Das Hirn abschalten, hirnfrei, Hirn aus - Film an, hirnlos, das Hirn an der Kinokasse abgeben: alles Schlagwörter und mittlerweile reichlich abgegriffene Floskeln, die hauptsächlich in Verbindung mit Actionfilmen stehen und die Leistungsfähig- oder -willigkeit des Schädelinhalts in direkten Zusammenhang mit dem eventuell wahrzunehmenden Unterhaltungswert des jeweiligen Streifens setzen. Mal abgesehen davon, dass das natürlich schon in sich keinen Sinn macht (ohne angekoppelten Sehnerv werden auch die im Kopf verbliebenden Augen ziemlich nutzlos) sind die Argumente rund um's Hirn also durchaus im Sinne des explosionsangereicherten Krawallmovies gedacht, dienen zur Rechtfertigung und zur Verteidigung, in Zeiten des Internets und der Filmforen auch zur Klarstellung gegenüber mäkeligen Filmkritikern, denen bei anklingenden kritischen Äußerungen eben gerne mal empfohlen wird, die Birne auszuschalten und sich einfach nur unterhalten zu lassen. So wie in den guten alten 80ern, wo der hirnlose Actionfilm sicher als Quell der cerebralen Unterforderung sprudelt, wo Haudraufhelden wie Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und eine Reihe dahiner Chuck Norris, Jean-Claude van Damme, Steven Seagal, Michael Dudikoff oder Dolph Lundgren ordentlich Dampf machten. Mit simpelstem Gut/Böse-Verständnis, platter und teils reaktionärer Ideologie und dem jeweiligen unkaputtbaren Muskelmann vorne weg wurden die Feinde in Massen und ohne Rücksicht auf Altersfreigaben weggemetzelt, zogen die Kerle durch Reißer wie „Missing in Action" (1984), „Phantom Kommando" (1985) und „Die City-Cobra" (1986), plätteten Terroristen oder gewannen nachträglich den Vietnamkrieg. So sehr sich das alles mehr oder weniger ähnelte und der eine es dem anderen nachmachte, so anspruchslos-unbeschwert kam es doch daher und mancher feierte sie alle ab, die gestählten Panzerköppe, mancher schloss sich einem bestimmten Lager der Verehrung an - und einer bringt nun, fast zweieinhalb Jahrzehnte später, zusammen, was damals so oder so unvereinbar schien. Sylvester Stallone stopft die Actionhelden von damals, zwischendurch und heute in einen Film und heraus kommt „The Expendables".
Ihnen macht keiner etwas vor: die Expendables sind der wohl härteste Söldnertrupp, den man für Geld engagieren kann. Unter der Führung des Haudegens Barney Ross sind die Männer, trotz ein paar Alterserscheinungen jeder Situation mit Schlag- und Ballerkraft gewachsen. Doch ihr neuester Auftrag, den Ross vom undurchsichtigen Mr. Church erhält, könnte selbst für sie zu heikel sein: die kleine Insel Vilena soll von der Militärdiktatur des Generals Garza befreit werden, der vom abtrünnige CIA-Mann Munroe finanziert wird. Nachdem sich Ross und seine rechte Hand Lee Christmas einen ersten Eindruck vor Ort verschafft haben sieht die Lage aussichtlos aus. Aber als Sandra, die aufständige Tochter des Generals, in Munroes Fänge gerät, raffen sich die Expendables auf...
Es ist nur folgerichtig, das ausgerechnet Sylvester Stallone die bleihaltige Vereinigung in die Pranken genommen hat. Entgegen aller Zweifel und Unkenrufe ist es dem mittlerweile 64jährigen erfolgreich gelungen, mit „Rocky Balboa" (2006) und „John Rambo" (2008) seinen berühmtesten Figuren einen (vorerst) würdigen Abgang zu bescheren, der Fans eine Vielzahl an zwischenzeitlichen Flops wie das Rennfahrervehikel „Driven" (2001) oder die DVD-Premiere „Avenging Angelo" (2002) vergessen ließ. Gerade mit dem vierten Ausflug des Stirnbandkriegers hatte Stallone eine kompromisslos-CGI-freie Schlachplatte mit handgemachter Stuntarbeit auf die Leinwand gebracht, wie man sie für längst vergessen und unmöglich gehalten hatte. Wer also wenn nicht er, der eine trocken gelegte Karriere wieder zu berieseln geschafft hatte, hätte ein Projekt wie „The Expendables" auf den Weg bringen können? Irgendwie ist es natürlich auch ein Eingeständnis daran, dass mehr als Krachbumm für Stallone halt nicht drin ist, Kollegen und Konkurrenten von damals wie Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis (wenngleich im Film auftretend) haben sich eine Existenz, ob politisch oder schauspielerisch, über den Actionhelden hinaus geschaffen, dennoch ist der Italian Stallion den meisten seiner Co-Stars momentan auch im Rückschritt meterweit voraus. Dolph Lundgren ist in den Regalen der Videotheken verschwunden, das Interesse Hollywoods an Jet Li hat nach einer Welle von Martial Arts-Actionfilmen anfang 2000 deutlich nachgelassen, UFC-Fighter Randy Couture, Ex-WWE-Star Steve Austin und NFL-Brecher Terry Crews spielten nur während ihrer Sportlerzeit in der ersten Liga.
Einzig Jason Statham, trotz zuletzt wenig überzeugender Zahlen seiner sicher geglaubten Hits „Transporter 3" (2008) und „Crank 2" (2009), sowie der Comebacker Mickey Rourke („The Wrestler", 2008; „Iron Man 2", 2010) sind gut im Geschäft und es ist bedauerlich wie auch ein Stück weit gewieft von Stallone, einzig diese beiden in den Action- und seltenen Charaktermomenten so richtig neben sich selbst hochkommen zu lassen. Das hatte man sich zweifellos anders vorgestellt, ungefähr so wie in der Eröffnungsszene des Films. Nachdem die Jungs ein bißchen mit ihren schweren Expendabikes durch die Gegend gebügelt sind, wird ein Frachtschiff in somalischen Gewässern zu ihrem Einsatzort. Dort halten ein Haufen Piraten einige Geiseln gefangen und warten auf die überfällige Lösegeldzahlung. Bevor es den Gefangenen an die Kehle geht schalten sich die Expendables ein, zielsicher und blutig werden die Piraten mit schwerem Geschütz und dicken Messern kalt gemacht, wobei es das sadistische Teammitglied Gunnar Jensen ausgerechnet damit zu weit treibt, dass er einen der chancenlosen Gegner aufknüpfen will. Dafür kassiert er von Kampfflo Yin Yang ein paar Tritte und von Anführer Barney Ross den Rauswurf aus der Truppe, der außerdem Messer- und Nahkampfexperte Lee Christmas, Waffenspezialist Hale Ceasar und Sprengmeister Toll Road angehören.
Mit Rudelaction hat es sich nach diesem ballerndem Einstieg, in dem Gegner in zwei Hälften und anderweitig zu Klump geschossen werden, aber erstmal. Unbedingt an sein eigenes Projekt und seine Besetzungscoups scheint der Autor und Regisseur Sylvester Stallone nicht geglaubt zu haben, so wenig hat er sich über die Namensgebung hinaus für seine Truppe ausgedacht. Der Heimflug der Expendables hat also etwas wenig subtil symbolhaftes, wenn Stallone und Statham im Cockpit sitzen und die anderen im Frachtraum herumlümmeln. Das Tempo zieht der Film erst einmal enorm nach unten, während Statham und sein Lee Christmas einen banalen „enttäuschtes Girlfriend hat ‘n anderen Typen, der später handgreiflich wird und auf die Fresse kriegt"-Subplot gegönnt bekommt, womit Stallone noch einmal, wenn auch in aller Belanglosigkeit, deutlich macht, dass er höchstens den präsenten Londoner gleichwertig neben sich zu dulden bereit ist. Stallone selbst indes packt bei Tattoowierer Tool alias Mickey Rourke den aufgepumpten Körper aus und lässt sich ohne Schnickschnack wie Hygiene seine Rückenverzierung fertig stechen, als Statham dazustößt werden zum Männlichkeitsbeweis ein paar Messer um die Wette geschmissen und Christmas‘ angeknackster Gefühlszustand verdeutlicht, indem er dabei den kürzeren zieht.
Standesgemäß mit der Exekution einiger Verräter werden danach die Bösewichte eingeführt. Dass „The Expendables" auch dabei im belanglosen Leerlauf vor sich hin dümpelt, nichts und gar nichts von Interesse und Besonderheit zeigt, ist in der nächsten Szene jedoch schlagartig vergessen - denn nun gibt's Besonderes. In einer Kirche holt sich Barney Ross die Rahmendaten des potenziellen nächsten Auftrags ab und hier treffen sie aufeinander, die geballten Fäuste der 1980er Jahre. Sylvester Stallone - Bruce Willis - Arnold Schwarzenegger - Gemeinsam. Vor. Der Kamera. Sinn und Gehalt der Szene, in der Willis als geheimnisvoller Mr. Church den Auftrag zu vergeben hat und Schwarzenegger als eine Art Konkurrent von Stallone ebenfalls darum antritt? Gleich Null, aber verdammt nochmal: mehr out-of-this-world-Übermegastarpower kann man nicht vor eine Kamera packen, da stehen sich DIE Ikonen des Actionfilms im Dreieck gegenüber, einzig Mel Gibson fehlt noch an der Orgel. Reduziert man diesen magischen Moment auf drei Schauspieler, die ihre Rollen spielen (was natürlich so gut wie unmöglich ist), dann kommt der cool-herablassende Willis deutlich am besten weg, Stallone und Schwarzenegger hingegen kloppen sich ein paar für den Film total irrelevante Sprüche um die Ohren, als stünden sie mitten in den 80ern vor einem Produzenten und buhlten um eine Hauptrolle, das bißchen an Information, das dabei über den Auftragsort Vilena und die dortige Lage verloren geht tritt hinter diesem Moment zurück und ist im Endeffekt eben auch überhaupt nicht wichtig. Böse Männer knechten gutes Land, also müssen sie von besseren Männern geplättet werden. Questions, anyone?
Nachdem Schwarzenegger der Auftrag zu heikel ist treffen sich die Expendables zur Lagebesprechung, wobei die bislang vernachlässigten Teammitglieder Terry Crews und Randy Couture mit schrägen Outfits auffallen und statt kernig-hohl-denkwürdigem geonelinere leider wenig amüsant über Therapiesitzungen, Blumenkohlohren und Jet Lis Körpergröße geschwafelt wird. Ohne Wummen und Gegner bringt das Team nicht viel rüber, zugunsten eines Zwei-Mann-Ausflugs gemeinsam mit Statham lässt Stallone es aber sowieso schnell wieder verschwinden und „The Expendables" verfällt für eine weitere Weile in einen langatmig-unaufregenden Trott - bis ENDLICH mal wieder die Action regiert. Stallone und Statham treffen auf die ansehnliche Generalstochter Sandra, im Wortsinne verkörpert von der Brasilianerin Giselle Itié, und wenig später gibt's Ärger mit einem Haufen Soldaten. Die werden schlagkräftig aus dem Weg geräumt, nach der anschließenden Verfolgungsjagd weigert sich Sandra zwar, die Insel zu verlassen, doch Stallone und Statham können mit einem spektakulären Flugmanöver mit ihrem Expedabird noch einen ganzen Steg voll Feinde in die Hölle blasen.
Alles weitere kommt wie's kommt. Rourke hält eine gewissenserschütternde Rede über Menschlichkeit und den Verlust der Seele, Stallone will alleine gegen Verbrechen und Folter losziehen, wird aber noch rechtzeitig daran erinnert, dass eine Handvoll weiterer Actionstars in seinem Film mitspielt und wo und in welchem Zusammenhang der angesäuerte Dolph Lundgren als nächtes auftauchen wird dürfte längst klar sein. Zwischendrin gibt es noch eine wenig herausragende, da schwach gefilmte Verfolgungsjagd und bis zum Showdown handhabt Stallone es weiterhin so, dass er sich die Screentime nie lange mit mehr als einem seiner Co-Stars teilt, in diesem Fall mit Jet Li, den man seine Kampfkünste überdies schon spektakulärer hat zur Schau stellen sehen. Bis dahin ist „The Expendables", und das widerspricht nun wirklich den Erwartungen, eine ziemlich trübe Veranstaltung, die wenig bis gar nichts des Versprochenen einlöst und mit den vielen großen Namen nichts produktives anfängt. Aber zur Rettung des Films eilt schließlich ein fast halbstündiger Showdown, der es dann wirklich in sich hat. Das Team macht sich auf zur Insel Vilena und wieso es jemals Zweifel an der Durchfürbarkeit des Auftrags gab bleibt unverständlich angesichts dessen, was für ein Inferno die Verzichtbaren dort entfesseln. Der ganz große und unbedingte Team-Moment fehlt zwar weiterhin, auch weil sich die Killmoves der Mitglieder ähneln (abgesehen von Crews und seiner Superzerstücklerkanone) und man im Getümmel auch nicht immer auseinanderhalten kann, welcher der Expendables da grad am Knochenbrechen ist, aber trotzdem heizt der Film hier in einer Weise nach, wie sie in Härte, Frequenz und total übertriebener Wuchtigkeit voll dem goldenen Zeitalter des Actionfilms gerecht wird und einfach nur derbe Laune macht (obwohl eine der härtesten Szenen durch ganz miesen CGI-Gebrauch auffällt).
„The Expendables" ist eine zwiespältige und schwer eindeutig zu bewertende Sache. In beste Revival-Laune versetzt kann man mächtig Bock auf den Film haben oder ihn spätestens am Ende bekommen, dann erfreut man sich an den rohen Actionszenen und gewaltigen Explosionen, gröhlt sich einen ob des rekordverdächtig hohen Bodycounts und mit den vielen bekannten Gesichtern und der schnörkellosen Runterinszenierung ist alles in fetthaltiger 80er-Butter. Das die Story kaum vorhanden, die Schurken undifferenziert und gesichtlos, die Helden so unverwundbar wie eigenschafts- und charakterloslos sind - egal, gewollt, gekauft. Dass „The Expendables" trotz sehr überschaubaren Inhalts aber voller Leerlauf ist, dass sich die im Grunde auf ihre pure Präsenz beschränkten Fähigkeiten der Darsteller mangels Screentime nicht auszahlen, dass die Bösen nur selten Böse genug wirken und so eine richtige den Hass des Zuschauers auf sich ziehende Aktion fehlt - das sind alles Dinge, bei denen Stallones Film gegenüber seinen Vorbildern in aller Deutlichkeit unterlegen ist. Kultverdächtige Sprüche und Taten sucht man fast völlig vergebens, partyrockende Zitate wie »To survive a war, you gotta become war«, »Let off some steam« oder »I'll be back« finden sich bei „The Expendables" nicht, da fehlt Stallone der Mut zur Hohlköpfigkeit und tut sein Film auf einmal viel wichtiger und bedeutsamer, als er ist. Woran es Sly hingegen nicht mangelt ist Ego und Geltungsbedürfnis, denn viel Arbeit lässt er sich nicht abnehmen, froh darf sein, wer ihm zur Hand gehen darf, weshalb die Teamkomponente einen nur verschwindend geringen und beinahe verzichtbaren Teil des Films ausmacht. Sind „The Expendables" also bloß Bauernopfer, ist dieser ein glorreiches Jahrzehnt wiederbelebende Actioner (beziehungsweise der Versuch) gar überflüssig? Damn, no! Hirn ausschalten und Spaß haben! Oder so...