Es ist ja immer eine Gefahr für erfolgreiche Künstler, dass sie, von der Kritik gebauchpinselt, irgendwann selbst auf ihren eigenen Hype hereinfallen und in ihre Werke alles Mögliche hineinstopfen wollen. Als Musterbeispiel hierfür gelten ja immer noch die Wachowskis, die nach dem phänomenalen Erfolg ihres „Matrix“-Films den Fortsetzungen ein Maximum an Bedeutungsschwere aufbürdeten und ihrer Geschichte damit dem Vernehmen nach das Genick brachen.
Christopher Nolan nun, auf der filmischen Erfolgsleiter seit Jahren nun stetig Sprosse um Sprosse erklimmend, widersteht auch im Falle seines nun vorliegenden neuen Films „Inception“ dieser Versuchung. Eine Geschichte um Menschen, die in anderer Leute Träume eindringen können, NICHT mit existenziellen Fragespielchen aufzuladen, sondern schlicht und ergreifend als klassischen Heist-Film ablaufen zu lassen, bei dem statt in eine Bank halt in Köpfe eingebrochen wird, das verdient Bewunderung. Wie schon im Falle seines Batman-Blockbusters „The Dark Knight“ ist auch hier ein ganzes Instrumentarium an wundersam-futuristischen Geräten nur Mittel zum Zweck, um eine durchweg klassische Kinoerzählung möglichst fulminant aufzubereiten.
Demzufolge also alter Wein in neuen Schläuchen? Nein.
Das hieße, dass den Film rein gar nichts von Filmen wie der „Ocean’s“-Reihe unterschiede, wenn man die futuristischen Spielereien entfernen würde, aber so einfach ist es dann doch nicht.
Nolans Film ist durchdrungen von seiner eigenen Idee: Wie in einem Traum ändern sich binnen eines Wimpernschlags die Bilder, wechseln Tempi und Tonarten, und wie in einem Traum fühlt es sich immer schlüssig an, weil die klar strukturierte Erzählung mit der Präzision eines Uhrwerks weiterläuft. Jeder kann sich von diesem Film unterhalten fühlen, weil er Schlenker in metaphysische Bereiche in seinen Dialogen konstant umschifft, immer klar in der Aussage bleibt. Besagte Bereiche werden alleine von der Optik erobert, und dann aber auch in vollem Umfang: Das, was sich Dean-Motter-Comics wie „Mister X“ oder die Überlegungen rund um das Thema Psychotektur immer nur ausmalen konnten, wird hier nun, überzeugender Computertechnik sei Dank, genüsslich zelebriert: Das urbane Umfeld als Spiegel der Psyche seiner Einwohner. Nicht umsonst benötigt es im Film beim Eindringen in die Traumsphären einen Architekten-Spezialisten. Denjenigen, der, welch schönes Kinobild, in Jahrhunderten gewachsene und im Unterbewusstsein eines jeden Menschen verankerte Stadtbilder aus den Angeln heben kann, wenn er nur will. In diesen Momenten, wenn „Inception“ sich nur über seine Umgebungen und die ihnen zugrundeliegenden Geschichten vermittelt, liegt die Saat, die aus ihm etwas Besonderes in der Art von „Dark City“ und "eXistenZ" machen könnten, denen das Glück einer breiteren Rezeption leider, wohl ihrer ungleich höheren Abstraktion geschuldet, nicht beschieden war.
Aber da muss man sich im Falle von Christopher Nolan wohl keine Sorgen machen. Zu sehr scheint er sein Publikum trotz rasantem Erzähltempo einschätzen zu können. Zu beherrscht spielt er auf der Klaviatur seiner Möglichkeiten, ohne sie überreizen, zu bedacht setzt er einen Fuß vor den anderen. Und nimmt damit eine weitere Sprosse.