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Diesen Film wird man wohl fast ausschließlich dann ansehen, wenn man in irgendeiner Form zumindest ein Interesse an Rollenspielen hat. Ich denke, dass das so auch ganz gut ist, denn Leute, die mit Rollenspielen gar nichts anfangen können, werden eine ähnliche Einstellung zum Film entwickeln. Das wiederum wäre sehr schade, da dieses Erstlingswerk durchaus gelungen ist.

Vor allem das Rollenspielen selbst wird in vielen Facetten gut beleuchtet - von purem Spaß über Realitätsflucht bis hin zum übertriebenen Ernst wird alles gezeigt. Dabei legt der auf die letzten beiden Punkte den deutlich größeren Wert, da er diese auch viel besser heranziehen kann, um seine dramatische Seite auszuarbeiten. Dieser Film ist ganz klar kein fantastischer Film sondern viel mehr ein Drama oder eine Tragödie, das sich handlungstechnisch eines ungewöhnlichen Sujets bedient. Trotz der teilweise angedeuteten sinnenfrohen Feierlaune der Spieler lässt der Film von Beginn an keine Zweifel am bösen Ende aufkommen. Man fragt sich lediglich, wie dick es kommen wird. Große Spannung baut der Film also nicht auf, dafür sind zumindest mir die Figuren doch recht schnell ans Herz gewachsen, so dass ich sehr wohl mit gelitten habe - zumal der Film in der letzten halben Stunde sicher am effektivsten arbeitet und so einen Kloß im Hals des Zuschauers erzeugt.

Die Schauspieler sind allesamt überraschend gut, was bei einer solchen Produktion sicherlich ein absoluter Glücksfall ist! Sie treffen immer den richtigen Ton, ob ihre Figuren gerade ernst agieren oder nicht. In den Szenen, wo sie sich als richtige Freaks oder Nerds zeigen fällt dies besonders wohltuend auf, da sie ihre Figuren trotzdem nie der Lächerlichkeit preisgeben. Allerdings sind die Rollen nicht so gut angelegt wie man es sich gewünscht hätte. So entsteht der Eindruck, es gäbe nur Schwächlinge oder Egozentriker unter den LARPern. Und die weibliche Hauptfigur schwankt in ihren Meinungen und Absichten wie ein Blatt im Wind, was gerade ihre Handlungsweise sehr schwer nachzuvollziehen macht. Überhaupt ist die Psychologie sicherlich auf der einen seite der interessanteste Punkt an diesem Film, auf der anderen aber auch der am schwächsten ausgefallene.

Reicht die Psychologie der Figuren noch aus, um grob ihre Taten zu motivieren und tragen die Ereignisse auch zu einem groben Verständnis für die Eskalation des Geschehens bei, so entsteht dann aber auch der Eindruck, dass es sich hier auch nur um grobe Scherenschnitte handelt anstatt um voll ausgereifte Charaktere. So verbaut der Film sich selbst seine volle Wirkungsmöglichkeit, da die nötige emotionale Wucht und Tiefe so nicht entstehen kann. Auf der anderen Seite ist der Film aber auch zu schwermütig, zu spröde und zu arm an Action, um als eher unterhaltsam gewertet zu werden.

Sehr vieles wurde bei diesem Erstling schon richtig gemacht. Am positivsten fallen für mich die Schauspieler auf. Die Thematik interessiert mich seit eh und je und das Rollenspiel wird trotz der oben erwähnten kleineren Schwächen doch recht liebevoll poträtiert. Die Kamera und die musikalische Untermalung werden übrigens sehr zielorientiert eingesetzt, fallen dabei aber nicht sehr spektakulär auf. Mit ein wenig mehr Gespür für die tieferen psychologischen Prozesse wäre der Film rundum gelungen.

Ich würde diesem kleinen Film sehr gerne 7 Punkte geben, zumal es sich, wie ja bereits mehrfach erwähnt, um einen Erstling handelt. Da die Schwächen aber gerade den für ein Drama wichtigsten Teil betreffen sind gute 6 Punkte in meinen Augen ein faires Urteil. Zusätzlich möchte ich den Film aber jedem Rollenspielinteressierten, der dies liest, empfehlen. Für LARPer gilt diese Empfehlung mit noch mehr Nachdruck. Für Nichtrollenspieler erschliesst sich die Handlung wahrscheinlich kaum und man wundert sich nur, was das alles soll. Dieser Effekt wird sich verstärken, um so weniger Interesse dem Rollenspiel entgegengebracht wird. Aber bei wenig bis gar keinem Interesse wird solch ein Film wohl auch eher erst gar nicht gesichtet.

Abschließend kann ich noch sagen, dass ich mit sehr geringen Erwartungen an diesen Film herangegangen bin und das er einen überraschend qualitativ hochwertigen und guten Eindruck bei mir hinterlassen hat. Es wäre aber einiges mehr möglich gewesen, wenn das Drehbuch seine Stärken voll zur Geltung gebracht hätte. Unterm Strich ist WILD HUNT deutlich besser ausgefallen als ich erwartet hatte.

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