Wer nichts hat, kann trotzdem was verlieren
Ein Mann, sein Sohn an seiner Seite, die Suche nach einem geklauten Fahrrad, die Straßen Roms samt seiner Bürger, Not & Kriminalität kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Das ist alles, was es zu einem der stärksten & berührendsten Werken der Filmgeschichte braucht. Echt, gefühlvoll, greifbar, vielschichtig, simpel - nicht nur für Fans des italienischen Neo-Realismus ein Pflichttermin. Eigentlich ein Pflichtfilme für alle Menschen & womöglich dann für Viele ein Wendepunkt. Nicht nur im filmischen Leben bzw. den Standard dort hochsetzend, sondern dieser Film hat die Kraft der Wendepunkt eines Menschens, seines Lebens & seiner Einstellung zu sein. Das ist kein Hype oder blinde Lobpreisung, kein Superlativen-Stakkato oder Nachplappern berühmter Kritiken. Sondern einfach ein Film, der mich berührt hat, der mich verändert hat & der mir die Heimat meines Vaters mit anderen Augen näher gebracht hat - mit seinen guten wie auch schlechten Seiten. 90 Minuten ohne Krawall, Action oder Welten in Gefahr, doch trotzdem wirkungsvoller & unvergesslicher als jedes Hollywood-Gewitter. Sogar die absoluten Klassiker & Legenden der Traumfabrik ziehen vor De Sicas Strassenbalade jeden Hut den sie haben - es geht emotional schlicht nicht größer!
Über den italienischen Neo-Realismus wurden dutzende Bücher geschrieben, über "Fahrraddiebe" existieren exzellente Kritiken von Roger Ebert bis zur Oma deines Lieblingsitalieners. Jeder kennt ihn, jeder liebt ihn. Es gibt hier ausnahmsweise mal keine zwei Meinungen. Lasse ich nicht zu & muss ich zum Glück auch nicht. Was soll ich noch über ihn schreiben, was noch nicht irgendwann erwähnt wurde? Das die Laiendarsteller, der eine Tag des Geschehens & die echten Ecken Romas mehr Realität & Realness mit sich bringen, als man es sich erträumt? Das es die mitreißendste Vater-Sohn-Achterbahnfahrt der Gefühle ist? Dass mich seit Jahren kein Film mehr so emotional zerrissen & durch den Reißwolf gedreht hat? Das er einfach wunderschön ist & technisch/stilistisch das Everymans Gegenteil von "Citizen Kane", jedoch genauso studierenswert? Nein, das ist alles nichts Neues.
Viel eher möchte ich versuchen zu erklären, was mich persönlich so sehr berührte. Warum er einer der Hauptgründe ist, warum ich heute Klassiker wie auch das Weltkino so sehr liebe. Wieso ich ihn mir jede Woche angucken könnte, obwohl er "nur" einen halbwegs aufregenden Tag im Leben einer italienischen Nachkriegsfamilie zeigt. Vielleicht weil ich Halbitaliener bin, ohne wirkliche Verbindung nach Italien, emotional wohl noch weniger als familiär. Vielleicht weil man das geschönte Bild der Realität aus Hollywood oder Filmen allgemein satt war. Vielleicht weil "Ladri di Biciclette" nach 70 Jahren noch genauso frisch, aktuell &, im besten Sinne des Wortes, "grau" wirkt, wie bei seinem Release. Grau, weil er ist wie das Leben - nicht böse, nicht gut, nicht immer fair & nicht immer mit Happy End. Aber trotzdem so verdammt lebenswert, kämpfenswert & liebenswert. Sei es für dein Kind, für deine Frau, für deine Stadt oder besonders dich selbst. Niederschläge, Trauer & Wut gehören dazu, Kriminalität hat einen traurigen Ursprung & ein Vater darf ruhig auch mal vor seinem Kind verlieren oder falsch handeln. Weisheiten & Lektionen für das Leben, die selten in Filmen erreicht werden & deren Wert man kaum messen kann. Genauso wenig wie den dieses Schwergewichts von einem Drama.
Fazit: das Herz des italienischen Films & einer der gefühlvollsten, ehrlichsten Filme aller Zeiten. Neo-Realismus war nie besser, mehr "street", mehr Leben. Hat die Kraft unsere Herzen wahrhaftig zu berühren, unser (heutiges) Glück sichtbarer zu machen & etwas zu ändern... zum Besseren!