Festivaldurchläufer und Medienliebling von Pang Ho-cheung, der sich hierbei in einer Interaktivität aus Slasher und Sozialdrama und entsprechend auch mit verschiedenen Zeit- und Perspektivebenen postiert. Einmal als minutiöser Amoklauf als Finale der Geschichte, dass als Appetithäppchen dem Film und seinem eher dem Indepedentbereich zugeordneten Autor, Produzent und Regisseur Pang die bisher größte Aufmerksamkeit verschafft. Einmal als vorerzählter Beweggrund zwischen Wunschvorstellung und zunehmend düsterer Realität, quasi das Prequel für die letztlich gewalthaltige Repräsentation und seinem vergleichsweise spektakulären Fokus, welches dem Filmemacher schon vor der Weltpremiere beim Udine Far East Film Festival April 2010 erstmal die massenprivilegierte Sichtbarkeit ermöglicht. Die der einer handwerklich in allen Belangen überzeugenden, in blaugrün-braun gedämpften Farben eingefangenen Splatterfantasie mit dekorativer Effekttechnik; im Übrigen nicht basierend auf einer wahren Geschichte, sondern beeinflusst von den Erlebnissen von Pang selber, der sich laut eigenen Aussagen bis heute nicht das Eigentum eines Wohnobjektes leisten kann:
Cheng Lai-sheung [ Josie Ho ] träumt seit ihrer Kindheit und besonders auch nach dem Tod ihrer Eltern [ Norman Chu + Pau Hei-ching ] von einer eigenen Wohnung mit Ausblick auf die See, dafür spart sie eifrig, geht zwei Jobs, einen tagsüber in der Bank und einen abends als Modeverkäuferin nach. Wenig Unterstützung bei der Verwirklichung ihrer Wünsche erhält sie von ihrem Liebhaber Siu-to [ Eason Chan ], der zwar für sexuell schäbig wirkende Techtelmechtel in Stundenhotel oder Auto zu haben ist, sich ansonsten aber seiner eigenen Ehe und den Kindern zugehörig fühlt. Dennoch gelingt es ihr, die Anzahlung und durch Kreditaufnahme auch die monatlichen Raten für ein ideales, momentan noch freistehendes Apartment aufzubringen, verpasst sie allerdings den entscheidenden Termin mit Makler Nelson [ Benny Lau ] um nur wenige Minuten, in denen die Verkäufer ihr Angebot wesentlich erhöht haben. Um die Preise auf ihre Weise zu drücken, veranstaltet Sheung ein komplettes Blutbad in der Siedlung, angefangen vom Nachtwächter über die potentiellen Nachbarn [ Michelle Ye Xuan + Tan Lap-Man ], der ausschweifenden Sex-und-Drogenparty der feiernden On Jai [ Lawrence Chou ] und Cheung Jai [ Derek Tsang ] bis hin zu den wegen Ruhestörung eintreffenden Cops Fat [ Juno Mak ] und Man [ Felix Lok ].
Dabei ist die 2007 geschriebene, im März 2009 zum Dreh gestartete, zwischenzeitlich mit inneren, die Vision zu kompromittieren drohenden Streitigkeiten und folgerichtigen Befürchtungen belastete 4 Mio USD Produktion künstlerisch vergleichsweise eher schwachherzig, versteift sich weder auf einen Diskurs noch die möglichen moralischen Dissonanzen, die der Hauptfigur stellvertretend für den Zustand ihrer Stadt inneliegen. Die schwarzhumorige sick & slick Handlung als Fingerübung einer merkwürdigen Katastrophe, derer zwar nicht an Leidenschaften, aber an Charakteren und Beurteilung erspart wird. Wie ein Testlauf einer Aneinanderstellung mehrerer einzelner Schicksalsfügungen, inklusive Dokumentaraufnahmen der monatenlangen, allerdings erfolglosen Protesten gegen den Abriß des Queens Pier 2007 und statistischer Zahlen von der Explosion der Wohnkosten im Vergleich zum Einkommen, deren allgemein objektive und hier subjektive Ungerechtigkeit schliesslich und endlich zum Ausbruch der genrerelevanten, marktkundigen und dort auch Zuspruch findenden Brutalität führen. Ein Überfluss graphischer Ergötzlichkeiten, aber auch die entscheidende Katharsis der Anti-Heldin wird durch die hin- und her bzw. vor- und zurückspringende Erzählführung vermieden, die nicht wie z.b. im koreanischen, wesentlich einflussreicheren Bedevilled die Qualen, Demütigungen und emotionale wie pyhsische "Kriegsgefangenschaft" der Frau chronologisch bis zum Überlaufen und dem dann erst folgenden detaillierten Blutbad, sondern Aktion und Reaktion, Geschehen und Gegenwehr jeweils parallel und so rasch erleichternd in Augenschein nimmt.
Alle 15min ein oder mehrere drastische Angriffe auf Leib und Leben, die Exodus-Dramaturgie in ihrer Trennung von Fiktion und Alltagserfahrung ist entsprechend plakativ, mit haltloser Psychologie und so vor allem visuell dirigiert und zentralisiert. In gerade anfänglich auch unorthodoxen, überraschend anders aussehenden Einstellungen einer eigentlich längst abgefilmten Stadt, die hier je nach Anblick wie ein Traum, eine Sehnsucht oder ein ausführlich ausgearbeitetes Spielzeugmodell, einer Utopie gleich erscheint. Doch nach und nach und gerade in den Rückblenden zu 1991, 1999, oder 2004 machen sich fern dieser Projektionsfläche mit viel Tiefenillusion die typischen Bilder eines zugebauten Molochs mit seinen Kabel- und Antennenwülsten auf den Dächer und den winzig geratenen Wohnungen mit kaum Platz zum Drehen und Wenden breit. Eine ganz andere, gar repressive Sichtweise als die des ästhetisch vereinnehmenden Beginns.
Dem poetischen Äußerungsdrang von "Victoria Number One" [ wörtliche Übersetzung des chinesischen Originaltitels, eine Anspielung auf Victoria Harbour, Hong Kongs Mit-Hauptattraktion ] wird mit dem Einbruch der gesellschaftlichen, politischen, finanziellen Misere schnell dem Garaus gemacht; genauso wie die unsichere öffentliche Lage der Stadt vor und nach der Rückgabe an China einschliesslich der aggressionstrunkenen Aktien-, Bau- und Immobilienspekulation den innewohnenden Menschen den Raum zum Bewegen und die Luft zum Atmen nimmt, genauso agiert Sheng mit ihrer Konkurrenz. [Das Motiv der Suffokation findet gleich mehrere Male Anwendung in den vielfältig ausgearbeiteten Todesszenarieren, ob durch Strangulieren, dem Einführen von Fremdkörper in Mund und Rachen, in dem Fall ein Holzpflock, oder das Verweigern einer dringend nötigen Inhalation.] Rational und emotional ausgetrocknet ist besonders die gegenwärtige Situation, ein haltloser Zustand aus viel Autorität und wenig Individualität, dem sich scheinbar nur und gerade aus Sicht von Sheung mit dem Brechen von geschriebenen und ungeschriebenen Regeln zur Wehr gesetzt werden kann, wobei auch Regisseur Pang im Rückgriff auf einst populär bestehendes Category III und dessen Aushängeschild Herman Yau gleich zwischen allgemein bekannten Zitaten, ihrer Reflexion und teils bildungshaften, epigonischen oder parodisierenden Erneuerungen verweilt.
Je fortschreitender die Regentschaft der Violenz im "Hong Kong House of Horror" anhält, desto weniger wird ihre Intensität, da die Mordtaten aus unterschiedlichen Vorstellungen, realistisch [ auch Mit-Autor Pang ] bzw. over-the-top [ Produzentin und 852 Films Co-Gründerin Ho, die gerne so etwas wie Story of Ricky oder Ichi: The Killer im Auge hatte, dessen gleich ihr Film zum Kinostart eine eigene Brechtüte für die Vorstellung und vom Vater, Kasinobetreiber und Milliardär Stanley Ho das nötige Kleingeld für die Finanzierung spendiert bekam ] entstehen und so in der Ausführung auch zunehmend unterschiedlichen Tönen und dem Mangel einer eindeutig direkten Beurteilungskraft folgen. Was dann schon den Gedanken bezüglich weniger Freiheit und eigener Mitwirkung des sonst unabhängig arbeitenden Regisseurs aufkommen lassen. Denn nach den ersten durchaus schmerzvollen Attacken auch auf den Zuschauer, gerade der Auftakt mit Teppichmesser und Halsschlagader oder der Angriff auf eine Hochschwangere, wird es bald zunehmend abstrus und zur Gorekomödie bzw. gross out-Nummernrevue; gilt zwar immer noch das Faustrecht der um sich Wütenden, wird dies aber mit absurden Exzessen und kaum als ernsthaft zu verstehenden Aus- und Abgängen seiner anfänglichen Wucht entkleidet. Von haute tension zum wild-wüsten bis satirischen psycho killing party comicstrip mit heraushängenden Eingeweiden und wehrfähigen Nackedeis.