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„Gold hat etwas Magisches!“

Der „Tatort: Frankfurter Gold“ – ausgestrahlt im April 1971, sechster Beitrag zur deutschen TV-Krimireihe überhaupt – stellt das Debüt des Main-Frankfurter Hauptkommissars Konrad (Klaus Höhne, „Wilder Reiter GmbH“) dar. Für Buch und Regie zeichnet Eberhard Fechner („Vier Stunden vor Elbe 1“) verantwortlich, dessen erster „Tatort“ zugleich sein letzter wurde. Sein Drehbuch orientiert sich stark am realen Fall um den Goldfälscher Joachim Blum, mit dem Fechner für „Frankfurter Gold“ in Kontakt getreten war. Achtung, diese Besprechung enthält Spoiler!

„Isch versteh kei Wott!“

Der junge Bankier und Börsenmakler Johannes Stein (Michael Gruner, „Publikumsbeschimpfung“), ehrgeizig und aufstrebend, erliegt dem Lockruf des Geldes und der Gier und bekommt den Hals nicht voll: Er sucht sich wohlhabende Opfer für seine Betrügereien und tritt als Geschäftemacher mit todsicheren Geheimtipps auf, von denen angeblich alle Seiten profitieren. Familie Wimper, mit der Stein und seine Verlobte Barbara Ratzmann (Ilona Grübel, „Die Jungfrauen von Bumshausen“) befreundet sind, beschwatzt er, sich auf eine besonders windige Gaunerei einzulassen: Sie sollen die Goldbarren einer Schweizer Bank mit 200.000,- DM ihres Privatvermögens über einen Zeitraum von zwei Jahren beleihen. Diese Barren existieren jedoch gar nicht. Stein lässt sie vom ehemaligen Knacki Günther Ackermann (Hans Christian Blech, „Cardillac“), den er in einer Kneipe kennengelernt hat, fälschen. Ackermann bestreicht Bleibarren mit etwas Gold und Stein glaubt, damit durchzukommen, da in Bankschließfächern verschlossene und zudem in versiegelten Holzkisten aufbewahrte Barren ohnehin nicht kontrolliert würden. Doch Ackermann, von Stein stets „Einstein“ genannt, misstraut seinem Partner und trägt die Goldschicht extradünn auf, um den größten Anteil des Golds als Sicherheit zu verwahren…

„Er hat eine chamäleonische Adaptionsgabe!“

„Frankfurter Gold“ ist ein stilistisch reichlich kurioser Früh-„Tatort“: Kommissar Konrad begrüßt das Publikum im Archiv der Polizei und durchbricht die vierte Wand, indem er, eine Akte öffnend, direkt zu ihm spricht und ihm mehr Spaß an dem Fall wünscht als er gehabt habe. Was folgt, erinnert in seinem dokumentarischen Stil mehr an „Aktenzeichen XY“ denn an einen „Tatort“: Betrüger Stein verliest aus dem Off seinen Lebenslauf, der handschriftlich der Akte beiliegt, unterbrochen von Kommentaren anderer Off-Sprecher, während die Kamera weitere Bestandteile der Akte abfilmt. Die Spielszenen beginnen mit Steins Anstellung bei einem Börsenmakler an der Frankfurter Börse, auf deren Parkett er sein karges Gehalt aufstockt. Familie Wimper wird in die Handlung eingeführt, indem sie ebenfalls direkt zum Zuschauer (oder einem sich außerhalb des sichtbaren Bereichs befindenden Reporter) spricht. Die Betrügereien um die Goldbarren werden fortan chronologisch nachgespielt, hin und wieder unterbrochen von Off-Kommentaren und Erklärungen der Beteiligten. Später werden die Geldsummen, mit denen Stein gerade hantiert, eingeblendet und hoch- bzw. heruntergezählt.

„Entweder mehr Geld – oder wir erkennen die DDR an!“

Ackermann, als bauernschlauer, nicht unsympathischer alter Gauner prima von Hans Christian Blech gespielt, hat schon zu viel erlebt, um Stein ohne Weiteres zu vertrauen, Stein hingegen wird großkotzig und dekadent – und hat auch, nachdem der Betrug auffliegt, schon zu sehr von Reichtum und Anerkennung genascht, als dass er bereit wäre, diesen Lebensstil aufzugeben. Schließlich verschlägt es ihn nach Paris, wo er sich an Dr. Otto (Karl Lieffen, „Die Engel von St. Pauli“) heranwirft und in seine Geschäfte hineinzuziehen versucht. Während dieser karikierend überzeichnet angelegt wurde, gibt Michael Grunder einen schelmischen Schwindler, der mit seinem Auftreten, seiner Ausstrahlung und seiner kumpelhaften Wortgewandtheit schnell seine Mitmenschen für sich und seine Ideen einzunehmen versteht. Dem Zuzusehen macht ebenso viel Spaß wie dem Lauschen der Dialoge mit ihrem allgegenwärtigen hessischen Dialekt. Das Drehbuch scheint jedoch hier und da etwas lückenhaft. Wie ist einer der falschen Goldbarren in der Tagespresse gelandet? Und weshalb wundert sich der Kommissar nicht über die zwischenzeitliche Bahnhofsschließfachaufbewahrung der Fälschungen, wenn selbst ich es tue? Jener Kommissar übrigens stößt nach dem Auftakt erst spät wieder zur Handlung hinzu, nämlich nachdem Günter Strack („Das Wunder des Malachias“) als interessierter Goldkäufer Teufel nicht auf Stein hereingefallen ist. Stein indes geriert sich bis zum bitteren Ende derart übertrieben als Weltbänker, dass der Kommissar ihn nicht in den Knast wirft, sondern in die Klapse einweisen lässt. Und nach den Abschlusserklärungen aller Beteiligten spielt – weshalb auch immer – die zwischenzeitlich zu Steins Privatbesitz zählende Stimmungskapelle „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“.

Mit seiner besonderen Art der Inszenierung erinnert „Frankfurter Gold“ an gemeinsame Familienabende vor der Glotze, wenn das bereits erwähnte „Aktenzeichen XY… ungelöst“ über den Äther flimmerte und für leichtes Unbehagen sorgte, wenngleich man hier über die eine oder andere Kuriosität hinwegsehen muss. Dieser semidokumentarische Stil passt wiederum insofern, als, wie eingangs erwähnt, dem Ganzen ein realer Fall zugrunde liegt. Das Pikante dabei ist, dass „Frankfurter Gold“ zwei Jahre vor Beginn der Gerichtsverhandlungen gegen den Fälscher und Betrüger Joachim Blum ausgestrahlt worden war und sich Blum durch diesen „Tatort“ vorverurteilt sah. Er schaltete einen Anwalt gegen den Hessischen Rundfunk ein. All das macht Fechners Film zu einem besonderen „Tatort“, der nicht nur stilistisch aus der Art geschlagen wirkt, sondern auch dadurch reale Geschichte schrieb, dass er medienethische Fragen aufwarf.

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