Wenig aussagende, aber ausgesprochen schicke Trailer, wenige Details zum Inhalt – durch geschickte Regulierung des Informationsflusses entwickelte sich „Inception“ schon früh zum Hypefilm, natürlich auch angesichts der Besetzung und des Regisseurs.
Der Auftakt trägt nicht viel zur Klärung bei, zeigt die Spezialisten Cobb (Leonardo DiCaprio) und Arthur (Joseph Gordon-Levitt) bei einem Auftrag, bei dem sie ganz offensichtlich in die Gedankenwelt des Geschäftsmannes Saito (Ken Watanabe) eingedrungen sind. Erst nach und nach erklärt „Inception“ dann, wie die Ausflüge in das Gehirn der Zielperson funktionieren, aus welchen Leuten ein Team besteht und dass die Spezialisten normalerweise nach verborgenen Informationen suchen.
Allerdings ist Saito zu gewitzt für Cobb und nicht nur das: In der realen Welt lässt er ihn und sein Team gefangen nehmen – aber nur, um ihnen einen Job anzubieten: Anstelle des gewohnten Verfahrens, Extraction, sollen sie keine Informationen aus dem Kopf seines Konkurrenten Robert Fischer Jr. (Cillian Murphy) klauen, sondern eine Idee einpflanzen; ein Verfahren, das Inception genannt wird, aber angeblich unmöglich zu bewerkstelligen ist. Parallelen zu „The Cell“, „Matrix“ und „eXistenZ“ liegen auf der Hand und gerade bei den verschiedenen Traumebenen (dream within a dream) muss man häufig an letzteren denken.
Zusammen mit Saito, Arthur, dem Chemiker Yusuf (Dileep Rao), dem Fälscher Eames (Tom Hardy) und der Architektin Ariadne (Ellen Page) entwirft Cobb ein Szenario, um den Job durchzuführen – doch der Auftrag ist der komplizierteste seiner Laufbahn…
Was war im Vorfeld nicht alles zu lesen, von einigen Kritikern wurde „Inception“ als hochkomplizierter Mindfuck beschrieben, doch insgesamt ist der Film relativ gut zu verstehen, sobald man sich durch das Intro durchgekämpft hat, da der Film den Zuschauer an die Hand nimmt, wenn Cobb Ariadne erklärt, wie das Verfahren funktioniert, und die Traumebenen allesamt klar voneinander getrennt sind, dargestellt durch unterschiedliche Schauplätze. Auch das Ende hat eine geschickte, etwas an „Total Recall“ erinnernde Offenheit vorzuweisen, die den Film bzw. seine mögliche Interpretation nicht wirklich auf den Kopf stellt.
Die Komplexität von Nolans „The Dark Knight“ erreicht „Inception“ nicht, entpuppt sich aber als durchdachter, cleverer Blockbuster – bisweilen vielleicht etwas zu gewollt clever. Denn so nett die Gedankenspiele bezüglich Traumwelt und Persönlichkeit sind, so wirken einige der Diskussionen über die Arbeit des Teams, die damit verbundene Ethik und das Wesen der Traumwelt schlicht und einfach überflüssig, gerade im letzten Drittel bremsen sie den Film schon ein wenig aus. Extrem gelungen ist allerdings die Visualisierung der Traumwelten, wenngleich man viele der abgedrehtesten Szenen schon aus dem Trailer kennt, wo sie als eye candy verwurstet wurden: Sich biegende Städte, eine explodierende Traumwelt, Schwerkraftschwankungen.
Tatsächlich bietet „Inception“ so einiges fürs Auge, egal ob es sich um die CGI-Tricksereien der Extraklasse oder die immer wieder eingestreuten Actionszenen handelt, denn das Unterbewusstsein der Zielperson verteidigt sich wahrsten Sinne des Wortes: Feuergefechte und Schießereien auf nassen Strassen und in einer Schneelandschaft, ein Kampf in einem Hotel in Schwerelosigkeit – Nolan lässt sich so einiges einfallen, ohne dass die Action dominiert oder sich nicht aus der Story heraus ergeben würde. Ein Übermaß an Geballer darf man freilich nicht erwarten, doch sehenswert ist das Ganze auf jeden Fall.
Doch ganz abgesehen von seiner Konzeption als Virtual Reality Thriller ist „Inception“ auch als Charakterstudie Cobbs gedacht, der früher gemeinsam mit seiner Frau Mal (Marion Cotillard) als Extractor arbeitete, der sie angeblich umgebracht hat und der nicht mit in die USA zu seinen Kindern heimkehren kann. Die Charakterstudie wird nicht zuletzt dadurch interessant, dass sich seine Schuldgefühle bei der Arbeit manifestieren, also zur handfesten Gefahr werden – der innere Konflikt wird quasi veräußerlicht, wobei Cobb dann auch mit Abstand die rundeste Figur bleibt, während man über die meisten Teammitglieder wenig bis gar nichts erfährt.
Was „Inception“ angesichts seiner Besetzung nicht zum Nachteil gereicht: Tom Hardy verkörpert seinen Fälscher z.B. als gewitzten Lebemann, dessen Background wenig zur Sache tut. Die Besetzung ist jedoch durchweg klasse, mit Michael Caine, Ken Watanabe und Cillian Murphy sind sogar drei „Batman Begins“-Getreue dabei, doch egal ob Neuzugang im Nolan-Dunstkreis oder alter Hase: Top sind die Performances quasi alle, vor allem Leonardo DiCaprio erweist sich als von inneren Dämonen gehetzter Held mal wieder als kommender Charakterdarsteller. Allenfalls Marion Cotillard spielt mit etwas weniger Elan als der Rest des Ensembles, was aber auch daran liegen kann, dass sie ja nur eine Projektion von Cobbs Unterbewusstsein, also einen Schatten der realen Mal spielen soll.
„Inception“ ist ein spannender, sehenswerter und spektakulärer Film im typischen düster-stylischen Nolan-Stil und beweist, dass Popcornkino und intelligente Gedankengänge sich nicht ausschließen. Allerdings könnte man das Philosophieren innerhalb des Films etwas zusammenstreichen, da man trotz langer Dispute nicht die Komplexität von „The Dark Knight“ erreicht. Dennoch: 8,5 Punkte meinerseits.