Es sieht alles nach Routine aus: kurz vor Feierabend und bevor sie mit ihrem Ehemann den Hochzeitstag feiern kann wird CIA-Agentin Evelyn Salt zu einem Verhör gerufen. Der russische Überläufer Orlov soll auf seine Glaubwürdigkeit geprüft werden. Orlov erzählt von einem Geheimprojekt, mit dem seit dem Kalten Krieg die Zerstörung der USA vorbereitet wird. Erster Schritt: die Ermordung des russischen Präsidenten während einer Trauerfeier in New York. Der Schock: ausgerechnet Salt soll der Attenäter und damit ein russischer Spion sein. Um ihren Mann zu schützen und ihre Unschuld zu beweisen ergreift die kampferprobte Agentin die Flucht - aber ist sie wirklich, wer sie vorgibt zu sein?...
„Salt", ursprünglich für einen männlichen Lead konzipiert und mit Tom Cruise sogar einen Darsteller an der Hand gehabt, macht gleich in der Eröffnung deutlich, dass er mit seiner nun weiblichen Heldin nicht etwa rücksichtsvoll oder zimperlich umzugehen bereit ist. In Nord Korea wird eine bereits reichlich lädierte Evelyn Salt, nur mit Unterwäsche bekleidet, gefangen gehalten und brutal gefoltert. Nur auf hartnäckiges Drängen des deutschstämmigen Arachnologen Michael Krause ist ihre Regierung überhaupt bereit, Salt aus der Gefangenschaft zu befreien. Zwei Jahre später: Evelyn und Mike, der ursprünglich nur als ihr Einlasshelfer in Nord Korea hatte dienen sollen, sind verheiratet, mit dem Außendienst will sie nichts mehr zu tun haben, ein Bürojob genügt der verdienten CIA-Agentin. Lieber plant sie den Hochzeitstag, statt sich mit Terroristen und Geiselnehmern herumzuschlagen.
Doch das routinemäßige Verhör des Russen Vassily Orlov verändert von jetzt auf gleich alles. Als Märchenerzählerei tun sie und ihre Kollegen es ab, als der Überläufer von einem geheimen Programm berichet, bei dem Kinder von frühester Jugend zum Amerikaner konditioniert werden, um später in den USA Jahre und Jahrzehnte auf ihren Einsatzbefehl zu warten. Erst, als Orlov plötzlich Evelyns Namen nennt, sie zur Attentäterin und Spionin erklärt, die den russischen Präsidenten während der anstehenden Beerdigung des US-Vizepräsidenten töten wird, gerät das Verhör aus den Fugen. Während Salts langjähriger Kollege Ted Winter bedingungslos an ihre Unschuld glaubt, kann und will sich ONCIX-Agent Peabody nicht unbesehen davon überzeugen lassen. Die konsternierte Salt indes fürchtet um die Sicherheit ihres Mannes, dessen Identität ebenso bekannt ist, wie ihre eigene. Um Mike zu schützen, bevor es zu spät ist, bricht Salt gegen den Widerstand der eigenen Leute aus dem CIA-Gebäude aus, während auch der brandgefährliche Orlov sich seiner Bewacher entledigt und flieht.
In die Tiefe geht es ab diesem Punkt der Story in „Salt" nicht mehr, wohl aber in die Breite. Hetzt die Agentin anfangs noch aus persönlichen und privaten Motiven davon, klettert an Häuserfassaden entlang, wirft sich aus Schussbahnen und springt waghalsig von Autodach zu Autodach, entwirft Kurt Wimmers Skript bald ein Szenario, welches den tiefst verwurzelten Ideologien des Konflikts zwischen den Westmächten unter Führung der USA und dem Ostblock unter Führung der Sowjetunion entsprungen scheint. Da wird aus „Salt" kein weiblicher Bourne, sondern eine unmittelbar Beteiligte in den Wirren eines Bond-mäßigen Welteroberungsplans der Prä-Daniel Craig-Ära und dem Denkschemata eines Politthrillers aus der Feder Tom Clancys. Das wirkt in seiner Allmachts- und atomaren Bedrohung nicht nur reichlich abgehoben, sondern auch locker um ein paar Jahrzehnte überholt und lässt letztlich auch sehr viel kälter, als es ein weiterverfolgter save-the-husband-Plot wohl getan hätte, der zwar bis auf seine vertauschten Geschlechterrollen nicht origineller, aber sicherlich weniger „shut up and take it, we're serious about this"-artiger rübergekommen wäre. Denn Wimmer und Regisseur Phillip Noyce meinen es tatsächlich verdammt ernst, gestatten weder aus der ironischen, noch aus einer überhaupt von Humor angehauchten Ecke eine Wortmeldung.
Entsprechend wort- und humorlos prügelt und schießt sich Angelina Jolie durch ihre jeweiligen Gegner. Abgesehen davon, dass sie dabei mit Brüsten, Vagina und rasierten Beinen unterwegs ist unterscheidet sich das nicht wirklich von Matt Damons entschlossenem Jason Bourne oder Daniel Craigs raubeinigem James Bond aus „Casino Royale" und „Ein Quantum Trost". Allerdings fällt die Action dank Jolies mindestens physisch beeindruckender Performance im Vergleich zu den männlichen Vorbildern auch nicht ab, Evelyn Salt spielt locker in der selben knochenbrechenden Liga, setzt ihren durchtrainierten Körper und einige unkonventionelle Hilfsmittel wie einen Feuerlöscher als nicht minder gefährliche Waffe ein. Wenigstens anfangs versucht Jolie ihrer Figur eine emotionale Ebene zu schaffen, verliert sich aber in ihrem Rausch aus Flucht und brachialem Kaputtgekloppe. Dennoch: eine ähnlich rabiat-unterhaltsame Show lieferten eben zuletzt höchstens die genannten Vorbilder und soweit „Salt" auch seinen Plot zum bloßen gelegentlichen Anstoßgeber für einige Twists macht und einen Einsatz ins Spiel bringt, der übertrieben hoch liegt, so sehr bleibt Jolie doch im Mittelpunkt des, nun ja, Interesses.
Zur Mitte hin wartet „Salt" mit einem recht düsteren und sogar einigermaßen unerwartetem Twist auf, der aber dadurch deutlich an Wirkung einbüßt, dass es nur eines bißchens an Kombinationsgabe hinsichtlich des Einsatzes von Spinnengift erfordert, um lange vor ihrem Passieren hinter die entscheidende Wendung zu blicken. Jedes persönliche Motiv kommt der Titelheldin komplett abhanden, fortan geht es nur noch um die hanebüchene Verschwörung, durch deren weitere Verästelung Noyce zum Glück mit einem solchen Tempo hastet, dass der blanke Spaß an der Sache und der Unterhaltungswert der ziemlich handelsüblich, aber gut inszenierten Verfolgungs-, Stunt- und Actionszenen über Dinge wie Logik, Nachvollziehbarkeit und Realismus letztlich doch klar triumphiert. Handwerklich gibt es nämlich gar nichts an „Salt" auszusetzen, ohne Bond-Glamour oder Bourne-Grobkörnigkeit ist der Film hervorragend und schnörkellos gefilmt, die Cutter Stuart Baird und John Gilroy ersparen einem außerdem das seit Paul Greengrass angesagte Schnittgewitter zugunsten einer synapsenschonenden Bildmontage, in der das Wesentliche stets im Blick bleibt, statt wirr vor einem herumzuwackeln. James Newton Howard liefert einen konventionellen Score, der aber immer mal wieder zu hörenswerten Tönen ansetzt.
Neben der entfesselten und nicht klein zu kriegenden Jolie bietet „Salt" den typischen Zweite-Reihe-Cast, der der Strahlkraft des Megastars nicht ins Bild gerät. Liev Schreiber und Chiwetel Ejiofor spielen absolut in Ordnung gehend die mit ganz unterschiedlichen Beweggründen agierenden Jäger. August Diehl kann sich als spinnenforschender Ehemann längst nicht so hervortun, wie in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds" (2009) und wenn man Brad Pitt an Jolies Seite gewohnt ist macht er einen so deplatzierten Eindruck, wie ihn annähernd jeder andere machen würde, dennoch gibt Diehl in seinen raren Szenen einen sehr bodenständigen und ehrlichen Gegenpol zur Supershow seiner Filmgattin. Der undankbare Job des bösen Russen fällt dem Polen Daniel Olbrychski zu, ohne dessen durchaus bedrohliche Aura wohl besonders die Verhör-Szene, in der er die geheimen Pläne zur Infiltration und Vernichtung der USA preis gibt, völlig in ihrem eigenen Nichts verpuffen würde. Jeden anderen könnte man in den Credits unter „auch dabei" zusammenfassen, ob die gesichtlosen Russenspione oder Hunt Block als überwiegend durch die Gegend geschubster US-Präsident.
Eröffnet mit einem Folter- und Austauschszenario wie im Bond „Stirb an einem anderen Tag" (2002), dann mit einer Fassadenklettererszene, die so deutlich nach „Die Bourne Identität" (2002) aussieht, als habe sie dem Film als Storyboard gedient, sowie weiteren recht deutlichen Anleihen könnte man „Salt" seine Eigenständigkeit leicht absprechen, beziehungsweise sie rein auf das Geschlecht seiner Hauptfigur reduzieren - und ein bißchen ist es auch genau so. Wenngleich der Film nur in einer Szene gegen Ende halbwegs Gebrauch davon macht, dass es sich bei der Protagonstin nicht nur um ein eiskalt killendes, sondern auch um ein anziehend-verführerisches Wesen handelt, ist er mit einem weiteren knüppelharten Kerl in der Hauptrolle dennoch schwer vorstellbar, schon gar nicht mit einem Tom Cruise. Angelina Jolie ist neben der grundsoliden Inszenierung zweifellos der größte Trumpf eines Films, der ansonsten eine ohne jede Zurückhaltung altbackene, Jahrzehnte an politischer Entwicklung ignorierende Story bietet, die sehr viel mehr Wert auf den ersten Teil des Genres Action-Thriller legt. Denn für richtigen Thrill, für ein gepflegtes „what if..."-Gedankenspiel gehen Kurt Wimmer und Autorenkollege Brian Helgeland mehrere Schritte zu weit ins Reich schurkischer Phantasterei.