Als er vom Tod eines Jugendfreundes liest, erinnert sich der Schriftsteller Gordon Lachance (Richard Dreyfuss) an den Sommer 1959, in dem er mit seinen drei besten Freunden zu einer abenteuerlichen Reise aufbrach, um die Leiche eines vermissten Jungen zu finden. Die Reise wird schließlich nicht nur ein spannendes Erlebnis für alle Beteiligten, sondern ein einschneidendes Erlebnis, welches sie auf dem Weg zum Erwachsenenwerden einen großen Schritt weiterbringt.
Bei all den missglückten King-Verfilmungen ist ausgerechnet ein Kinderfilm einer der herausragenden: „Stand by me“ ist nicht vielen ein Begriff, aber neben „Die Verurteilten“ ohne Zweifel eine der besten Adaptionen des Schriftstellers.
Geradlinigen Horror darf man natürlich nicht erwarten, die gruselige Komponente resultiert nur aus der Suche nach einem toten Kind, wenige schaurige Momente wie das Übernachten in einem Wald mit fernem Wolfsgeheule sind eher schmuckes Beiwerk, um in Wirklichkeit eine wunderschöne Geschichte rund um Selbstfindung, Freundschaft und Erwachsenwerden zu erzählen.
„Harry & Sally“-Regisseur Rob Reiner hatte da genau das richtige Händchen, lässt den Film in einer weit umspannenden Rückblende erzählen, sodass der Zuschauer weiß, welcher der vier Kumpels in der Gegenwart sterben muss. So schwingt die ganze Zeit eine latente Tragik mit, die durch das reale, verfrühte Ableben von River Phoenix weiter verstärkt wird, der sich sein Leben leider selber ruiniert hat, was umso trauriger ist, wenn man sieht, in welch bestechender Frühform auf dem Weg zu einer möglichen glorreichen Karriere er hier ist.
Ein Kunststück des Films besteht darin, trotz aller persönlicher Dramen, die sich hier
abspielen (Bruder des Hauptdarstellers ist tot, Chris hat unter seinem alkoholkranken Vater zu leiden, genauso wie Teddy, dessen Alter offenbar geistesgestört ist und Vern hat als Dickerchen nur wenige echte Freunde), deutlich zu machen, dass die Jugendzeit unmittelbar vor bzw. in der Pubertät die beste in unserem Leben ist, selbst wenn Schicksalsschläge nicht ausbleiben, wird es später nie mehr so sein wie als Kind. Überraschenderweise dürften genau das alle Zuschauer unter 14 Jahren gar nicht verstehen, unter denen man die Zielgruppe vermuten würde. Seine wahre Wirkung wird „Stand by me“ erst auf ältere Menschen entfalten, denen ein wunderbarer Flashback in die eigene Jugendzeit ermöglicht wird.
Die Spannungskurve bleibt auf konstant hohem Niveau, was vor allem den Schauspielern zu verdanken ist, die hier für alle Zuschauer Identifikationsfiguren schaffen. Man ist von jedem mitgerissen, sodass der Pulsschlag bei Szenen wie der auf dem Schrottplatz oder der Eisenbahnbrücke in exorbitante Höhen getrieben wird.
Das Flair der End-50er wurde wahnsinnig toll eingefangen, auf dem Soundtrack sind Jerry Lee Lewis und Buddy Holly zu hören, zu dem könnte man sich ins scheinbar sorglose Vorstadtleben dieser Zeit verlieben.
Bleibt noch die Frage offen, wieso „Stand by me“ von allen Seiten unterschätzt wird. Die simpelste Erklärung wäre wohl die, dass er seine Klasse zu keinem Zeitpunkt zu zeigen scheint oder einfach nicht zeigen will, weil er realitätsnah sein möchte und das auch rüberkommt. Man ist 80 Minuten so gefesselt, dass man oberflächlich nur die Einfachheit des Films wahrnimmt, wo er doch in Wahrheit das Kunststück fertig bringt, so kurzweilig wie nur irgend möglich zu unterhalten und dabei doch eine Menge zum Nachdenken anzuregen.
Ein Film, der fünf Stunden gehen könnte, ohne langweilig zu werden (gegen ein paar Minuten mehr hätte ich übrigens nichts einzuwenden gehabt) und den man sich immer wieder ansehen kann. Wer glaubt, er sei aus dem Alter der Zielgruppe heraus, der irrt gewaltig, denn „Stand by me“ ist für absolut jeden geeignet und wirkt trotz ernsten Untertons wahnsinnig fröhlich, ohne je in Kitsch oder Klischees abzudriften. Wo gibt es das heute noch? Einer der schönsten Jugendfilme aller Zeiten, der viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte!