Review

Neue Karten, neues Spiel.
Mit der Twilight-Reihe ist es, zumindest bisher, wie mit den ersten fünf Harry-Potter-Filmen, immer ein wenig Wundertüte, was der nächste Regisseur wohl ausrichten kann oder antun wird, was er oder sie wohl anstellt, mit dem jeweils nächsten Schmachtfetzen aus der Belletristikabteilung für Teenager, junge und alte Frauen und Freunde des übernatürlichen Gefühlschaos. Die schier endlos langgezogene Liebesgeschichte zwischen dem ewig im 18.Lebensjahr feststeckenden Vampir Edward Cullen und der jungen, etwas ungeschickten Bella Swan, die sich zwischen ihm und dem Wolfsgestaltwandler Jacob entscheiden muß, ist wahrhaftig nicht der Traum, aus dem die Drehbücher für Intelligenzia gemacht sind, es ist einfach eine klassische Dreiecksgeschichte im neuen Gewand, rund um die ewige Liebe, die Aufgabe des Menschseins und den generellen Triebverzicht bis zum passenden Zeitpunkt.

Gerade letzterer Punkt rückt mit dem dritten Band, "Eclipse" , in den Vordergrund. Haderten Mensch und Vampir schon vorher mit den Schwierigkeiten einer Beziehung, wird es jetzt allgegenwärtig: der Umwandlungstermin rückt näher und wird verstärkt diskutiert, als Austausch wird eine Hochzeit eingefordert, nicht eben das modernste Prinzip im Single-Zeitalter der Vielvögelei, sollte man meinen, und ja, es geht auch darum, daß endlich jemand seine Unschuld verlieren will.
Und selbst wenn dieses Thema nach erfolgtem Anschneiden gleich wieder bis zum vierten Teil verschoben wird, so ist es doch für den buchunkundigen Zuschauer praktisch eine Erlösung, daß jetzt mal praktisch gehandelt wird und die gewissen natürlichen Bedürfnisse mehr in den Vordergrund treten, anstatt die recht statische Gefühlszerrerei des mäßig geplotteten zweiten Buchs.

Sicherlich hatte Chris Weitz in Teil 2 einen Höllenjob, aus einem fast inhaltslosen Buch einen abendfüllenden Film zu machen und diesen dann auch noch mit Leben zu erfüllen, die akute Flachheit des Geschehens konnte er selbst mit etwas Witz nicht beseitigen, eher nur betonen.
David Slade, bisher mit seinen Filmen wesentlich diskutabler (der kontroverse "Hard Candy" und der mal geliebte, mal verachtete "30 Days of Night"), hat da ein leichteres Spiel bei seinem Blockbusterdebut.
Nicht nur geraten die Dinge endlich in Bewegung, er kann auch auf ein paar Plot Points mehr bauen: eine Vampirarmee, die auf die Cullens angesetzt wird, die temporäre Überwindung des Wolf-Vampir-Konflikts, Bewegung in der Love-Story und schlußendlich geht Bella ihrem Edward endlich mal an die Bluse.
Das ist immer noch nicht wirklich viel, aber was soll man machen, wenn man einen Erfolgsroman vorliegen hat, der jederfrau in Flammen gesetzt hat, der aber substanziell nicht mit seiner Seitenzahl korreliert.
Immerhin, Melissa Rosenberg, die Autoren aller Filme, wägt diesmal die Elemente immerhin passgenau ab, verteilt die Spielanteile erfreulich auf die wichtigen und interessanteren Charaktere wie die einzelnen Cullen-Familienmitglieder, die in den vorherigen Filmen (bis auf Alice) vernachlässigt wurden. Dafür reduziert sie die Auftritte der Mitschüler auf ein redundantes Minimum und fokussiert auf Billy Burke als Bellas Vater cum Stadtsheriff für die "funny bits", die launig-witzigen Kommentare zur ungewollten Beziehung ohne genaue Kenntnisse. Außerdem ist man sich der wohl teilweise ins Lächerliche abdriftenden In-your-Face-Symbolik des zweiten Films bewußt geworden, die geradezu albernen Präsentationen der Gestaltwandler mit nackt-haarlosem Oberkörper werden jetzt schon von den Filmfiguren ironisiert, wenn Edward Bella ins Ohr knurrt, ob sich der obenrum mal wieder nackte Jacob kein T-Shirt leisten könnte.

Zum Glück läßt man es nicht ganz zur Parodie kommen - das Material ist per se eigentlich schon seine eigene Parodie in der zugrunde liegenden Ernsthaftigkeit - sondern fokussiert tatsächlich auf so viel Plot wie man sich erlauben kann, ohne die Buchkenner zu verprellen.
Slade nutzt diese Möglichkeiten im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern mit Bedacht und Geschick: er beweist Sicherheit im dramatischen Aufbau, läßt mehr Schnitte zu, inszeniert die Massenszenen im Zusammenspiel mit den FX-Designern mit sicherer Hand und läßt so die große Schmalzwelle gar nicht erst aufkommen. Bella ist inzwischen aktiver geworden, Kristen Stewart darf also nicht mehr ganz so dauerhaft vor sich hinstarren und auf ihren Lippen rumlecken und rumkauen, Edward wird etwas aktiver und gesprächiger (wenn er auch, und das ist der gewisse Makel, den auch der dritte Teil nicht überwinden kann, wenig wirkliches Charisma über seinen Anblick hinaus entwickeln kann) und je länger der Film dauert, desto weniger aufgesetzt und gewollt wirken die verbissenen Liebesbemühungen von Jacob, dessen Darsteller Taylor Lautner bei weitem immer noch keine zufriedene darstellerische Leistung abrufen kann, aber auch nicht mehr ganz so dolle stört.

Daß im Plot eine ganz fiese Racheverschwörung der (gegenüber Teil 1 und 2) neubesetzten Vampirin Victoria (Bryce Dallas Howard ersetzt erfreulich solide Rachel Lefevre) drin ist, geht zwar über weite Strecken im Beziehungskampf etwas unter, aber kleine Einschübe erinnern dankbar daran, daß dies nicht eine beliebige Soap-Opera-Folge sein soll (wenngleich sie das inhaltlich natürlich ist).
Zum Ende dann, wenn die beiden Armeen aufeinander treffen, geht man sogar ans Eingemachte (an diesem Punkt wirkt das Geschehen dann wirklich eine Reduktion einer kompletten Buffy-Staffel auf einen Film) und es gibt deftig Kauen und Reißen zu sehen, wobei man das Blut zugunsten eines PG-13-Ratings wohl entsorgt hat, stattdessen zerklumpt man die Vampire, indem man ihnen Kopf und Glieder abbeißt, was zumeist etwas zurückläßt, was wie zersplitterte Wachs- oder Gipspuppen aussieht.
Immerhin: Twilight wird endlich etwas graphischer.

Was im Gedächtnis sonst noch bleibt, ist die unter Fans wohl meist besprochene Szene im verschneiten Gebirge, als Bella auf der Flucht mit Edward zeltet und ein einsetzender Schneesturm es notwendig macht, daß der eintreffende (und natürlich obenrum textilbefreite) Jacob Bella in ihrem Schlafsack wärmt, da Edward ja keine Körperwärme mehr besitzt.
Das Gespräch zwischen den Rivalen hat dann auch den Verve und die Spritzigkeit, den die hoffnungslos puritanische Serie sonst so herunterzieht, auch wenn sich die Fans daran wohl nicht stören.

Im Gegenteil, die Fanmassen werden (und sollten) gerade mit diesem Serienbeitrag ihren Spaß haben, denn ob es wirklich noch viel besser wird, ist fraglich, allerdings soll ja angeblich der vierte Teil Stoff genug haben, daß es jetzt doch für zwei Teile reicht - ob das nicht wieder die dramaturgisch gegenteilige Wirkung der ersten zwei Filme haben wird, kann ab sofort diskutiert werden.
Generell hat David Slade mit seinem Team das Beste aus der Zitrone herausgepreßt, ein ansprechender und ansehnlicher Film, der natürlich inhaltlich kein Klassiker ist, aber dennoch einige Stufen über den üblicherweise noch dämlicheren Sommerblockbustern hockt und sich selbst genug ist - und der damit endlich die Auszeichnung gewinnt, auch von Nicht-Fans ohne arges Bauchgrimmen gesehen werden zu können. Liebe, Krieg, Heirat und Sex erst nach der Hochzeit, dank "Eclipse" werden Hollywoods 40er-Jahre im moralischen Sinne wohl wieder gesellschaftsfähig. (6,5/10)

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