Inception – Neues von Voodoo-Meister Nolan
Christopher Nolan ist verdammt clever, das steht fest. Nicht unbedingt wegen seinen Filmen, aber wegen der Art, wie er sie präsentiert. Jeder neue Nolan wird den Zuschauern als Quantensprung verkauft, als Innovation, und, seit er die Batman-Franchise übernommen hat, als event.
Auch „Inception“ ist solch ein event, doch gleichzeitig ist es ein Film, der den Größenwahn seines Regisseurs aufdeckt. 200 Mio. Dollar werden für ein Effektgewitter ausgegeben, das sich als intelligentes Spiel mit Realitätsebenen ausgibt. „Inception“ ist eine elegante Entschuldigung für 2 ½ Stunden substanzloses Actionfeuerwerk. Gut, sinnlose Action ist jetzt auch keinen Aufreger wert, vor allem nicht, wenn sie Spaß macht, aber wenn diese als das nächste heiße Ding vermarktet wird, dann fängt man an, sich Fragen zu stellen.
Kultische Verehrung tut auf Dauer eigentlich niemandem gut, auch nicht Nolan. Mit „Following“ und „Memento“ hat er bewiesen, das er mit bescheidenen Mitteln interessante, komplexe Genrefilme machen konnte. Dann kam der Erfolg, mit dem sich neue kreative und finanzielle Möglichkeiten erschlossen. Aber Regisseure (besonders gehypte) neigen bei zu starker Geldinfusion dazu, ihre Filme in gigantische Rummelplätze zu verwandeln, bombastische Spielwiesen voller Schauwerte und Attraktionen. Und der Jahrmarktsgestus bleibt meist das einzig hervorstechende Merkmal dieser Filme. Viele Regisseure erliegen diesem Impuls, z.B. Oliver Stone („Alexander“), die Wachowski-Brüder („Matrix Reloaded/Revolutions“), James Cameron (ganz besonders James Cameron), selbst unabhängige, kleine Filmemacher wie Woody Allen. Der hat mit seinem teuersten Film „Im Bann des Jade Skorpions“ eine seiner schwächsten Arbeiten abgeliefert.
So gut wie niemand ist sicher vor dem Sirenengesang des verführerischen Oberflächenreizes. Vor allem nicht Nolan.
Zugegeben, es hat seinen Reiz, den Traumchirurgen DiCaprio und seine Freunde dabei zu beobachten, in fremde Träume einzudringen. Die Reise in ineinander verschachtelte Träume birgt auch unendliches Potenzial für fantastische Geschichten. Doch meist wird in diesen Träumen nur geballert, und die Schwerkraft außer Kraft gesetzt. Es scheint, als habe Nolan eine gepimpte Version von „Matrix“ drehen wollen, mit mehr alternativen Realitätsebenen, Schießereien, Schwerkraftfights, das alles eingebettet in einer Mischung aus Spionagethriller und Melodram mit simpler Figurenzeichnung (wobei DiCaprio seine Rolle aus „Shutter Island“ wiederholt), und den üblichen Zugeständnissen ans Mainstreampublikum (man beachte die zahlreichen One-Liner, wie „Hab bloß keine Angst, von ’ner größeren Kanone zu träumen!“ oder „Paradoxon!“).
Ansonsten hat Nerd-Liebling Nolan den tollen Michael Caine wieder mal als netten, weisen Onkel verbraten, und den unentschuldbaren Hans Zimmer für die Filmmusik engagiert, eine besonders fatale Entscheidung. Denn egal, wie beeindruckend der Soundtrack an manchen Stellen wirkt, die Dauerbeschallung ohne Sinn für Pausen wirkt sich einfach negativ auf die Dramaturgie aus. Zimmer sollte eigentlich wissen, dass wir nicht im Stummfilmzeitalter leben, und dass Pausen wichtige Spannungserzeuger darstellen. Zimmer killed the suspense star (nicht, dass es das erste Mal war…).
Klar, „Inception“ ist recht kompliziert- für einen Blockbuster. „Inception“ ist recht unterhaltsam, und trotzdem erschlagend. Recht Originell, aber nicht innovativ (wobei er das auch gar nicht sein muss, um gut zu sein).
„Inception“ ist ein B-Film, mit einem A-Film-Budget und –Cast.
Und dennoch hat es Christopher Nolan geschafft, die Mainstream-Crowd zu verhexen, ähnlich wie Michael Haneke die Arthaus-Crew mit „Das weiße Band“ betört hat. Charles Sheffield würde es wohl so ausdrücken: „It’s your voodoo working!“