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Satte 160 Millionen Dollar hatte der britische Filmemacher Christopher Nolan („Batman Begins“) für seinen 2010 veröffentlichten Science-Fiction-Heist-Action-Thriller „Inception“ zur Verfügung. Sein Budget sieht man dem Film an. Aber macht das den vierfachen Oscar-Gewinner wirklich zu einem herausragenden Erlebnis?

Dominick Cobb (Leonardo DiCaprio, „The Beach“) ist der Kopf einer Geheimorganisation, die eine Technik entwickelt hat, in die Träume anderer Menschen einzudringen und dort Informationen zu stehlen („Extraction“). Cobb ist es darüber hinaus möglich, neue Informationen ins Unterbewusstsein träumender Menschen einzupflanzen („Inception“). Der Vorgang ist hochkomplex und nicht ungefährlich, was Cobb selbst am besten weiß, seit er seine Frau Mal (Marion Cotillard, „Public Enemies“) bei einem missglückten Experiment verlor und seither von Schuldkomplexen geplagt wird. Da es zudem so aussah, als habe er seine Frau getötet, musste er ohne seine Kinder aus den USA fliehen. Als eine „Extraction“ aus dem Geschäftsmann Saito (Ken Watanabe, „Flags of Our Fathers“) fehlschlägt, wird Cobb von ebenjenem engagiert, am Konzernerben Fischer (Cillian Murphy, „28 Days Later“) eine „Inception“ durchzuführen, damit dieser das Unternehmen zerschlägt und somit eine Monopolbildung verhindert wird. Skeptisch nimmt Cobb den Auftrag an, weil Saito ihm zusagt, sich im Gegenzug um eine Amnestie für Cobb zu bemühen und dafür zu sorgen, dass er seine Kinder wiedersehen könne…

Fürwahr, das nenne ich erst einmal ein originelles und intelligentes Drehbuch, das Lust auf die Geschichte und die damit verbundenen Gedankenexperimente macht. Und auch optisch macht „Inception“ einiges her, wartet mit tollen visuellen Effekten auf. Fast schon simplizistisch mutet es angesichts der Handlung mit ihrem komplexen Regelwerk an, wenn ein Fahrstuhl als Metapher für verschiedene Bewusstseinsebenen herhält. Leider ist „Inception“ mit all seinen ineinander verschachtelten Realitäts- und Traumebenen und von Ariadne (Ellen Page, „An American Crime“) architektonisch erschaffenen Traumwelten so sehr überkonstruiert, dass er schnell keine rechte Freude mehr bereitet. Da wird es schwierig, den Überblick zu bewahren. Um dafür Motivation aufzubringen, bräuchte es Empathie oder Spannung, doch letztere leidet unter der Beliebigkeit der Handlung, in der schlicht alles möglich scheint, und erstere unter der emotionalen Kälte des wie ein steriler Bürokomplex wirkenden Films.

Und „Inception“ nimmt sich Zeit, erklärt unheimlich viel, zögert Informationen hinaus – und streckt sich so auf beinahe zweieinhalb Stunden! In dieser langen Zeit gerät er immer mal wieder zum hektisch geschnittenen Hochglanz-Action-Thriller mit wüsten Ballerszenen, weil vermutlich auch ein Nolan wusste, was das Publikum sehen möchte. Doch auch diese Momente lassen größtenteils kalt, drohen gar, die Prämisse der Handlung zu sehr in den Hintergrund zu rücken. Wird diese wieder prominenter, wird’s jedoch schnell wieder zu kompliziert, sodass letztlich auch die finale Pointe wirkungslos verpufft. Der hochkarätig, in Nebenrollen mit Namen wie Michael Caine („Der tödliche Schwarm“), Tom Hardy („Sucker Punch“) und Tom Berenger („Platoon“) besetzte Film bleibt unterkühlt und seelenlos – und das, obwohl er Träume und menschliches Bewusstsein zum Inhalt hat! Dieser Widerspruch ist das Hauptproblem dieses antiseptischen Bombastkinowerks, das es nie aus seiner Künstlichkeit herausschafft. Damit wird „Inception“ seiner beeindruckenden Technik, seiner visuellen Opulenz und seines psychologischen Anspruchs zum Trotz zu einer Enttäuschung, insbesondere vor dem Hintergrund des Hypes, den er auslöste. Geht es um Träume, bevorzuge ich also weiterhin Freddy Krueger und stelle fest, dass ich mit Nolans Filmen außerhalb der „Batman“-Trilogie nicht wirklich warm werde.

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