Es ist Zeit, einen Strich zu ziehen unter dreißig Jahre Geschichte. Der Metal, eine mit dem Actionfilm sehr verbrüderte Form der Musik, hat es bereits vorgemacht: Metallica, Anthrax, Slayer und Megadeth, die "Big Four" des Thrash Metal, waren einstmals zum Teil erbitterte Feinde, denen allerdings niemals die Achtung voreinander abhanden gekommen ist. Der Respekt hat sie 2010 zusammengeführt; erstmals in ihrer Karriere touren sie gemeinsam und schaukeln sich dabei gegenseitig die Eier. Die Welt des Metals ist zu einer Einheit verschmolzen, der Geist der seligen 80er Jahre ist präsenter denn je.
Stallone trägt weiter dazu bei, 2010 zum Jahr der Bruderschaft zu machen. Den "Expendables" bei der Arbeit zuzuschauen ist indes eine zutiefst induktive Erfahrung. Das hat sogar das Marketing begriffen: da schlagen einem im Trailer die nicht enden wollenden Namen von Schauspielern entgegen, die sich früher oder in jüngster Zeit um das Genre "Action" (im klassischen, puristischen Sinn) verdient gemacht haben, da werden die Bodycounts auf den Postern als Tabellen gleich mitgeliefert. Die induktiv-statistische Rechnung, mit der Sylvester Stallone als Initiator kalkuliert, lautet wie folgt:
Axiom I: Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Jet Li, Jason Statham, Dolph Lundgren, Eric Roberts u.v.m. haben das Genre "Action" in den letzten dreißig Jahren quantitativ und qualitativ entscheidend mitgeprägt.
Axiom II: Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Jet Li, Jason Statham, Dolph Lundgren, Eric Roberts u.v.m. spielen mit in "The Expendables".
Ableitung aus Axiom I und II = Theorem: "The Expendables" hat alles an Bord, was nötig ist, um zu zeigen, was an den letzten dreißig Jahren im Genre "Action" von Bedeutung war.
In der Tat genügt der reine Anblick in die Darstellerliste, um ganze Meere von liebsamen Männererinnerungen zu enteisen. Alleine schon durch die Besetzung werden Rückbezüge zu Genreklassikern entwickelt, die im fertigen Film gar in Rivalitäten ausarten. Treffen etwa zwei der männlichen Legenden im Kampf aufeinander, so kämpfen nicht nur die Darsteller miteinander, sondern auch deren Filmografien: würde, um mit Dolph Lundgren vs. Jet Li beim offensichtlichsten Zweikampf des Films zu bleiben, ein Andrew Scott ("Universal Soldier") gegen einen Wong Fei Hung ("Once Upon A Time In China") gewinnen? Wer bliebe Sieger, träfen Frank Castle ("The Punisher") und Kit Li ("Total Risk") aufeinander? Oder Nikolai Cherenko ("The Mechanik") und Han Sing ("Romeo Must Die")?
Dieser Teil der Maschine ist ein Selbstläufer, für den es keine gute Regie braucht, und so ist Stallones größte Leistung auch schon seine offensichtliche Zugkraft als "Action-Meister", mit der mehr als die halbe Miete bereits eingeholt ist. Nichts gibt mehr Zeugnis davon ab als eine kurze Cameoszene mit Willis und Schwarzenegger. Lundgren und Li müssen schon noch kämpfen, um miteinander in Verbindung gebracht zu werden, bei Stallone und Schwarzenegger dagegen braucht es bloß wenige Worte und schon werden alte Feindschaften in neuer Freundschaft frisch entflammt. Schwarzenegger ist der Einzige, der Stallone nicht untersteht, sondern ihm ebenbürtig ist, so suggeriert es das Treffen. Der jüngere Willis, dessen John McClane in "Stirb Langsam" gegenüber der Reagan-Ära schon Anflüge von Postmodernität mit sich brachte, fungiert nur noch als Fäden ziehende Macht. Der König des "Smirkens", Willis' unnachahmliches Schmunzeln, betont die kuriose Situation, diese zwei Legenden in einer Kirche vor sich stehen zu haben und sie bei einer Mischung aus gegenseitiger Bewunderung und Schwanzvergleich zu beobachten. Es wird bestimmt eine Kunst für sich gewesen sein, Schwarzenegger ins Boot zu holen, doch die Versammlung der Crew bleibt Stallones einziger echter Geniestreich.
Es wiegt nämlich schwer, dass es Stallone nicht gelingt, mehr von derartigen Spannungsnetzen zu spinnen. 80er-Haudegen gegen Newcomer, alte Rivalen aus gemeinsamen Filmen, klassische Good Guys gegen klassische Bad Guys - die Konstellation hielt Unmengen von Szenarien bereit. Immerhin nun müssen sich Alphatiere, die sich sonst an der Spitze der Nahrungskette sehen, diesmal in Handlangerrollen und erbärmlich unheldenhaften Todesszenen beweisen – soziologisch betrachtet liegt hier wohl der Film des Jahres vor. Bei einem dermaßen testosterongeladenen Ensemblestück ist die Rollenverteilung das heiligste Zentrum, die dunkle Materie, an die man doch nur ein Feuerzeug halten muss, um sie zu entflammen, aber obwohl die Rollenzuordnung handlungstechnisch Sinn macht, so ergeben sich aus ihr, wenn überhaupt, doch leider eher zufällige Reibungen, die beileibe nicht das Zündpotenzial haben, das man hätte herausholen können.
In der Folge wirken nahezu alle Gäste verschenkt. Stallone selbst bleibt erwartungsgemäß das Gerüst, das den Rest zusammenhält. Seine Figur ist zuverlässig, konstant, stark, intelligent… unauffällig. Neben ihm treten vier Darsteller in Erscheinung und hinterlassen so etwas wie einen Eindruck: Lundgren, Li, Statham und Rourke. Bei Lundgren und Li ist es eine Mischung aus kruden optischen Klischees (blonder, hohler Hüne / zwergenhafter Chinese) und dem Versuch, neue, schräge Figuren zu entwickeln. Lundgrens Überläuferfigur ist eine tragikomische Gestalt und in gewisser Weise eine Parodie auf seinen "Universal Soldier", wirkt er doch wie ein verirrter Soldat, dem jedes Gespür für Moral abhanden gekommen ist und der ihm fremde Menschen als "Insekten" betrachtet und entsprechend behandelt, was eine gar köstliche Szene um einen Schuhabdruck im Gesicht zur Folge hat. Er bietet die vielleicht größte Leistung dieses Films. Li hingegen funktioniert als körperlicher Gegensatz zu den vielen Hünen, die Stallone sonst um sich versammelt hat. In Punkto Charakterzeichnung wird Lis Figur mit am weitesten gezeichnet, allerdings wird die Anlage nicht einmal ansatzweise ausreichend genutzt. Es hätte wesentlich mehr Szenen geben müssen, in denen Li die Vorteile seiner Wendigkeit hätte ausspielen können, und die einzige große Kampfszene, die ihm gewährt wird, geht im Schnitterausch vollkommen unter. Der Schnitt, er ist nochmals ein ganz eigenes Problem, denn die martialische Kraft und die physische Präsenz, die all die Filme aus den 80er Jahren umwehten, sie ist versunken, irgendwo zwischen den einzelnen Schnitten. Niemand hat spektakuläre Choreografien erwartet, abgesehen vielleicht bei Li und seinem persönlichen Choreografen Corey Yuen, doch von der Kamera vollständig eingefangene minimalistische Bewegungen, die den unermesslichen Erfahrungsschatz der Crew zum Ausdruck gebracht hätten, wären die bessere Wahl gewesen.
Statham und Rourke indes wurden im Vorfeld offenbar sorgfältig studiert und spielen die Charaktere, die man von ihnen gewohnt ist, was anfangs ein wenig zu vorhersehbar ist, später jedoch zu großen Momenten führt. Statham funktioniert dabei besser als Rourke, denn Rourke hat seine emotionale Entblätterung dank "The Wrestler" und "Sin City" bereits hinter sich; sein Monolog über die Seele birgt keine neuen Erkenntnisse mehr, liest sich aber dennoch sehr schön. Statham, mit der neben Stallone wohl größten Rolle gesegnet, beginnt unauffällig, steigert sich mit zunehmender Laufzeit jedoch enorm und zieht mit einer wundervollen Szene den Schlussstrich, in der die unbeholfene, steife, aber ebenso herrlich komische Poesie seiner auf Stunts basierenden Arbeit als Actiondarsteller auf den Punkt gebracht wird. Weiterhin wird an seinem Beispiel das Frauenbild in "Expendables" festgemacht (in einem allerdings recht verlassen wirkenden Subplot um Charisma Carpenter) und die Distanz seiner Generation zur 80er-Generation verdeutlicht (Stallone: "Du überschätzt die Intensität unserer Beziehung").
Optisch und handwerklich bleibt ganz bewusst alles eher grau in grau. Spektakuläre Schauwerte wie in der Bruckheimer-Blaupause "The Rock" sind nicht so ganz das Ding Stallones, er setzt auf bodenständige Sets, überwiegend handgemachte Stunts und Pyrotechnik. Dramaturgisch kurzweilig inszeniert, wird am Ende allerdings ein "das war's schon?"-Gefühl freigesetzt – einerseits, weil man beim Abspann immer noch auf eine ganz besondere Kracherszene wartet, andererseits, weil Stallone seine Action über weite Strecken sehr im Zaum hält, um ganz am Schluss so richtig die Sau rauszulassen. Die Bruckheimerschule suggeriert dem Konsumentenhirn inzwischen, dass dieser erste Über-Höhepunkt noch nicht alles gewesen sein kann, sondern jetzt erst der Startpunkt in die Wege geleitet wurde für das totale Riesenfinale. Einerseits ist es schön, dass "The Expendables" diesen Trend rückgängig zu machen versucht, andererseits wäre es sinnig gewesen, ausgerechnet in diesen Momenten auf gröbere CGI-Unterstützung zu verzichten.
Es wird immerhin nicht der Fehler gemacht, die mehr als löchrige Story vor den Cast zu setzen. Sie ist Mittel zum Zweck, ganz so wie es sein sollte. Der Diktator möchte gerne Dinge sagen, Befehle erteilen und sich als Anführer beweisen, doch weder die Formation um Stallone noch die um seinen Gegenspieler Roberts (leider "nur" in seinem Baddie-Standardmodus) gibt ihm dazu Gelegenheit. Alles, was dem Diktator entfährt, ist inhaltsloses Blabla. Er wird zur Witzfigur, denn der Krieg wird zwischen wichtigeren und größeren Persönlichkeiten ausgetragen.
"The Expendables" ist also keineswegs ein Film, dem die Ironie fehlen würde, wie mancherorts in negativ anschwingenden Kritiken zu lesen ist. Man muss nicht immer ein komödiantisches Feuerwerk abbrennen, um ironisch zu sein, und Stallones Reunion-Projekt ist ironisch in jeder seiner Minuten, auch in den ernsten. Das Problem liegt eher darin, dass es Stallone nicht gelingt, das Beste aus seinem erlesenen Rohmaterial herauszuholen. Daher wird fast jeder heiß sein auf einen zweiten Teil – die einen, um mehr vom selben zu bekommen, die anderen, um sich zu überzeugen, dass man so viele harte Männer auch besser mischen kann. Und dann sind da ja noch bislang ungenutzte Joker wie Van Damme, Biehn, Norris, Seagal, Yun Fat, Dudikoff, Hauer, Snipes…
(5.5/10)