Review

Ein robuster Actionfilm mit einer weiblichen Hauptfigur, wie angenehm klingt diese Abwechslung im Land der harten Männer, die immer die Welt retten müssen. Wenn dann auch noch die weltweit angehimmelte Traumfrau Angelina Jolie mit vollen Lippen und langen Beinen diesen Adrenalinjob übernimmt - auch wenn er ursprünglich für einen Mann erdacht worden war - dann sollte uns die Abwechslung doch vor Euphorie aus dem Sessel springen lassen.
Sollte man meinen.

Angenommen, man mißt einem Film dieser Art, nämlich einem Actionreißer mit Polithintergrund, nun seine Qualitäten nur aufgrund der Kampf- und Stuntszenen zu, was bei Actionfans ja durchaus angemessen ist, so darf man sich bei mühsamen 90 Minuten Nettolaufzeit freuen, daß der Plot auf ein absolutes Minimumgerüst gehalten wurde, der Drive aber die Hauptfigur und das Publikum fast die ganze Zeit in Bewegung hält: keine überflüssigen Mätzchen, minimales emotionales Engagement, brachiale Funktionalität.
Und genau hier beginnt das große Problem, denn Angelina Jolie hat zwar die nötige Härte im Schlafzimmerblick, um ein Publikum davon zu überzeugen, daß sie eine russische Schläferagentin sein könnte, die darauf aus ist, den russischen UND den amerikanischen Präsidenten zu meucheln, um einen verspäteten Atomkrieg zu provozieren, aber sie hat weder einen Hauch Ironie, noch den leisen Coolness-Faktor, um sich schon im Vorfeld Sympathien zu erarbeiten.

So funktioniert "Salt" dann fast die ganze Zeit wie ein guter alter Automatenflipper, bei dem die Figuren und das Publikum erzählerisch ständig von links nach rechts geworfen werden, weil hinter der nächsten Biegung immer die nächstgrößere Überraschung oder Wendung lauern muß. Daß die CIA-Mitarbeiterin Evelyn Salt von einem russischen Überläufer als Attentäterin benannt wird, gibt dem Plot einen anfänglichen Schubs. Glaubt man die Dame seines Vertrauens nun im Erklärungsnotstand und in Bedrängnis, startet sie auch schon konzertierte Aktionen, um eben genau das nachzuweisen. Im besten McGyver-Modus bastelt sie sich aus ihrem Notrucksack scharfe Waffen und Sprengsätze, verprügelt Wachleute und Cops im halben Dutzend, springt von Brücken und über Autos, bis sie dann zur Halbzeit tatsächlich den russischen Präsidenten in einem knalligen Handstreich vor der Flinte hat. Hat man das verdaut, muß man die Protagonistin natürlich wieder zur Heldin machen, klärt die Hintergründe in Rekordzeit auf (sofern nicht gleich am Anfang geschehen) und deutet ein etwas weit hergeholtes persönliches Motiv an, um sich um 180 Grad zu drehen. Von da an ballert und sprengt man sich dann bis in den achten Keller des weißen Hauses, wo sich natürlich Sicherheitskräfte und (hohoho, surprise!) ein weiterer Schläfer um den roten Knopf kloppen.

Es spricht nichts dagegen, mit zahlreichen Wendungen und Überraschungen immer neue Richtungen in einem Film vorzugeben, allein braucht man eine Basis, um das alles plausibel zu machen. Und da fehlt es Philip Noyce' Werk wieder mal an der richtigen Balance. Ein paar Szenen mit ihren Ehemann (hier ist Deutschlandexport August Diehl in einer leider verschwendeten Nebenrolle zu sehen) genügen nicht, um die Scheinehe die nötige Relevanz zu verschaffen, die sich später auf Salts Arbeitsverhalten auswirkt. Jolie will (soll) tough wirken und deshalb wird ihre Figur auch mit einem tödlichen, wenn auch mechanischen Ernst angegangen, so daß sie roboterhaft-verführerisch ihren Weg durchrattert, als könnte sie es nicht abwarten, wieder zu ihren Kindern im wirklichen Leben kommen.
Was die Actionsequenzen angeht, die sind gehobener Standard für moderne US-Filme, bieten ein paar aufsehenerregende Szenen (immer auf der Basis, daß sie von einer Frau vorgenommen werden), leiden aber an der typisch übersteigerten Übermenschlichkeit, die immer wieder abwertende Lacher provoziert. Wenn die Jolie in einem langen Fahrstuhlschacht spinnenähnlich von Seite zu Seite hüpft, dann ist das sogar für einen harten Schläferagenten zu affig und das nötige Wirework hat man zwar vorsorglich optisch entfernt, die Bewegungsanlage der Darsteller verrät aber überdeutlich, wie es gemacht wurde. Daß die Dame sich nach Kräften reingekniet hat, um ihre Chance als Knochenbrecherin wahrzunehmen, muß allerdings trotzdem honoriert werden.

Ansonsten muß man schon sehr abwesend gestrickt sein, um das Finale (sofern nicht vorher schon überdeutlich ausgeschrieben) besonders überraschend zu finden, allein die Erwähnung von noch diversen sonstig existenten Schläfern deutet frühzeitig an, daß mindestens eine der vier Sprechrollen neben Angelina Jolie, die mehr als eine Minute im Bild sind, noch als Gegner aus dem Hut gezaubert wird...et voilà, so ist es dann auch.
Auf das Finale kann man dann erwartungsgemäß ein großes "to be continued" draufpappen, alles in allem also die erwartbar fade Leistung des Drehbuchuntalents Kurt Wimmer, der hier zwar nicht ganz versagt, aber für die Ikonographie einer großen Actionheldin auch nicht gerade vorzeigbare Hilfe leistet.
Sofern man sich also nur 90 Minuten zuballern lassen möchte, mit vielen Schießereien, Kampfszenen und einem Mausefallenplot, der die Erwartungshaltung pausenlos auf den Kopf stellen möchte (aber nur überdeutlich an den Beinen rüttelt), der ist sicherlich sehr zufrieden, die Angelina-Fans mal freundlich beiseite, ansonsten stellt sich die Zukunft des Actionfilms aber als wenig sättigender Cash-In dar, der kaum eine große Fangemeinde sammeln wird: übersichtlich, nicht zu kompliziert und angenehm leicht verträglich, da schnell wieder abgebaut. (5/10)

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