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Riggs und Murtaugh – zwei Männer, eine Legende.

Und Shane Black ist der Mann hinter der Legende. Heute, da der traditionelle 80er-Jahre-Actionfilm längst einem verdünnten Genre-Gemisch gewichen ist, das den Actionfilm selbst als Genre zunehmend in Frage stellt, gleicht die von Black entscheidend mitgeprägte Ära der explodierenden Männerspielplätze einer längst verblichenen Kreidezeit. Auch als Regisseur schlägt er bereits seit inzwischen 15 Jahren Kerben in den polierten Mainstream, doch seinen Einstieg fand er als 22-Jähriger in einer Filmreihe um zwei ungleiche Cops aus L.A. Und schrieb dabei nicht nur das Skript zu “Lethal Weapon”, sondern zugleich ein Stück Actionfilmgeschichte. Legt man ein besonderes Augenmerk auf Drehbuchraffinessen, ist Black vermutlich kein Genie seines Handwerks - Riggs und Murtaugh betonen immer wieder, wie dünn doch eigentlich die Spuren sind, die sie verfolgen. Aber er ist der Kerl fürs Wesentliche. Für das Einfache, nach dem man einfach die Finger ausstrecken muss, um es zu spüren. “Dialogue can be fun but most people don’t study it”, sprach’s der Mann und weist einfach nur auf das Offensichtliche hin. Ihm zum Dank durften Mel Gibson und Danny Glover zu einem der besten Buddy-Couples aller Zeiten und aller Genres aufsteigen, und als das Skript in Joel Silvers (Produktion) und Richard Donners (Produktion und Regie) Hände fiel, war der Wandel des Actionfilms vom Abbild der Reagan-Ära über unbesiegbare Kampfmaschinen hin zur gefühlsbetonten und geistreichen Krachmacherei für Feuerballästheten beschlossene Sache. “Lethal Weapon” hat zusammen mit “Stirb Langsam” Ende der 80er Jahre die Welt des Actionfans grundlegend auf den Kopf gestellt.

Was Donners Reihe von derjenigen John McTiernans unterscheidet, ist die noch stärkere Fokussierung auf die Protagonisten. Zwar ist auch John McClane mit seiner problembehafteten Ehe und seiner enormen Verletzlichkeit weitaus vielschichtiger als seine eindimensionalen Vorfahren um Schwarzenegger und Stallone, doch macht weniger Bruce Willis’ Figur selbst das Konzept aus, sondern der Umstand, dass genau diese Figur in ein künstlich abgeriegeltes Einzelgänger-Szenario hineingezwungen wird.

In “Lethal Weapon” hingegen haben sich die Hauptfiguren nicht nach der Situation zu richten, sondern umgekehrt: Alles ist auf die gleichmäßige Charakterzeichnung der beiden Polizisten Roger Murtaugh (Danny Glover) und Martin Riggs (Mel Gibson) ausgerichtet. Es gibt eine Rahmenstory um eine ermordete Tochter eines alten Army-Freundes von Murtaugh, doch die ist eben nichts als ein Alibi...“dünn” halt, wie die Figuren eigens voller Selbstironie ihrem Schöpfer gegenüber tönen. Bezeichnend, dass selbst Starkritiker Roger Ebert, der von sich behauptet, von Actionfilmen in der Regel eher gelangweilt zu sein, sich seinerzeit von der ersten bis zur letzten Minute gut unterhalten fühlte - obwohl ein wesentliches Merkmal des tumben 80er-Actioners, die extrem kontrastreiche Schwarzweiß-Geschichte, unzweifelhaft vorhanden ist. Dies ist jedoch nicht als Zeichen des Unvermögens zu werten, eine komplexere Geschichte zu konzipieren, sondern als eine Entscheidung, die bewusst getroffen wird – zugunsten eines betont einfachen Kernstücks.

Seinen perfekten Einstieg findet Richard Donner in einer Szene, die bereits alles über Murtaughs Charakter und seine Lebensumstände verrät. Der alternde Ehemann und Vater dreier Kinder sitzt nachdenklich in der Badewanne, als plötzlich seine ganze Familie hineinplatzt, ihm eine Torte reicht und ihn zum 50. Geburtstag beglückwünscht. Es wird nicht viel gesagt, aber Informationen werden dennoch viele über diesen Mann gestreut. Es handelt sich offenbar um einen hundertprozentigen Familienmenschen, der – anders als viele Film-Cops - vor seiner Familie keinerlei Geheimnisse hat (weshalb die Szene sich abspielt, während er in der Badewanne sitzt). Doch er zweifelt unter seiner Männlichkeit in Anbetracht der runden 50, die ihn gerade eingeholt hat (ergrauter Zottelbart, der in der nächsten Szene einem gepflegten Schnauzer weicht... ein Zeichen fürs “Noch-mal-wissen-wollen”). Mit wenig Aufwand folgt man hier dem Beispiel des großen Hitchcock, der mit der einleitenden Kamerafahrt durch James Stewarts Wohnung in „Das Fenster zum Hof“ einen ähnlichen Effekt erzielte, ohne allzu viel über die verbale Schiene erklären zu müssen.

Dann der totale Kontrast: Die leere, weite Aufnahme eines Sandstrandes aus der Vogelperspektive, Einsamkeit und Sehnsucht symbolisierend. Ein Hund, der hastig auf einen alten Wohnwagen zuläuft. Innenaufnahme, alles ist wild durcheinander. Ein schläfriger Riggs mit fettigen Haaren und Kippe im Mund. Als er aufsteht, ist er nackt, schlurft gedankenlos zur Toilette, wo er gleichzeitig Wasser lässt und an einer Bierflasche nuckelt. Das direkte Gegenprogramm zu Murtaugh: Auf der einen Seite ein Mann, der ins Alter gekommen ist, seine Pflichten aber um jeden Preis erfüllen will; auf der anderen Seite ein junger Kerl, der aber mit dem Leben fertig zu sein scheint.

Eines verbindet zu diesem Zeitpunkt bereits Beide: Der Soundtrack. Eric Clapton und Michael Kamen überraschen mit einem permanenten jazzig-legeren Trompetenspiel, das im Film pauschal eigentlich für erotische Szenen steht, hier jedoch durch die absurde Koppelung mit tragisch-komischen Szenen eine eigenwillige Ironie verkörpert, eine Ironie des Lebens, wenn man so will. Geistig verbunden sind die beiden Cops also schon vor ihrem allerersten Treffen - in der Komik, die dem Leben durch seine Tragik zuteil wird. Ob nun über das Alter Murtaughs fabuliert wird oder über die Lebensmüdigkeit Riggs - beide haben trotz ihrer unterschiedlichen Lebensweisen mit den Problemen ihrer Existenz zu kämpfen. Und wenn sie sich dann in einer Situation voller Missverständnisse auf dem Polizeirevier endlich treffen, ist es soweit. Schon auf den ersten Blick wird ersichtlich: Dies ist nicht eine dieser ungewollten Zwangsehen, die uns Hollywood nach einem erfolgserprobten Rezept auf die Nase binden will. Das hier wird Geschichte schreiben.

Und so sollte es Geschichte werden.

Nach “Lethal Weapon” hat es wohl niemals wieder ein Buddy-Gespann gegeben, dessen Eigenschaften so mühelos ineinander rasteten wie jene von Mel Gibson und Danny Glover. Die Figuren sind so perfekt, so einfühlsam geschrieben, dass die Beziehung zwischen Riggs und Murtaugh einfach alles ist, was diese Reihe definiert. Die Art und Weise, wie die beiden ungleichen Freunde aufeinander reagieren, macht den entscheidenden Unterschied. Wegen Riggs und Murtaugh kommt man immer und immer wieder auf ihre Abenteuer zurück, obwohl unzählige Epigonen längst alle Konjugationen der Rezeptur durchexerziert haben. Wegen ihnen fühlt man sich so wohl in der Franchise, dass man sie am liebsten niemals enden lassen möchte. Eine derartige Bindung zu situativen Aspekten eines Films, einen solchen Wunsch, immer und immer wieder einer Situation beizuwohnen, an der Riggs und Murtaugh beteiligt sind, vermag kaum ein anderer Vertreter des Buddy-Action-Movie zu erzeugen. Die zögerlichen bis kaum vorhandenen Versuche der nachfolgenden Jahrzehnte lassen vermuten, dass man bereits aufgegeben hat, sich mit Gibson und Glover zu messen. Es ist eine Mischung aus Schauspieltalent und Charakterstärke, die von den Darstellern ausgeht. Gibson und Glover spielen wie eine verschworene Einheit, wie zwei sich gegenseitig ergänzende Teile eines Ganzen ohne den Kitsch, der durch solche Konstellationen normalerweise zum Vorschein kommt - das verhindert die Selbstironie, getragen durch den Score, getragen durch die Dialoge. Im Polizeibüro wird gar der Wandel des Zeitgeists konstatiert: “The guys of the 80s aren’t tough. They are sensitive people. Show a little emotion to a woman and shit like that.”

Alles andere besorgt Shane Black, der nichts unversucht lässt, seine beiden zentralen Charaktere zum Mittelpunkt des Geschehens zu machen - in jeder Szene.

Wenn dann mal die Story in den Mittelpunkt rückt - etwa im Prolog oder im ersten Gespräch zwischen Murtaugh und seinem alten Freund Hunsaker - kommt tatsächlich beinahe so etwas wie Gewöhnlichkeit auf, das Gefühl, einem stinknormalen Actionkrimi zuzuschauen, des relativ mäßigen Plots zum Dank auch noch einem durchschnittlichen seiner Art. Dies ist erfreulicherweise eher oberflächlicher Schein. Geprägt werden die Ereignisse schließlich von der Präsenz der beiden hauptdarsteller. Black verfasste das Skript überhaupt nicht in Hinblick auf eine Entwicklung der Story, sondern auf die Entwicklung der Charaktere hin. Die Auswahl und Umsetzung der Szenen, die Riggs und Murtaugh langsam aber sicher zu einem verschworenen Gespann machen, kann man dabei einfach nur als beispiellos bezeichnen. Momente wie jene um den Heckenschützen und jene um den Springer, um das Familienessen, die anschließende Unterhaltung auf dem Boot, das Gespräch in dem leerstehenden Gebäude mit beinahe fatalem Ausgang, der vorgegebene Drogenkauf... alles Momentaufnahmen eines Klassikers, sogenannte “precious moments”, die Natürlichkeit und Identifikation signalisieren, Geborgenheit zeigen und Empathie fordern. Und in denen über Blicke innerhalb des Schuss-Gegenschuss-Schnitts die wahre Story des Films erzählt wird.

Als es gegen Ende ans Eingemachte geht, drängt sich schließlich das Formale in den Vordergrund, ohne dabei jedoch Überraschungen außen vor zu lassen. Richard Donner verleiht dem Actionfilm in dieser Phase ein neues Gesicht. Beinah dem Muster damaliger Hongkong-Actioner à la “Police Story” folgend, stehen Entführungen, Folterungen, Explosionen, Autostunts und knallharte Schusswechsel in radikalem Abschlag mit plötzlicher Komödie, welche die Härte des Gezeigten postwendend neutralisiert. Joel Silver würde dieses Konzept mit den Sequels und über diese hinaus noch weiter ausreizen - ein schizophrener Weg, zum einen den Gewaltgrad noch oben hin auszutesten und zum anderen auf die Familientauglichkeit hin abzuklopfen. Donner inszeniert in den Schlussminuten jedenfalls eine aufregende, teilweise emotional mitnehmende Achterbahnfahrt voller Abwechslungsreichtum und Unvorhersehbarem. Mindestens eine zünftige Explosion ist dabei Pflichtprogramm. Gewaltig krachen muss es. Das geschieht hier zweifellos; ganz ohne Statik, sondern voller Dynamik und Abwechslung.

Mitch Ryan als Obergangster und vor allem Gary Busey als gefährlicher Handlanger sind würdige Gegenspieler, können aber auch nicht so richtig verhindern, dass Shane Black an Beiden nicht so sehr als ausgleichende Konstante in einem “Good Guy vs. Bad Guy”-Schema interessiert ist und das Gleichgewicht lieber in der Chemie zwischen Riggs und Murtaugh sucht. Die “Lethal Weapon” bezeichnet kein Instrument, das der Held verwendet, um den Baddie zu schnappen oder umgekehrt; der Titel bezeichnet vielmehr das funktionierende Teamwork zwischen den beiden voll kompatiblen Komponenten - auch wenn sie im Dienste der Spannungskurve beide ein wenig Schliff benötigen, um diese Kompatibilität zu erreichen. Die Zielscheibe ist absolut zweitrangig – interessanter ist es, zeuge zu werden, wie die tödliche Waffe sich langsam zusammensetzt und funktionstüchtig gemacht wird. Bleibt nach knapp zwei Stunden Entwicklungszeit nur eines festzustellen: Der Ballermann hat jetzt höchste Effektivität erreicht.

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