Don't Be Afraid of the Dark (1973) von John Newland
Don't Be Afraid of the Dark (2010) von Troy Nixey
Eine schwarze Katze faucht in Großaufnahme. Während das Bild einfriert, gerät das Tier zum Hintergrund der Titeleinblendung, die sich von weiß zu grün verfärbt. Das Bild gewinnt wieder an Bewegung und inmitten des hektischen Aufspringens der Katze schneidet der Film auf welkes Laub, das parallel zu einer Kamerafahrt über den hell erleuchteten Straßenboden weht. Der distanzlose Blick führt vorbei an einem Gebüsch, um einen Laternenpfahl emporzuklettern, derweil im Hintergrund ein weißes, etwas altmodisches Anwesen sichtbar wird – allerdings in dunkler Nacht. Ein verdorrter Baum im Vordergrund lenkt noch einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich, während die Credits laufen. Langsam nähert sich die Kamera dem Anwesen an, derweil der Baum aus dem Bildfeld gerät. Raunende, gierige, niederträchtige, kichernde Stimmen verkünden aus dem Off die Ankunft einer Frau und verfallen dabei in einen kollektiven Singsang. Die Kamera ist der Fassade indes ziemlich nahe gekommen, da überführt einer Überblendung das Bild in die Ansicht des Anwesens bei Tageslicht. Aus der Untersicht heraus ist es in seiner ganzen Pracht zu sehen und erweist sich als gediegenes viktorianisches Herrenhaus: mit mehreren Veranden, Schornsteinen und Giebeln auf unterschiedlichen Ebenen, prachtvollen Eckfenstern auf einer Vorderseite und einem steinernen Turm auf der anderen Vorderseite; umringt von allerlei Gewächs. Statische Einstellungen präsentieren in der Folge schmucke Details inner- und außerhalb des Anwesens. All die Eindrücke werden kommentiert von den Stimmen eines noch nicht sichtbaren Paares, das aus dem Off über die Vorzüge des neuen Heims diskutiert, das vor allem von der Frau 'ausgewählt' worden ist (handelt es sich doch um den hinterlassenen Besitz ihrer frisch verstorbenen Großmutter). Nach der Einstellung einer verschlossenen Tür, nach deren verlorenem Schlüssel die Frau noch einmal suchen möchte, erscheint wieder die anfängliche Untersicht auf das komplette Anwesen. Dann erst agieren die Hauptfiguren auch sichtbar im Bild – und im Inneren des Hauses.
Das Anwesen nimmt eine Sonderstellung ein in dieser Inszenierung des Filmbeginns. Ähnlich wie die Anfänge von "Citizen Kane" (1941), " L'Année dernière à Marienbad" (1961) oder "Providence" (1977) soll auch der Anfang von John Newlands TV-Grusel-Klassiker "Don't Be Afraid of the Dark" dem Gebäude einen eigenen Charakter, eine eigene Aura verschaffen. Sieht man von der Fahrt während der Credits ab, so verzichtet Newland jedoch (wohl auch aus Budget-Gründen) auf extravagant-verführerische Kamerafahrten, welche einen fließenden Wechsel immer neuer Eindrücke ermöglichen, und setzt auf die statischen Einstellungen menschenleerer Räume, die gerade in den 70er Jahren etwa bei Chantal Akerman ("Hôtel Monterey" (1972)) oder Marguerite Duras ("Nathalie Granger" (1972)) eine eher avantgardistische Inszenierung von Räumlichkeit auszeichnen.
Auf diese Weise sorgt Newland [Achtung: Spoiler!] für einen in zweierlei Hinsicht starken Beginn. Zum einen setzt er sich vom konventionelleren TV-Film ab und vermittelt früh eine inszenatorische Raffinesse, zum anderen schreibt er höchst effektiv dem neuen Heim der Hauptfiguren ein beklemmendes Eigenleben zu, eine Art Widerständigkeit, die sich gegen das Eindringen der neuen Bewohner zu behaupten weiß. Spukhausfilme (wie "The Haunting" (1963)) und Gothic-Tragödien über den Verfall alter Stammhäuser (wie "Demons of the Mind" (1972)) waren immer wieder auf Aufnahmen der Gemäuer selbst angewiesen, um das Ausmaß des über menschliche Einzelschicksale hinausreichenden Unheils adäquat zu vermitteln. Dario Argento hat mit "Inferno" (1980) das über Großaufnahmen vermittelte unheimliche Eigenleben unbeseelter Gegenstände nahezu an die Stelle einer gewöhnlichen Dramaturgie gesetzt. So weit geht Newland nicht einmal annähernd; aber die Vehemenz, mit der er dem Publikum die Hauptfiguren vorenthält, um sich in den ersten zwei, drei Minuten nur auf das Haus zu konzentrieren, kann vor dem Hintergrund der 70er-Jahre-TV-Spielfilmlandschaft durchaus als radikal bezeichnet werden.
Diese Radikalität verliert "Don't Be Afraid of the Dark" im Laufe seiner Handlung: Die Konzentration des Kamerablickes auf die vermeintlich beseelte Dingwelt beschränkt sich auf vereinzelt wiederkehrende Einstellungen der Fassade aus Untersicht sowie auf einige Zooms auf Objekte im Hintergrund – etwa während der ersten Versöhnung nach einem ersten Zwist zwischen den Ehepartnern am Ende des zweiten Fünftels. Nicht das Paar, sondern die Objekte drumherum gewinnen in solchen Momenten eine Präsenz – die jedoch latent bedrohlich wirkt.
Zu der Reduzierung dieses eingangs radikal eingesetzten Verfahrens gesellt sich die zunehmende Konkretisierung der eigentlich banalen Geschichte von gehässigen kleinen Kobolden. Je mehr diese anfangs nur hörbaren Kobolde – die es auf Sally, den weiblichen Part des eingezogenen Paares, bzw. auf ihre Seele abgesehen haben – ab dem Mittelteil zunehmend deutlicher ins Bild gesetzt werden, desto stärker büßt der Film seine unheimliche Vagheit ein; das Eigenleben des Hauses entpuppt sich als kleine Gruppe (TV-Film-typisch wenig grausiger) kleiner, grüner Männchen, die infolge des Einzugs (und auch aufgrund von Sallys eigene Neugier) durch die versperrte Tür aus ihrem langjährigen Gefängnis entkommen können. (Immerhin behält der stimmungsvolle Soundtrack seine Effektivität weitgehend bei.)
Doch je mehr der Film seine unheimliche Vagheit, seine latente Bedrohlichkeit einbüßt und von den teuflischen Übergriffen kleiner Wesen erzählt, desto mehr verlagert er seine Spannung in andere Gefilde. Nun tritt nämlich das Beziehungsdrama in den Vordergrund: Sally und Alex sind eigentlich ein glückliches Paar, doch Alex' neuartiges berufliches Engagement, das ihm eine steile Karriere sichern soll, beginnt die Beziehung wie ein Schatten zu überlagern. Sallys Freundin Joan beruhigt Sally zwar, dass sie diese für Ehen nicht untypische Situation etwas zu sehr dramatisiere, aber der Samen des Vertrauensverlustes ist bereits gesät. Da Sally (als von den Kobolden bereits erwartete Enkelin der früheren Hausbesitzerin sowie als unwissentliche Befreierin der diabolischen Brut) das einzige Ziel von Schabernack, Terror und Attacken ist, muss der nichtsahnende Alex alsbald glauben, dass seine Frau ihren Verstand zu verlieren droht. Hier erzählt "Don't Be Afraid of the Dark" in der Nachfolge eines "Rosemary's Baby" (1968) von den Erfahrungen einer Ehefrau, die sich von ihrem Mann bevormundet wähnen muss. Wie manch anderer Horrorfilm der frühen 70er Jahre handelt Newlands TV-Film von einer Frau, die sich gezwungen sieht, gegen die Ansichten ihres Mannes handeln zu müssen. Eher selten handelte sich dabei bereits um tatsächlich feministische Emanzipationsgeschichten, welche vor dem Hintergrund der Frauenbewegung zu sehen waren; auch "Don't Be Afraid of the Dark" hält diesen Spannungsbogen nicht allzu lange durch: Keine Stunde ist vergangen, da hat sich die zunächst ebenfalls um Sallys Geisteszustand besorgte Freundin Joan überzeugen lassen und macht sich nun daran, auch Alex von der Anwesenheit einer bedrohlichen Macht zu überzeugen (woraufhin er letztlich auf die Frauen hört, auch wenn er zur Auflösung des Geheimnisses noch einen anderen Mann aufsuchen wird). Während Alex schließlich beim schon immer merkwürdige Andeutungen machenden, alten Hausmeister Nachforschungen anstellt, müssen sich Joan und vor allem Sally schließlich über Nacht im verfluchten Herrenhaus gegen die kleinen Kreaturen wehren. Und so handelt "Don't Be Afraid of the Dark" letztlich nicht von einer Bedrohung, welche zugleich auch mit einer Ehe- und Geschlechterkrise einhergeht und die volle Emanzipation der Ehefrau beschwört, sondern vom Zusammenhalt der Eheleute nach kurzem Kriseln angesichts einer bedrohlichen Gefahr. Dass dieser Zusammenhalt zu spät beginnt und Sally letztlich von den Kobolden zu einer der ihren gemacht wird (um ihrerseits auf künftige Opfer zu warten), sorgt zwar für ein unerwartet böses Ende, mildert aber den Aspekt des Zusammenhalts letztlich nicht ab: Nicht das Misstrauen in die traditionelle Geschlechterbeziehung wird gestärkt, sondern die Festigung dieser Beziehung gefordert. Man muss beim Kriseln der Ehe- und Geschlechterbeziehung schnellstmöglich wieder Harmonie herstellen – und nicht etwa die traditionellen Konzepte infrage stellen. Hätten Sally und Alex schon frühzeitig am selben Strang gezogen, so könnten sie ein Happy End genießen... So will es der Film, dessen Titel am Ende in neuem Licht erscheint: "Don't Be Afraid of the Dark" – das meint auch: sich von der Dunkelheit, sich von Krisen nicht ins Bockshorn jagen lassen (sondern eben weitermachen wie zuvor).
Insofern (und auch wegen der insgesamt zahmen Schockeffekte) handelt es sich um einen letztlich doch recht biederen TV-Film, der wenig mit den Kinofilmen der jungen Wilden des neuen us-amerikanischen Horrorfilms gemein hat und eher den abebbenden Gothic-(und Dark-Fantasy-)Mustern verhaftet bleibt. Immerhin: Von den TV-Horrorfilmen jener Jahre ist es definitiv einer der am wenigsten biederen, der avantgardistische formale Ansätze und gesellschaftskritische Diskurse zumindest ansatzweise berücksichtigt und im TV-Horrorfilm-Sektor der 70er Jahre – aber eben auch nur dort! – durchaus Maßstäbe gesetzt hat. (Zumal Kim Darby differenzierter zu spielen weiß als manch andere TV-Film-Heroine.)
Man muss also schon in den 60er/70er Jahren (oder zumindest mit den Werken aus jener Zeit) konditioniert worden sein, um größeres Gefallen an Newlands kleiner Perle zu finden. In der Nachwelt wird "Don't Be Afraid of the Dark" dagegen besonders schnell an Popularität einbüßen. So verwundert es auch nicht, dass sich der 1964 geborene Guillermo del Toro nach seinem großen Durchbruch bei Publikum und Kritik daran gemacht hat, ein Remake jenes Films zu produzieren, der ihm in seiner Kindheit die Nackenhaare zu Berge stehen ließ.
Zu diesem Zweck engagierte er [Achtung: Spoiler!] den Comic-Künstler Troy Nixey, der zuvor in fünfjähriger Arbeit den düsteren phantastischen CGI-/Real-Kurzfilm "Latchkey's Lament" (2007) bewerkstelligt hatte – eine liebevolle Fleißarbeit, die del Toro fraglos imponiert hat.[1] Nixeys "Don't Be Afraid of the Dark" genießt zwar auf der IMDb eine wesentlich schwächere Note als Newlands TV-Original, was aber vor allem auch dem Umstand zu verdanken sein dürfte, dass Newlands Version bis heute gerade einmal 3000 Stimmen (mutmaßlich von Alt-Fans und 70er-Jahre-affinen horror buffs) erhalten hat – Nixeys Version hingegen kann bald 45000 Stimmen aufweisen (zu denen Mainstream-Zuschauer ebenso gehören dürften wie del-Toro-Fans, die einen Wurf vom Schlage eines "El laberinto del fauno" (2006) erwarteten, oder Liebhaber des Originals).
Über Mittelmäßigkeit geht Nixeys Version aber deutlich (wenn auch nicht allzu weit) hinaus. In gold-braunen Herbsttönen (einer berechnenden Farbdramaturgie) knüpft Nixey in vielen Innenszenen an seinen Kurzfilm an und wie in del Toros eigenen Filmen sorgen permanente Kamerafahrten und eine sorgfältige Ausstattung für einige Schauwerte. Sein Film ist ein wesentlich schwelgerischeres Kino-Erlebnis (bzw. überhaupt erst einmal ein Kino- und eben kein TV-Erlebnis), das über 1½ Stunden weit sinnlicher und perfomativer daherkommt als Newlands TV-Original und nicht bloß über den bezaubernden Einsatz einer laterna magica die Magie des Films feiert. Formal unterliegt er dem fast 40 Jahre älteren Vorbild bloß zu Beginn (und gewinnt anschließend die Oberhand): Produzent del Toro, der (sehr Spielberg- und del-Toro-erfahrene) Drehbuchautor Matthew Robbins – der als Autor & Regisseur zudem "Dragonslayer" (1981) und "*batteries not included" (1987) erschaffen hat – und Langfilm-Regiedebütant Nixey haben kein Interesse daran, einen avantgardistischen Touch oder ein spukhausfilmtypisches Eigenleben der unbeseelten Dingwelt anzupeilen. Formale Originalität und vage Unheimlichkeit bleiben hier aus: Hier fährt die Kamera in finsterer Gewitternacht über eine altertümliche Kutsche hinweg durch eine Metallpforte auf das (weit größere und auch stilisiert-künstliche) Anwesen zu und lässt in einer anschließenden Fahrt durch einen Innenraum (in entgegengesetzte Richtung vom Hausinneren zu den Fenstern) sogleich in wenigen Sekunden Figuren erst hörbar, dann sichtbar werden. Bedrohlich erscheint hier in erster Linie der alte Maler Mr. Blackwood, der schon in den ersten fünf Minuten einer Zofe per Meißel die Schneidezähne herausgeschlagen haben wird; kurz darauf kommuniziert er dann mit kleinen, bloß kurzzeitig schemenhaft sichtbaren Kobolden, welche die als Gegenleistung für Mr. Blackwoods offenbar entführten Sohn dargebotenen Zähne verschmähen und stattdessen Blackwood selbst mit sich in die Unterwelt nehmen (womit der zeitlich weit im Vorfeld angesiedelte Prolog endet).
Während Newland sein zwar viktorianisches, aber doch recht alltägliches Anwesen über viele menschenleere Großaufnahmen unheimlich beseelt, da setzt das Remake auf ein zwar (auch per post-production) nostalgisch gealtertes, märchenhaft-unwirkliches Anwesen, das aber an keiner Stelle mit dem Anschein des Eigenlebens ausgestattet wird. Die Konzentration ruht voll und ganz auf den kleinen Kobolden; del Toro und Nixey sind somit von Beginn an bereits an jenen Punkt gelangt, den Newland in seinem Original erst kurz vor der Hälfte der Laufzeit erreicht hat.
Eine weitere Änderung betrifft den anderen größeren Spannungsbogen des Originals: die kriselnde Beziehung zwischen den Hauptfiguren. Im Remake ist Sally ein zehnjähriges Scheidungskind, das mit seinem Vater Alex und dessen neuer Frau Kim (die den Maler Blackwood bewundert) ihr altes Zuhause zurücklassen und im neuen Anwesen einziehen muss. Als naives Mädchen lässt sie sich von den wispernden Stimmen aus dem Gemäuer becircen, möchte eine Freundschaft mit den Unbekannten, den vermeintlichen Feen, schließen und befreit so unwissentlich die rattenhaften Kobolde aus ihrem Gefängnis. Die Kreaturen, die schnell ihr bösartiges Wesen offenbaren, versetzen Sally bald in Angst und Schrecken und nutzen auch gezielt Sallys familiäre Situation aus; reden ihr ein, dass ihre Eltern sie nicht lieben würden; spielen Kim Streiche, die Alex dann Sally anlasten wird. (Denn in der Tat hadert Sally mit der recht jungen Stiefmutter, weshalb der Spannungsbogen sich auch um die Frage dreht, inwieweit es zu einer Annäherung kommen wird.) Und auch der hinzukommende Psychologe erkennt nach Gesprächen mit dem Mädchen bloß ungewöhnlich gesteigerte Verarbeitungen der Scheidung. (Del-Toro-Fans, die – möglicherweise in Unkenntnis des 1973er Originalfilms – eine etwas größere Unentschiedenheit zwischen den Möglichkeiten des Wahns und der unheimlichen Realität wie in "El laberinto del fauno" erwartet haben, mussten sich hier freilich enttäuscht sehen; dabei zollen beide Filme mit ihren ganz unterschiedlichen und jeweils sehr zweckdienlichen Ansätzen lediglich – zu Unrecht unbekannteren – Vorbildern gleichermaßen konsequent Tribut.)
An die Stelle eines seine Ehefrau für hysterisch haltenden (Geschäfts)mannes treten hier also Vater und Stiefmutter, welche die Angstzustände des Kindes für psychische Störungen infolge einer Scheidung halten. Dennoch bleibt das problematische Karrieredenken von Alex aus dem Original erhalten: Sallys Vater nimmt im Remake die Probleme seiner Tochter auf die leichte Schulter und konzentriert sich mehr auf seine beruflichen Anforderungen. Kim, seine neue Lebensgefährtin (die einmal sagt, sie habe selbst ihre eigene Kindheit noch nicht verarbeitet), nimmt Sallys Probleme hingegen ernster – und schenkt dem Mädchen alsbald Glauben. Über den Hausmeister (der auch hier mehr weiß, als er zu wissen vorgibt, und den eine Drohgebärde der kleinen Viecher empfindlich versehrt ins Krankenhaus bringt) kommt sie der Wahrheit schließlich auf die Schliche und erfährt dabei auch von der Lebensgeschichte des einstigen Eigentümers Mr. Blackwood. (Produzent del Toro hatte hierbei die Gelegenheit, seine Vorliebe für die unheimliche Literatur Arthus Machens und Algernon Blackwoods an dieser Stelle recht deutlich unterzubringen.) Alex zeigt sich von den Nachforschungen seiner Partnerin Kim – die passenderweise so heißt wie die Darstellerin der Ehefrau von Alex im Originalfilm – jedoch wenig beeindruckt. Zwar gibt Alex auch im Remake irgendwann bei; aber seine Gattin Kim ergreift hier viel eher, viel mehr die Initiative als Sally und Joan im Originalfilm.
Aus der Ehefrau Sally (Kim Darby) und aus deren Freundin Joan im Remake die Tochter Sally und die Stiefmutter (bzw. zweite Ehefrau) Kim zu machen, ist ein cleverer Schachzug: So kann der Film den Konflikt um einen vermeintlichen Wahn und um die kleine Ehekrise wiederholen und dennoch ein fortschrittlicheres Frauenbild zeichnen; hier keimt nicht etwa eine verhaltene Emanzipation, die schließlich wieder aufgegeben werden würde, sondern hier erweist sich die weibliche Hauptfigur tatsächlich als so tatkräftig wie durchsetzungsfähig. Während im Original Joan ihrer Freundin Glauben schenkt und Alex bittet, ebenso zu handeln, woraufhin er beim Hausmeister Erklärungen einholt, Joan hingegen in einer Nacht des Terrors zur Untätigkeit verdammt vor dem Haus ausgesperrt wird und Sally letztlich von den Kreaturen überwältigt und entführt wird, ehe Alex als potentieller Retter (Sekunden zu spät) zurückkehrt und zur (erfolglosen) Hilfe eilt, so ist Kim hier diejenige, die eigenhändig alles aufklärt, die Sally erfolgreich vor den Kobolden rettet, allerdings ihrerseits im Kampf von den Kreaturen in unterirdische Tiefen entführt wird, während der zu spät eintreffende Partner ohnmächtig zusehen muss.
Die Frau agiert bei Nixey wesentlich selbstständiger als bei Newland – was freilich auch dem gesellschaftlichen Wandel in fast vier Jahrzehnten geschuldet ist. Schaut man genauer hin, so fällt aber auch die Version von del Toro, Robbins und Nixey etwas bieder aus: Das Paar, das einem dargeboten wird, besteht aus einem Mann (Guy Pearce) und einer etwas mehr als 11 Jahre jüngeren Frau (Katie Holmes). Zwar wird dieser Umstand auch thematisiert (denn Sally erwähnt, dass ihre leibliche Mutter behauptet habe, Alex hätte Kim wegen ihres Alters bevorzugt), aber nicht nur weist Alex solche Gedanken weit von sich; sondern er scheint trotz manch verschiedener Ansichten seine neue Partnerin aufrichtig zu lieben, was gerade in den letzten Minuten noch einmal unterstrichen wird. Und wenn Kim auch vor dem Hintergrund einer Bedrohung durch kleine Wesen die takräftigere Figur ist, so liegt das bloß daran, dass Alex (der schon farblich über seine Kleidung eher mit der Außenwelt als mit dem Inneren des verträumten Blackwood-Anwesens in Verbindung gebracht wird) seinen ganzen Ehrgeiz und seine Tatkraft in seine berufliche Karriere steckt, wohingegen Kim emotionaler mit dem Kind, das nicht das ihre ist, mitfühlt – und sich alsbald bereit erklärt, Sallys unglaubwürdigen Berichten zu glauben. Zwar wertet der Film die Emotionalität nicht zugunsten kühler Rationalität ab – ganz im Gegenteil! –, ordnet sie aber weit eher der Frau zu. Dass Kim und Sally als Stiefmutter und -tochter einander nahekommen, schließt die Dramaturgie des Films konsequent ab: Kim hat sich nach anfänglichen Selbstzweifeln zur durchaus auch akzeptierten Ersatzmutter gemausert, die tatsächlich so fühlt wie eine leibliche Mutter. (Es wäre – gerade auch vor dem Hintergrund des Originals – ein etwas zu süßliches Ende gewesen, hätten Kim, Sally und Alex als endlich vereinte Familie das Unheil gemeinsam unbeschadet überstanden. Dass Kim ihre Tauglichkeit als Mutter beweisen konnte und dann aber als nicht-leibliche Mutter aussortiert und von den Kreaturen in die Tiefe gerissen wird, wirkt jedoch wie ein Plädoyer für die reine, natürliche Familie, in die sich Kim als störender Eindringling hineingedrängt hat: immerhin lebt Sallys Mutter noch; oder zumindest wie ein Plädoyer für die Mutterschaft als weibliches Lebensziel. Aber was wären die Alternativen gewesen? Der Tod des karrieresüchtigen Vaters hätte noch weit eher moralisierend erscheinen müssen; der Tod des Kindes hingegen recht zynisch, was aber gut zur Schlusspointe gepasst hätte, zumal das Remake ja kurzzeitig eine letztlich trügerische Aussicht auf doch noch mögliche Rettung gewährt.)
Kurz: Alles in allem ist es erstaunlich, dass del Toro, Nixey und Robbins es geschafft haben, die meisten Episoden des Originalfilms sehr deutlich zu zitieren – die Attacke auf den Hausmeister, der Angriff im Bad, das Auftauchen der Kobolde auf einer größeren Feier, die Schlusspointe! – und dennoch ziemlich interessante eigene Aspekte einzubringen. Den doch eher geringen Subtext des Originalfilms konnten sie aber nur begrenzt erweitern: Sinnvolle Verschiebungen bewahrten das Remake vor einem altbackenen Frauenbild; etwas konservativ ist ebendieses aber dennoch. Somit überzeugen letztlich beide Filme in erster Linie als vordergründige Gruselstreifen, die insbesondere bei einem sehr jungen Publikum bleibenden Eindruck hinterlassen dürften (wobei sich das Remake durch manche Gewalttätigkeiten für ein allzu junges Publikum disqualifiziert). Und formal unterliegt das Remake dem Original zu Beginn, wenn es Originalität durch Konventionalität ersetzt; da ebendiese aber auch große Teile des Originals durchzieht, kann das Remake als weit opulentere Hochglanz-Version insgesamt durchaus wieder punkten.
Abgerundete 6,5/10 für Newlands 1973er TV-Film, aufgerundete 6,5/10 für das aufpoliertere, ambitionierte (und bereits seit Mitte der 90er Jahre von del Toro angestrebte) 2010er-Remake.[2]
1.) Im Vergleich dazu konnte John Newland als Regisseur des Originals bereits über eine langjährige TV-Karriere als Filmemacher zurückblicken. Insbesondere seine Rolle als Regisseur und Gastgeber von "One Step Beyond" (1959), dem Konkurrenten der "The Twilight Zone" (1959), wäre hier zu nennen, sammelte Newland hier doch auch jede Menge Erfahrungen im Umgang mit phantastischen und/oder unheimlichen Stoffen.
2.) Bessere Filme über dämonische Kreaturen aus unterirdischen Tiefen wären Tibor Takács' feiner Mini-Klassiker "The Gate" (1987) und Lee Cronins hintergründiger "The Hole in the Ground" (2019).