Hören statt sehen ...
Menschen mit während der letzten ungefähr 15 Jahre entwickelter Sehschäwche könnten beim Verlassen des Kinos tatsächlich meinen, einem Actionkracher alter Schule beigewohnt zu haben. Zwar sitzen die Sprüche nicht durchweg, aber sie gehen in die erhoffte Richtung.
Wer noch alle Kinogenußrelevanten Sinne beisammen und seine Nostalgiebrille mit eingebauter Selbsthypnosefunktion daheim gelassen hat, der kann sich dagegen durchaus schwer ent-, wenn nicht sogar getäuscht fühlen. Unter handgemachter Action aus der Prä-Computer und -Matrix-Ära sollte man doch etwas anderes Erwarten als das hier Gebotene.
Was Acionfilme aus der guten alten Zeit - ob billig oder teuer produziert - ganz besonders auszeichnete, waren einzelne Szenen und Dialoge, die einfach im Gedächtnis bleiben und auch mit geringsten technischen, dafür aber kreativen Mitteln auf Zelluloid gebannt werden konnten.
Ein paar Beispiele:
City Cobra:
- Ein Unschuldiger wird im Supermarkt beim Flüchten rücklings erschossen und fliegt in Zeitlupe in einen Weihnachtsbaum
- "Du bist die Krankheit, ich die Medizin"
Phantom Kommando:
- "Ich bin der einzige, der Dir sagen kann, wo Deine Tochter ist, also kannst Du mich nicht erschießen, richtig?" "Falsch!" - Krawumm, Schuß in den Kopf
- Bennet wird von einem Dampfrohr aufgespießt. "Ja, laß Dampf ab!"
Predator:
- Carl Weathers dreht sich in Zeitlupe mit abgetrennter Hand um und wird anschließend vom Predator aufgespießt
- "Du Blutest" "Ich hab' keine Zeit zu bluten"
Action Jackson:
- Dellaplane wird in Zeitlupe eschossen
- "Na, wie möchtest Du Dein Rippchen?" Carl Weathers zielt mit Granatwerfer auf Bösewicht
Harte Ziele:
- Van Damme dreht sich in Zeitlupe mit wehendem Mantel um, nachdem er vor dem Saloon einen Gegner weggekickt hat
Cyborg:
- Gegner bekommt in Zeitlupe einen Tritt in den Bauch und fliegt nach hinten
Missing in Action 2:
- Gefangener wird per Kopfschuß in Zeitlupe hingerichtet
Robocop:
- Murpy's (Z-)Erschießung
Stirb Langsam:
- toter Bösewicht fliegt in Zeitlupe vom Hochhaus in Windschutzscheibe des Polizeiwagens
- sämtliche Schießereien
- "Now I have a Machine Gun"
Nahezu alle Walter Hill-Filme:
- sämtliche Schießereien
- alle Dialoge
Was haben nun diese wenigen Beispiele mit "Expendables" zu tun? Nichts, und genau das ist der springende Punkt.
Für die Actionszenen wird sich überhaupt keine Zeit genommen. Viel wird spekuliert, die Helden seien zu alt, die Szenen müssen so hektisch und schnell geschnitten werden, damit man mögliche Stuntdoubles nicht erkennen könne. Aber: Die oben beschriebenen Szenen hätten allesamt auch von Rentnern gespielt werden oder aus Kameraperspektiven gefilmt werden können, bei denen der Stuntman nicht zu erkennen wäre. Oder es sind Szenen, in denen gar kein Protagonist vorkommt.
Stattdessen ist es meist völlig unmöglich auszumachen, wer da gerade von wem einen Schlag, Tritt oder Schuß abbekommt. Es gibt keine Kamerapositionen bei den Fights, die im Gedächtnis haften bleiben. Alles läuft zu schnell ab, ist zu hektisch geschnitten.
Da fliegt ein Auto in Zeilupe in ein Lagerhaus - dann wechselt die Kameraposition, der Wagen noch in der Luft, und plötzlich ohne Zeitlupe landet die Karre und fährt weiter. Völlig verschenkt.
Da wird Dolph, klassisch von der Seite gefilmt, von einer Kugel durchschossen, sieht toll aus ... doch während dieses Bild gerade im Gedächtnis abgespeichert werden soll, wird schon wieder weggeschnitten. Ebenfalls völlig verschenkt.
Es bleibt ein Rätsel, wie der Kameramann Jeffrey Kimball, der so ästhetische bis bildgewaltige Filme wie Top Gun, Beverly Hills Cop II, True Romance oder auch Jacob's Ladder in Szene gesetzt hat, hier als Künstler geradezu versagen konnte. Zeitlose Actionsequenzen gab es in all diesen Filmen zuhauf - er scheint also entweder extrem auf den jeweiligen Regisseur angewiesen zu sein, oder er wurde von Stallone schlicht als bloßer Techniker benutzt.
Falls dem so war, sollte er sich vielleicht ein Beispiel an Adam Greenberg nehmen, der im Making-Of von Terminator 2 sagte, für die gesamte Bildkomposition sei James Cameron verantwortlich gewesen, sein Anteil sei "lediglich" die Beleuchtung gewesen. Während Greenberg durch diese Aussage allerdings - charakterlich sehr positiv - dem Regisseur damit ein großes Lob ausspricht, würde Kimball natürlich rein objektiv Stallone damit die gesamte cineastische Schuld geben. Und mit der herausragenden Beleuchtung eines Terminator kann Expendables nun auch nicht glänzen.
Weiterer großer Kritikpunkt: Bis auf zwei Szenen kommt ausschließlich CGI-Blut zum Einsatz. Das Ganze dann auch noch so deutlich sichtbar, dass es keine Freude ist. Spritzendes Blut hat, so makaber es klingt, eine natürliche Ästhetik, die Schönheit der Physik, die durch Schwerkraft und Impuls bestimmte Flugbahn von Flüssigkeit, das Auftreffen auf Wände und Boden.
Regisseure wie Peckinpah, DePalma, Woo und wie sie alle heißen, wußten und wissen, wie sie das arrangieren. Das Kind im Manne hat instinktive Freude daran, Steine ins Wasser zu werfen, im Freibad per Sprung vom 3m-Brett den Pool zu leeren oder Mädels in der Ferienfreizeit mit Wasserbomben zu bewerfen und das wunderschöne Platschen zu genießen.
Bei Stallone sind es nachträglich per Computer hinzugefügte, pixelige kleine und große rote Wölckchen, die kurz aufpoppen und schon wieder weg sind, bevor der Getroffene zu Boden sinkt. Dies ist auch - neben der immensen Kostenersparnis für "handgemachte" Special Effects - ein Indiz dafür, daß Stallone eine mögliche jugendfreie Fassung des Filmes von Beginn an im Hinterkopf hatte. Die lauten "Boahs" und "Geils" des Ästhetiksinnbefreiten Teiles des Publikums erschallten ausschließlich bei Treffern, bei denen die roten Pixel kurz sichtbar waren. Bei gleich gefilmten Szenen ohne CGI-Bemalung dagegen blieb es still. Da die Schießereien und Prügeleien so wenig explizit dargestellt werden, ist ein PG-13 unter Verzicht auf die rote Farbe und einige wenige Szenen durchaus denkbar. Klar, die Geräuschkulisse sollte dafür auch etwas weniger martialisch gestaltet sein.
Zu guter Letzt: Daß die Story auf die Rückseite einer Briefmarke paßt und genauso schnell vergessen werden kann wie man letztere auf einen Brief klebt, war klar. Daß jedoch auch noch der Handlungsverlauf darauf Platz findet, ist dagegen schon Ärgerlich.
Peinlich ist der Tränendrüsen zerquetschen versuchen wollende Monolog Mickey Rourke's, der auch dem grobschlächtigsten empathiebefreiten Proleten Stallone's Motivation für die Rückkehr in die Höhle des Löwen nachvollziehbar machen soll. Merkwürdig, daß, nicht nur noch peinlicher, sondern unerträglich ärgerlich und populistisch simplifizierend, beim dabei genannten Balkankonflikt ja "die bösen Serben" plattgemacht wurden. Da stand also auch ein klar politisches und volksbefreiendes Ziel im Vordergrund, während es diesmal "lediglich" um die Verhinderung eines sich eventuell später bemerkbar machenden Gewissens der Einzelperson Stallone's ob der ihrem Schicksal überlassenen Frau geht.
Kurzum: Platte Story, platte Handlung, filmtechnisch desaströs unästhetisch dargebotene Action, deplatziertes politisches Statement - und ein völlig verschenkter Cast, weil dessen Taten nicht in der Form bebildert sind, wie man es sich nicht nur erhofft, sondern dank der großmundigen Werbeversprechen auch erwartet hatte.