Seit „Matrix" hat es kein Film mehr geschafft, auf solch brillante Weise spektakuläre Action und eine visionäre, intelligente Story zu einem vollendeten Meisterwerk zu kombinieren wie Christopher Nolans aktuelles Opus „Inception". Nicht als Spezialist für bahnbrechenden Krawall, wohl aber für ausgeklügelte Stories hat sich der 40-jährige Brite über die Jahre mit Werken wie dem raffinierten „Memento" oder dem edlen „The Prestige" einen Namen gemacht, ließ in seinem radikalen, 2008 im großartigen Düsterepos „The Dark Knight" kulminierenden stilistischen Reboot der „Batman"-Franchise aber auch ordentlich die Fetzen fliegen. Mit seiner starbesetzten Sci-Fi-Vision „Inception" liefert Nolan nun sein Meisterstück ab - eine Sensation von einem Film, der schon jetzt ein Platz in den ewigen Bestenlisten gebührt.
Cobb (Leonardo DiCaprio) ist der beste „Extractor" der Welt - ein Gedankendieb, der im Traum ins Unterbewusstsein von Menschen einbricht, um ihnen ihre tiefsten Geheimnisse zu entlocken. Beim einflussreichen Industriellen Saito (Ken Watanabe) hat er allerdings keinen Erfolg. Dafür schlägt ihm der nach Ende des verpatzten Auftrags einen Deal vor: Cobb soll den umgekehrten Weg seines Tagesgeschäfts gehen und dem Erben des Konkurrenzimperiums einen neuen Gedanken einpflanzen, nämlich sein eigenes Erbe zu zerschlagen. Im Gegenzug will Saito seine Beziehungen spielen lassen, um einen gegen Cobb wegen Anklage auf Ermordung seiner Frau vorliegenden Haftbefehl aufzuheben, sodass der zurück in die USA zu seinen Kindern reisen könnte. Cobb versammelt ein Team der versiertesten Spezialisten, um tief ins Gehirn des jungen Geschäftsmannes vorzudringen und den einen letzten Auftrag zu erledigen...
Nicht nur hinsichtlich der Qualität, auch hinsichtlich der Storykonzeption bietet sich der Vergleich zur „Matrix" an - schließlich liegen die Protagonisten auch in „Inception" verkabelt auf Stühlen, während ihr Geist durch fremde Welten turnt, in denen alles möglich ist, die sie aber oftmals für die Realität halten (bis sich die Frage stellt, was überhaupt real ist). Dennoch liegt „Inception" nichts ferner als der Charakter eines Plagiats jedweder Form. Ganz im Gegenteil erschuf Nolan die raffinierteste und genialste Story seit Jahren, in höchstem Maße faszinierend, perfekt zu Ende gedacht und so ungemein fesselnd, dass die über zweistündige Laufzeit wie im Flug vergeht und der Film selbst ohne seine plakativen Schauwerte allein aufgrund der sensationellen Handlung ein Meisterwerk bliebe.
Aus seiner großartigen Prämisse, dem Eindringen in anderer Leute Unterbewusstsein im Traum, entwickelt Nolan ein fasznierendes, vielschichtiges Universum von Gedankenwelten, Traum- und Realitätsebenen, die die Wirklichkeit unablässig in Frage stellen und dadurch permanent philosophische Denkanstöße geben. Diese seine genialen Ideen kanalisiert der Produzent, Autor und Regisseur in Personalunion nun zudem in eine straffe, packende Story, die kontinuieriche Hochspannung aufbaut und am Ende ihre Charaktere auf fünf parallelen Realitätsebenen mit Täuschungs- und Rettungsmanövern, Verfolgungsjagden, Identitätssuche und Schuldkomplexen beschäftigt. „Inception" beschränkt sich nämlich nicht darauf, die fasznierenden Möglichkeiten seiner Prämisse mit vordergründigen Action- und Spannungsmomenten sowie überraschenden Plottwists voranzutreiben, sondern zeichnet sich zudem durch tiefgehende Dramatik und intensive Figurenzeichnung aus: Leonardo DiCaprios Cobb muss nicht nur für Saito seinen Auftrag erfüllen, sondern zusätzlich seine eigenen Dämonen besiegen, sich mit den Untiefen seiner eigenen Schuld auseinandersetzen, die ihm in Gestalt seiner toten Frau in den Traumwelten des Unterbewusstseins immer wieder begegnen. Gerade das große Finale ist nicht nur von visueller, sondern vor allem gigantischer emotionaler Kraft - gekrönt von einer Schlusspointe, die ihre relative inhaltliche Vorhersehbarkeit durch eine geniale Umsetzung relativiert.
Dass es zwischendurch ordentlich kracht und rummst, ist da beinahe ein Nebenschauplatz - Nolan ist kein ausgewiesener Actionästhet, seinen Schießereien und Verfolgungsjagden geht das absolut Bahnbrechende ab, doch das ist Kritik auf allerhöchstem Niveau. Einwandfrei eingefangene Shootous, Hatzen und Explosionen erfreuen das Herz des Actionfans, nicht zuletzt aufgrund ihres örtlichen Abwechslungsreichtums von der verregneten Großstadt bis zur abgelegenen Eisfestung, um die schwer bewaffnetes Sicherheitspersonal auf Skiern für Kanonenfutter sorgt. Größter Pluspunkt auf visueller Seite sind die faszinierenden Traumwelten, die die „Architekten" der Extractors erschaffen und nach Belieben verändern - und die gegen Ende des Aufenthalts der Protagonisten in ihnen stets spektakulär einbrechen.
Maßgebend für die Qualität des überdies von einem bärenstarken Score veredelten Films ist neben seiner Genialtät sowohl auf inhaltlicher als auch Schauwertebene freilich auch die gelungene Besetzung: Leonardo diCaprio, der seit Jahren eine Toprolle nach der nächsten ergattert, trägt Nolans Opus aufs souveränste, daneben machen bekannte Gesicher wie Ellen „Juno" Page, Marion Cotillard, Tom Berenger, Michael Caine und Ken Watanabe einen gewohnt guten Job.
Fazit: Mit „Inception" gelang Christopher Nolan ein vollendetes Meisterwerk, das zu toppen für ihn bis auf weiteres ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte. Seit „Matrix" gab es keine so grandiose Kombination spektakulärer Schauwerte und rasanter Action mit einer intelligenten, visionären, fantastisch arrangierten, hochspannenden, philosophischen Story mehr zu bewundern - die im Falle von „Inception" zudem noch großen emotionalen Tiefgang und Dramatik bietet. Ein grandioser Meilenstein des fantastischen Kinos!