„Sie ist 'ne Glücksfotze!“
Für die 2010 erschiene Liebeskomödie „Immer Drama um Tamara“ setzte der britische Regisseur Stephen Frears („Mein wunderbarer Waschsalon“, „High Fidelity“) ein Drehbuch Moira Buffinis um, die die Comicreihe „Tamara Drewe“, 2005 bis 2006 in der Tageszeitung „Guardian“ veröffentlicht, adaptiert hatte. Die Comics wiederum basieren auf Thomas Hardys Roman „Am grünen Rand der Welt“. Ich kenne weder Roman noch Comics, wurde also durch Frears Verfilmung erstmals mit Tamara Drewe konfrontiert.
„Ich fühl‘ mich wie jemand, der soeben einen gigantischen Stuhlgang hatte!“
Im beschaulichen Ewedon im Südwesten Englands unterhalten der eingebildete und notorisch fremdgehende Krimi-Autor Nicholas (Roger Allam, „V wie Vendetta“) und seine treuherzige Frau Beth (Tamsin Greig, „Shaun of the Dead“) eine Schreibfarm für ausgebrannte Schriftsteller, die dort ihre Schreibblockaden zu überwinden versuchen. Während er den Erfolgsautor heraushängen und sich von seinen Fans Honig um den Bart schmieren lässt, schmeißt Beth den Laden zusammen mit Andy Cobb (Luke Evans, „Sex & Drugs & Rock & Roll“), dessen Geburtshaus direkt nebenan liegt. Dieses gehört den Drewes, mit deren Tochter Tamara (Gemma Arterton, „Ein Quantum Trost“) er in Jugendzeiten mal etwas hatte, die jedoch wegen ihrer ungewöhnlich großen Nase häufiges Ziel von Spott war. Eines Tages kehrt Tamara, mittlerweile angesehene Journalistin, nach Ewedon zurück, um das Anwesen zu verkaufen – und verdreht allen Männern den Kopf: Nach einer Nasen-OP und allgemein sehr vorteilhaften körperlichen Entwicklung ist sie äußerlich vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan gereift, eine für sie neue Rolle, die sie noch nicht so recht auszufüllen versteht. Schnell ist Andy wieder Feuer und Flamme für sie, doch Tamara lässt sich lieber mit dem Indierock-Drummer Ben (Dominic Cooper, „Mamma Mia!“) ein – sehr zur Unbill der beiden Backfische Jody (Jessica Barden, „Wer ist Hanna?“) und Casey (Charlotte Christie, „Underworld“), die ebenfalls für Ben schwärmen und heimlich die Beziehung zu torpedieren beginnen…
Frears vermengt typische Romantic-Comedy-Motive mit britischem Humor, persifliert entsprechend leicht bösartig Schriftsteller und ihre Egos und entspinnt eine Provinzposse voller schräger Charaktere. Zu einem Spiel mit den Klischees gerät auch Tamaras Einführung in den bunten Reigen, als sie sich ihrer Außenwirkung offenbar noch gar nicht bewusst ist und sich daher anders als erwartet verhält. Weniger als um Schriftstellerei dreht es sich schließlich vielmehr um Liebschaften und Sex. Im Anschluss an einen Live-Gig der Indieband Swipe interviewt Tamara Drummer Ben und landet anschließend mit ihm im Bett; ein Zeitsprung zum Herbst zeigt, dass sie mittlerweile mit ihm liiert ist und sich sogar mit ihm verlobt. Damit hadert Andy, der daraufhin mit der so oft von ihrem Mann enttäuschten Beth eine sexuelle Affäre beginnt. Gemessen an seinem Inhalt gibt sich „Immer Drama um Tamara“ aber erstaunlich zugeknöpft und vernachlässigt sein erotisches Potential.
Die Handlung gewinnt durchs Hinzustoßen der beiden Jugendlichen Stalkerinnen, die inkognito versuchen, Tamara und Ben auseinanderzubringen. Die beiden Schauspielerinnen in ihren Rollen als verhinderte Groupies sind eine Wonne und ziehen übertriebenen Starkult sowie naive Teenager-Schwärmereien durch den Kakao. Nach einem weiteren Zeitsprung zum Winter endet alles im Chaos und geht den Bach runter, auch eine Kuh-Stampede (!) und Tote sind zu beklagen. Leider kann sich der Film nie so ganz entscheiden, ob er nun eine Liebeskomödie sein oder ob er dieses Subgenre generell persiflieren will. So muten die Handlung streckenweise absurd und der Humor bescheuert an, worunter der Filmgenuss leidet und wogegen die eigentlich sehr guten Schauspielerinnen und Schauspieler nicht mehr anspielen können. Seinen vielleicht gelungensten Moment hat „Immer Drama um Tamara“ gegen Ende, als Nachstellerin Jody erwischt wird, herrlich bedröppelt dreinschaut und als finale Pointe mit ihrem weinenden Schwarm fürs Foto posiert, womit sie die Generation Instagram vorwegnimmt.
Zu einem hörenswerten Punksong Coopers wird im Abspann in knappen Texttafeln erläutert, was aus den einzelnen Figuren geworden ist. Damit endet ein Film, der stilistisch zu sehr zwischen den Stühlen sitzt und meinen Nerv nicht wirklich getroffen hat, aber für einige Schmunzler und die leichte Muse gut ist.