wenig zu dialoglastig und wer Schockeffekte erwartet, wird wahrscheinlich vielem Altbekannten begegnen, dafür kaschieren die dichte Atmosphäre und die durchweg guten schauspielerischen Leistungen.
Final ist die Geschichte nicht auf reine Exorzismus-Rituale beschränkt, sondern wirft einen Blick über den Tellerrand hinaus und bringt durchaus brisante Themen mit ein, die nicht ohne zynische Seitenhiebe bleiben, - das hebt ihn im Gesamtbild über den Durchschnitt einfallsloser Plagiate und seelenloser Dämonenaustreibungen…
7 von 10

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