Review
von Leimbacher-Mario
Verlockende Locken
Xavier Dolan gilt schon über ein Jahrzehnt als kanadisches Regiewunderkind und hat diesen Status, trotz jüngst etwas nachlassender Qualität, auch schon mehrfach nachgewiesen. „Herzensbrecher“ war erst sein zweiter Langfilm und zementiert diesen Ruf mit Nachdruck. Sexy. Stylisch. Bi. Erzählt er hier lose und eher episodisch von einer emotionalen Dreiecksbeziehung bzw. einem attraktiven Lockenbeau, der sowohl einer jungen Frau wie einem jungen Mann den Kopf verdreht, wodurch ein kleiner Wettkampf und passend zum deutschen Titel viele gebrochene Herzen entstehen...
„Herzensbrecher“ ist ein unheimlich freier, wilder und instinktiver „Liebesfilm“. Als ob man die Novelle Vague in die heutige Zeit gehoben hätte. Sehr hübsch, sehr menschlich, sehr sinnlich. Definitiv im langen Kielwasser von „La Chinoise“, „Jules et Jim“ oder „Band of Outsiders“. Sogar auch etwas „Harry & Sally“ mit den zwischengeschobenen Interviews. Wer etwa Dolans Meisterwerk „Mommy“ toll findet, kann hier direkt weitermachen dessen beeindruckendes Schaffen zu entdecken. „Herzensbrecher“ strotzt nur so vor feinen Nahaufnahmen und nachhaltigen Farbfiltern, vor coolen Songs und emotionalen Verstrickungen, vor natürlichen Überraschungen und heißblütigen, intelligenten Dialogen, vor intimen Bettszenen und wortlosen Flirts, vor vielsagenden Blicken und interessanten Kamerawinkeln. Dass der Film bei mir nicht ganz den Sprung in „Lieblingsfilmgefilde“ oder die Nähe von „Mommy“ schafft, liegt einzig und allein daran, dass die Figuren mir deutlich zu fern und oberflächlich blieben, das Ende etwas Stirnrunzeln verursacht hat und mir manchmal der Erzählfluss minimal gestört und zu sprunghaft vorkam. Ansonsten: ein weiterer Daumen hoch für Dolan!
Fazit: Xavier Dolan voll in sich und das Arthousekino versunken und verliebt... warum auch nicht. Kaum einer hat derart Style und Herz wie er. Und in keinem sehe ich mehr schwule Spuren von Truffaut und Godard. Und „Herzensbrecher“ ist wohl das beste Beispiel dafür. Und die italienische „Bang Bang“-Version ist nicht weniger als eine musikalische Offenbarung.