Von der Wohnungsnot...12.07.2011
Seit Kindertagen liebt Cheng den Ausblick aus ihrem Fenster. Sie sieht das Meer in Hongkong, und dieser Blick bringt Heiterkeit in das ansonsten von Spekulanten immer härter beackerte Wohngebiet, welches an sich recht trist ist. Aber die Nachbarschaft ist noch intakt, Großeltern, Eltern, Cheng und ihr Bruder wohnen unter einem Dach, das Leben, so karg es auch ist, es ist doch ein Leben. Aber wie es so geht, Wohnraum ist teuer, Leerraum muß bebaut werden, Wohnblock um Wohnblock werden hochgezogen und versperren bald die geliebte Aussicht. Zudem wir der Vater krank, Asbest verdreckt aufgrund seiner Zeit als Bauarbeiter die Lunge, und die Versicherung zahlt nicht, da man nicht alle Voruntersuchungen erwähnt hat...aber Cheng gibt nicht auf, hat zwei Vollzeitjobs, spart Dollar um Dollar für ihr großes Ziel, eine Wohnung in einem anderen Viertel mit Blick aufs Meer.
Ein hartes Los, und in der kargen Freizeit ist sie auch nicht wirklich glücklich, sondern wird von einem verheirateten Mann nur als Lustobjekt ausgenutzt. Wir wissen: irgendwann ist das Faß voll, und dann reicht ein kleiner Tropfen, damit der Boden herausbricht und sich der ganze angestaute Unmut Bahn bricht. Hier ist es die zurückgezogene Zusage samt angezogenem Quadratmeterpreis durch zwei Wohnungsverkäufer, die Cheng, die sich am Ziel ihres Strebens sieht, komplett aus der Spur wirft. Eine sehr traurige Geschichte dürfen wir hier miterleben, deren Grundstimmung schon von Beginn an trist ist, untermalt wird durch mollschwangere Pianomelodien, und die ein realistisches Bild des Hongkonger Wohnungsmarktes - der so in jeder Megacity dieses Planeten ähnlich sein dürfte - entwirft. Unter Verzicht auf den sonst für den Westler unverständlichen, aber unvermeidlichen asiatischen Humor sehen wir hier eine Frau an ihrem Los fast zerbrechen.
Alleingelassen vom Bruder, mit immer neuen Schwierigkeiten konfrontiert ist Cheng eine Figur zwischen den Mühlsteinen der modernen Gesellschaft, zwischen eigenen Wünschen, dem Streben nach Glück und den Markteigenschaften, die durch die Spekulationsblase künstlich verändert werden. Der Film ist ein Bild der sich aufreibenden Gesellschaft, in der Besitz das einzige ist, was wirklich zählt - leider aber um so schwerer zu erlangen ist. Brilliant fotographiert, in Rückblicken und Handlungssprüngen fein verwoben, die sich am Ende geschmeidig zeitlich ineinanderfügen, entläßt uns der Film mit einem Funken Hoffnung - aber auch mit dem Problem, daß Besitz, ist er erst einmal erlangt, gleich neue Wünsche mit sich bringt - und so nie Zufriedenheit ins Haus trägt.
Ach ja, da war doch noch etwas...es fließt Blut. Reichlich. Und die Szenen sind typisch für Produktionen aus Asien. Hart, ohne verschämtes Wegblenden...und dennoch nicht als reiner Selbstzweck im Film, nicht gedacht, um den Bluthund zu erfreuen...aver der ahnungslose Zuseher sei gewarnt: das ist nichts für den Durchschnittskonsumenten...8/10.