Okay, vordergründig ist "Monsters" so etwas Ähnliches wie "Cloverfield" meets "District 9" meets "Stalker", aber wer kann sich unter solche mysteriös-monströsen Kombinationen schon etwas Schlüssiges vorstellen.
Tatsächlich sollte man den Filmtitel in diesem Fall bloß nicht allzu ernst nehmen oder seine eigenen Erwartungen damit befeuern, denn auch wenn die riesigen krankenähnlichen Riesenaliens hier tentakelnd über Land und Stadt kriechen und reichlich kaputt machen, ist das für Gareth Edwards' Film bestenfalls zweitrangig. Nicht die Effekte stehen im Vordergrund, sondern vielmehr die Reaktion darauf und der Umgang mit dem Ernstfall, der hier vor Beginn der Vorspanntitel längst eingetreten ist.
Sechs Jahre ist es her, so werden wir freundlichst informiert, seit eine "space probe" mit dem Nachweis außerirdischen Lebens zur im Sonnensystem zur Erde zurückkehrte, doch leider war die Landung mehr ein Absturz, was zu Folge hat, daß nach einer Umgestaltung der lokalen Flora und Fauna jetzt ein großer Teil Mittelamerikas, vom Süden der USA bis weit nach Mexiko als infizierte Zone gebrandmarkt und gesperrt ist, während sich die Regierungen im Norden und Süden mittels Mauern und Zäunen absichern möchten, daß die Aliens nicht weiter ausbreiten.
Geradezu beiläufig wird dem Zuschauer dieser Zustand beigebracht, anhand des Schicksals der Tochter eines Zeitungsmoguls, die bei einem Monsterübergriff verletzt wurde und einem Fotografen, der sie nach Hause begleiten soll - und zwar binnen 48 Stunden, da die Fährentätigkeit von Mexiko in die Vereinigten Staaten dann für ein paar Monate eingestellt wird.
Woraus das hinausläuft, ahnt man als Genrekenner schon bald, natürlich wird die Fähre verpaßt, natürlich droht der Weg durch die verbotene, geheimnisvolle Zone, aber das Offensichtliche ist nicht das Zentrum der Erzählung. Stattdessen funktioniert Edwards Film als eine Art Situationbeschreibung, in der sich die Menschheit mit der Existenz Außerirdischer auf diesem Planeten arrangieren muß, bzw. dies schon längst getan hat.
Zwar mit Handkamera gedreht, aber diese als relativ ruhiger und neutraler Begleiter integriert, folgt man dem Weg zweier ganz normaler Personen, die sich in der "neuen Welt" als Fremde zurecht finden müssen. Die Unkenntnis des Spanischen im Fall des Fotografen Andrew etwa ist ein größeres Problem als der praktikable Gleichmut, den die Bevölkerung an den Tag legt, um sich mit den Schäden zu arrangieren, die die riesenhaften Mutanten godzilla-gleich regelmäßig den Städten antun.
Das Beunruhigende, das Fremde, das Übernatürlich bewegt sich in Edwards' Film immer nur am Rande des Sichtfelds, im scharfen Fokus bleiben die zwei Personen, doch leichte Schwenks und Fokuserweiterungen der Kamera bringen die Veränderungen dann ans Licht. Überall lauern Graffitis, Warnschilder, Totenwachen, wandern Kinder mit Gasmasken, erinnern Gebäuderuinen an Zerstörungen und Gewalt a la "Cloverfield", die hier maximal als Startklammer eingesetzt wird.
Die Reise wird zum Road Trip, der nicht durch die Zerstörungen, sondern durch eigene Unzulänglichkeiten erschwert wird, denn unsere Helden haben genügend Motivation, Lebensfreude und vor allem Kohle, um nach Amerika zu kommen, allein scheitern sie an ihren menschlichen Unzulänglichkeiten, während sie sich näher kommen.
Freunde spektakulärer Bilder müssen also aussetzen oder lange warten, bis sie etwas zu sehen bekommen, meist sind es Zeichnungen, Diagramme oder TV-Bilder, die einen Hauch von dem vermitteln, was im Dunkel der Nacht lauert - und es wird nie spekulativ mißbraucht. Signifikant ist die allgegenwärtige Menschlichkeit, die den Film durchzieht, denn obwohl Samantha und Andrew mindestens einmal beklaut und vom Fährendienst finanziell etwas ausgenommen werden, treffen sie doch überall freundliche und hilfsbereite Leute, selbst die ständig gefährdeten Schlepper tun relativ sympathisch für ihr Geld auch ihren Job.
Die Storyline kann also eher als de-eskalierend beschrieben werden, auch wenn sich der Anteil an Szenen, in denen man die Monstren sehen kann, im Laufe steigert, behält der Film seine ruhige Grundstimmung und greift nicht zu spekulativer Systemkritik. Stattdessen versetzt die Reise den Zuschauer in eine poetische Aufbruchsstimmung, wenn die beiden entdeckergleich Mittelamerika durchqueren, auf eine Pyramide der Atzteken steigen und von dort die südliche Wallabsicherung der USA erblicken - eine neue "Große Mauer" zu zweifelhaftem Schutz. Derlei Anklänge auf die Abschottung der Staaten werden aber selten kritisch gefärbt, eher macht sich tonal starker Zweifel breit, ob wirklich zuhause die Sicherheit auf die beiden warten oder ob man überhaupt sicher sein kann vor etwas, was man weder komplett verstanden noch analysiert hat.
Edwards inszeniert mit sicherer Hand und steigert atmosphärisch seine Spannungssequenzen, hat aber Schwierigkeiten, den Zwei-Personen-Plot genauso menschlich interessant zu machen, wie die mit einfachen Mitteln transformierte Umgebung. Tatsächlich sind unsere Mitreisenden ("Helden" trifft es nicht, denn es gibt hier keinen Feind zu überwinden) sympathische Leute, die aber wenig zugänglich erscheinen. Die Komplexität ihrer Privatleben (sie offenbar unglücklich verlobt, er Vater eines unehelichen Kindes ohne große Ziele außer der Karriere) wird nur angedeutet, findet aber kaum Entsprechung im Plot, ihre Annäherung ist zu vage, ihr finaler Kuss nur eine Spiegelung des überraschenden Höhepunkts - die Botschaft bleibt, daß man am meisten lernt, erlebt und gewinnt, wenn man sich trifft und wieder trennt, Intimität in der Krise als Ausdruck größter Nähe.
Doch diese humane Seite bleibt fragmentarisch, meist nervt Andrew in seiner schlurfigen Lakonie und ungnädigen Unruhe, während Samantha zurückhaltend-still mit der Umwelt interagiert. Etwas weniger in sich gekehrte Idylle und etwas strafferer Umgang mit den Spannungsbögen und der Atmosphäre hätten der Interessenkurve gut getan, denn der Film braucht etwas, um seine Qualitäten auszuliefern.
Die stärkste Waffe des Films ist schließlich das Finale, das alle Monsterklischees durch etwas überraschend Anderes und Natürliches ersetzt, das man nach vielen Verweisen und TV-Bildern schon früh im Film erahnen konnte, was sich aber erst durch die Reise an sich als Gewißheit herausdestilliert: eine Umweltbotschaft, die unaufdringlich erscheint und so ein Pläyoder für ein Zusammenleben des Menschen mit der Natur darstellt. In der stockdunklen Finsternis um eine Tankstelle im Nirgendwo wird aus unkontrollierbarem Horror plötzlich etwas Wundervolles und läßt das Publikum dann doch verblüfft zurück - in der Gewißheit, daß der Film seine Nachwirkung erst in den kommenden Tagen entfaltet.
Wer also ein typisches Monstermovie erwartet: visuell ist das durchaus vorhanden, wenn auch in reduzierter Form, erzählerisch ist es aber etwas vollkommen anderes. Und man muß mit Ruhe sich diesem Film nähern, der von der Akzeptanz des Kontrollverlusts erzählt und der völligen Freiheit bei gleichzeitiger steter Gefahr - hier findet die Menschheit kurz zu sich selbst zurück. (7/10)