Review

„Ich hab‘ immer gehofft, dass Günni irgendwann mal erwachsen wird. Aber das ist einer, der geht von der Pubertät rucklos in die Rente, ohne was dazugelernt zu haben.“

Der zweite abendfüllende Spielfilm zur Jugendserie „Und tschüss!“ wurde im November 1996 erstausgestrahlt. Diesmal war Wolfgang Büld wieder als Drehbuchautor beteiligt, während die Regie auf Michael Keusch („Fatale Mutterliebe“) entfiel.

„You look like perverts to me...”

Günnis (Benno Fürmann, „Schicksalsspiel“) geliebter Ford Mustang ist nur noch ein Haufen Schrott, seit er mit ihm bei einem Wettrennen schwer verunfallte. Sein Kumpel Raoul (Tom Mikulla, „Rosenheim-Cops“) hat es gerade auch nicht leicht: Er möchte eine alte Fabrikhalle in ein schmuckes Restaurant umwandeln, ist dabei aber an den Kredithai Wagner (Norbert Weisser, Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“) als Geldgeber geraten, der Raoul bereits mit empfindlichen Inkassomaßnahmen droht. Geld muss her, und zwar pronto. Gemeinsam beschließt man, dass Günni mit Zombie (Andreas Arnstedt, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) in die USA reist, um dort gebrauchte Wohnmobile zu erstehen und nach Deutschland zu verschiffen, wo Raoul sie mit Gewinn weiterveräußert. In den Vereinigten Staaten angekommen, haut Günni Raouls Kohle jedoch für einen Thunderbird auf den Kopf – bzw. hätte er dies gern, denn stattdessen nimmt ihm Betrüger Bill (Dan Frank, „Vendetta“) beides ab: Geld und Auto. Man trifft sich mit Silke (Chrissy Schulz, „Fest im Sattel“), die gerade als Au-Pair-Mädchen bei vermögenden US-Amerikanern arbeitet, und versucht gemeinsam, zumindest das Geld zurückzubekommen. Leichter gesagt als getan, denn die trinkfreudige Clique landet im Gefängnis, wo sie indes eine Rockerbande kennenlernt, die Günni & Co. helfend zur Seite steht. Mit dem zurückgewonnenen Thunderbird geht’s nach Las Vegas und zu Zombies Tante, doch Bill ist ihnen bereits wieder auf den Fersen…

„Roy Black auf Crack!“

Alles beginnt mit einem aufregend inszenierten Autorennen, das an Bülds vor „Und tschüss!“ gedrehte Kfz-Komödien gemahnt – und bei dem Günni so schwer verunglückt, dass er komatös im Krankenhaus liegt. Die im Anschluss ans Rennen gezeigte Totenandacht scheint ihm zu gelten, was sich aber als erzählerische Finte entpuppt. Dass er ausgerechnet von Zombie ins Leben zurückgeholt wird, ist ein Stück feiner Ironie. Aus dem Gespräch mit Raoul und einem Streit Günnis mit seiner Freundin Petra entwickelt sich der – zugegebenermaßen reichlich bescheuerte – Plan, Ami-Karossen nach Deutschland zu verschiffen. Erst einmal mit dem Flieger in Los Angeles angekommen, wird „Und tschüss! In Amerika“ zu einer Ruhrpott-Prollkomödie mit Culture-Clash-Anleihen, in der sich Bülds zurückgekehrter Einfluss nicht nur im Dead-Kennedys-Zitat „California über alles“ bemerkbar macht. Statt Los Angeles als touristisches Aushängeschild zu inszenieren, lässt man Günni und Zombie (kurioserweise mit Tweety-Motiv auf der Lederjacke) durch ein Elendsviertel fahren, in dem sie beinahe überfallen werden. Tatsächlich überfallen und ausgeraubt werden sie jedoch erst später – von einem Weißen. Mit ein paar Mädels, mit denen es anschließend zum Strand geht, sind auch die (weiblichen) Oben-ohne-Szenen zurück, auf die im Vorgängerfilm fast gänzlich verzichtet wurde. (Günni zeigt seinen trainierten Oberkörper ohnehin wieder zu etlichen Gelegenheiten.) Auch ist die Musik wieder wesentlich besser und wird stets passend eingesetzt, in erwähnter Sequenz z.B. David Lee Roth‘ Version des Klassikers „California Girls“.

„Fuck you fuck! Fuck you! Fuck you!”

Mit Silke stößt ein drittes Stammmitglied der Essener Clique hinzu, während Raoul und Petra nur am Rande stattfinden – und Jürgen und Eddie diesmal gar keine Rolle spielen. Der Humor ist prollig, zuweilen aber auch erfrischend frech. Unsere Clique schlägt sich mit radebrechendem Englisch durch und kollidiert ständig mit den strengen US-Alkoholgesetzen, denn quasi permanent wird Dosenbier verköstigt. Auch wenn nicht jeder Running Gag sitzt (bspw. Günnis falsche Korrekturen von Fremdwörtern), ist die Trefferquote recht hoch. Köstlich zum Beispiel, wie Zombie Country-Musik für sich entdeckt. Trashig hingegen die Rock’n’Roll-Gesangseinlage im Knast, und dass ausgerechnet Günni in Las Vegas als zehnmillionster Besucher eines Kasinos gefeiert wird und dort auch noch fett abräumt, ist ebenfalls großer Quatsch, der die eher karge Handlung etwas notdürftig voranbringt. Die Poolbadeszene mit Silikonhupentussies ist zudem ziemlich abtörnend.

Dafür werden geile Ami-Schlitten hübsch in Szene gesetzt und immer mal wieder die Weite der Highways stilisiert. In dieser Hinsicht ist der Film stark auf Günnis aus der Serie bekannte Leidenschaft für die USA und deren Autos zugeschnitten. Eine Autoverfolgungsjagd gegen Ende mündet in einer netten Pointe und ein bisschen Geballer – man ist schließlich in den NRA-USA. Filmhistorischen Geschmack beweist das „Spiel mir das Lied vom Tod“-Soundtrack-Zitat. Und daheim in Essen? Da hat Raoul tatsächlich eine rettende Idee für sein Restaurant, die eventuell gar spätere Szenegastronomie-Trends vorwegnimmt.

Unterm Strich ist „Und tschüss! In Amerika“ der verglichen mit dem vorausgegangenen Abstecher nach Mallorca bessere Nachklapp zur Serie, für den man mit dem Regisseur sogar jemand Deutschen verpflichten konnte, der bereits einige Jahr in den USA als Filemacher tätig gewesen war. Nicht übel, wenn auch der Charme der Serie allein schon aufgrund des veränderten Schauplatzes und des Fehlens großer Teile der Clique nicht ganz erreicht wird.

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