„Jetzt sind wir soweit!“
Der langlebige Hamburger „Tatort“-Kommissar Paul Stoever (Manfred Krug, „Spur der Steine“) debütierte am 23. April 1984 in der Episode „Haie vor Helgoland“, die 1983 von Hartmut Griesmayr nach einem Drehbuch Peter Hemmers inszeniert wurde. Griesmayr hatte bereits sowohl Erfahrungen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe – es handelte sich um seinen sechsten Beitrag (von insgesamt 26, was ihn bis heute zum Rekordhalter macht) – als auch mit Manfred Krug gesammelt, mit dem er zahlreiche „Auf Achse“-Episoden inszenierte. Stoevers langjähriger Partner Brockmöller ist hier noch nicht dabei.
„Ist Hamburg nicht ‘ne schöne Stadt, Heinz?“
Karl Lepka (Dietrich Mattausch, „Der Fahnder“) und Alfred Jüssen (Karl-Heinz Gierke, „Lindenstraße“) planen, frisch aus der Haft entlassen, direkt ihren nächsten Coup. Helfen soll ihnen ihr Komplize Volker Reinders (Hans Hirschmüller, „Aufforderung zum Tanz“), dessen Haftstrafe geringer ausgefallen war. Dieser sträubt sich zunächst, involviert dann jedoch sogar seine Verlobte Petra Kolb (Ilse Biberti, „Sesamstraße“). Sie haben die Fährverbindung von Hamburg nach Helgoland ins Auge gefasst und wollen diese auf der Rückfahrt überfallen. Die Waffen dafür soll Petra an Bord schmuggeln. Weil einer der Verbrecher beim grundsätzlich erfolgreich verlaufenden Überfall jedoch im Überschwang eine charakteristische Handverletzung seines Komplizen in Anwesenheit eines Besatzungsmitglieds erwähnt und damit die Gefahr besteht, dass dieser enttarnt wird, erschießen sie den unfreiwilligen Ohrenzeugen. Ebenfalls an Bord befinden sich indes auch die Junggesellen Uwe (Bernd Tauber, „Das Boot“) und Rolf (Ronald Nitschke, „Josefine, das liebestolle Kätzchen“), von denen Uwe aus amourösen Gründen ein Auge auf Petra geworfen hat und sie deshalb genauer beobachtet. Dabei fallen den beiden Ungereimtheiten auf, die sie schließlich herausfinden lassen, was an Bord passiert ist und welche Rolle Petra dabei spielte. Gegenüber dem neuen Hamburger Kriminalhauptkommissar Paul Stoever halten sie sich jedoch bedeckt. Während dieser noch wegen eines Schusses auf seinen pensionierten Vorgänger Lothar Mühlenkamp (Ferdinand Dux, „Unsere heile Welt“) ermittelt, gedenkt Rolf, aus seinem Wissen Kapital zu schlagen…
In den Dünen Helgolands sehen wir das Knacki-Trio fröhlich picknicken und sich über das touristische Potential der Insel unterhalten, dabei Paul Ankas „Diana“ aus dem Kofferradio hörend, ohne dass man als Zuschauerin oder Zuschauer bereits wüsste, mit wem genau man es hier zu tun bekommt. Als sich dies herausstellt, wird der Ton ernster und Volker zum Mitmachen überredet. Nach einem Schnitt sehen wir Petra, wie sie sich unterhalb ihrer Kleidung schwer bewaffnet – jedoch nicht mit den Waffen einer Frau… Angesichts der Überfahrt mit der Fähre, bei der sogar Livemusik geboten wird, dürfte manch einer nostalgische Gefühle entwickeln, denn wenngleich sich diese Strecke nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, hat sich seit damals doch einiges geändert. Doch die Freude währt nur kurz, denn der Überfall mit seiner tödlichen Zuspitzung ist beklemmend inszeniert, der Mord findet nichtsdestotrotz offscreen statt.
Erst jetzt wird KHK Stoever eingeführt, der den pensionierten Kollegen aufsucht – denn der Schuss auf ihn wurde offenbar aus derselben Waffe abgefeuert wie der tödliche Schuss auf der Fähre. Rolf sucht Stoever auf, hält sich aber derart bedeckt, dass er sich selbst verdächtig macht. Und während Uwe nur an Petra interessiert ist und ihr (reichlich dreist) nachstellt, will Rolf etwas von der Beute abhaben, wodurch eine weitere Partei mit unlauteren Absichten die Handlung erweitert und aufpeppt. Generell ist es dramaturgisch klug, wie hier zwei Fälle und verschiedene Parteien miteinander in Bezug gesetzt werden. In der direkten Konfrontation wird dann aber schmerzhaft der Unterschied zwischen skrupellosen Berufsgangstern und sich überschätzenden Gelegenheitsgaunern deutlich – wenn in letzter Konsequenz auch ebenfalls offscreen. Der Fall entwickelt sich zu einem Geiseldrama weiter und hält für Stoevers initiale „Tatort“-Verbrechensaufklärung ein Ende parat, das ihn als abgeklärten, lässigen Gewinnertypen skizziert.
An seiner Seite befindet sich hier Kriminalhauptmeister Nickel (Edgar Bessen, „Im Herzen des Hurrican“), der hinter (dem auch noch mit allzu viel Präsenz bedachten) Stoever eindeutig die zweite Geige spielt, während die Handlung mit ihrer reichlich konstruierten Liebesgeschichte unter Glaubwürdigkeitsproblemen leidet. Wie die Gier nach Geld Freundschaften zerstört und Leben auslischt, versteht sie dennoch, unterlegt von zahlreichen zeitgenössischen Radiohits, adäquat zu vermitteln, sensibilisiert zudem für die Unberechenbarkeit größerer Menschenansammlungen und warnt davon, zu viele dem Unterfangen eher kritisch gegenüberstehende Komplizen zu beteiligen, möchte man ein verdammt krummes Ding drehen.
Ein Beispiel dafür, wie die Realität das Fernsehen nachahmt, ist der kurz nach der Ausstrahlung begangene Überfall auf ein Helgoland-Butterfahrtschiff, bei dem zwei Ganoven 60.000 DM erbeuteten.