Geständnisse:
Regisseur Tetsuya Nakashimas Film ist eine unfassbar intensive Studie über menschliche Abgründe, deren Wirkung sich im Verlauf des Films immer weiter entfaltet. Die Geschichte um eine Lehrerin, die sich an zwei Schülern ihrer Klasse rächt, da diese ihre kleine Tochter ermordet haben, zieht sowohl auf inhaltlicher wie auch auf stilistischer Ebene in den Bann. Dabei glaubt man schon nach etwa 30 Minuten (nach dem faszinierenden Monolog der jungen Frau vor ihrer Klasse) den ganzen Plot zu kennen, dann aber lässt Nakashima seine Protagonisten die Geschichte aus deren Sicht in Form der titelgebenden Geständnisse erzählen und fügt durch die jeweiligen subjektiven Perspektiven der Handlung immer weitere, zum Teil schockierende Puzzleteile und Details hinzu. Motive und Beweggründe der Tat werden offengelegt und zeichnen das Bild einer vordergründig emotional verwahrlosten und rücksichtslosen Gesellschaft. Themen wie Mobbing, Außenseitertum, Perspektivlosigkeit, Einsamkeit, fehlende Anerkennung (von elterlicher und gesellschaftlicher Seite) werden ebenso angeschnitten wie Ängste vor dem Versagen. Und gerade deshalb fühlt man mit allen Protagonisten mit, auch und gerade mit den Tätern, da gezeigt wird, dass sie die ersten Opfer waren, dass sie zu den Verlierern der Gesellschaft gehören und nie wirklich eine Chance hatten..
Obwohl die Geschichte nur ein abstraktes Konstrukt ist (glaubwürdig ist sie nicht eine Sekunde lang, aber das soll sie auch nicht sein), nimmt sie gefangen und fasziniert, da – trotz aller Künstlichkeit – alles doch auf seltsame Weise authentisch erscheint. Irgendwie musste ich in diesem Zusammenhang an „Twin Peaks“ denken, der eine ähnlich surreale und gleichzeitig glaubwürdige Atmosphäre verströmte.
Auf stilistischer Ebene ist der Film ein wahrer Augenschmaus: Nakashima hat große Teile des Films in Zeitlupe gedreht, wählt bewusst monochrome Farben und extravagante, außergewöhnliche Kameraperspektiven. Unterlegt werden die Szenen mit einer Ambient-Musik, die zu der dramatischen Handlung eigentlich gar nicht passen dürfte. Aber weil die Handlung durch die reichliche Verwendung von Zeitlupensequenzen entschleunigt wird, entwickeln Bilder und Musik eine Symbiose, die in ihrer Wirkung einzigartig ist.
Gerade durch Zeitlupensequenzen entsteht ein Bildersog, wie man ihn selten im Kino gesehen hat. Allein das dreißigminütige Intro ist atemberaubend, saugt einen sofort in den Film hinein.
Seltsam ist auch die Rezeptionswirkung bei mir gewesen: Der Film ist inhaltlich menschenfeindlich und nihilistisch, gleichzeitig aber durch seine Art wunderschön. Das Finale mit Shuyas Geständnis und mit der Explosion ist pure Kinomagie. Man sitzt vor dem Fernseher und staunt! Und wenn ich sonst immer einige Vorbehalte gegenüber dem asiatischen Kino hatte (vor allem das mir persönlich zu dick aufgetragene Overacting in vielen Filmen), so muss ich hier sagen, dass CONFESSIONS der "westlichste" Film aus diesem Teil der Welt ist, den ich kenne. Für Asia-Fans, aber auch für Filmfans allgemein eine 100% Empfehlung! 10/10