Im Filmtitel "Biutiful" verbirgt sich schon Alejandro González Iñárritu's Intention - die Zusammensetzung der Buchstaben und damit die Reinheit des Schriftbilds sind gestört, aber die Schönheit bleibt darin immer noch sichtbar.
Das Gleiche gilt auch für das Leben des Uxbal (Javier Bardem), der in einem Viertel Barcelonas lebt, dass etwas abseits der Tourismus-Meilen und Architektur-Denkmale liegt. Manchmal sieht man im Hintergrund Antoni Gaudis "Sagrada Família", aber diese bleibt ebenso schemenhaft, wie alles Bunte und Fröhliche, dass an Uxbal vorbei zieht. Dabei wirkt der große, kräftige Mann, der sich sprachlich problemlos durchsetzen kann, voller Tatendrang, aber seine Aktivitäten halten nur den Zustand am Rand des Niedergangs in der Schwebe, um so seinen Kindern Ana (Hanaa Bouchaib) und Matteo ein wenig das Gefühl eines geordneten Lebens zu geben. Belastet wird dieses Empfinden durch deren manisch-depressive Mutter Marambra (Maricel Álvarez), von der sich Uxbal scheiden ließ, weil deren ständige Übersprungshandlungen, Alkoholismus und Sex-Affären das Familienleben zu zerstören drohten.
Während seine Kinder deshalb nach der Schule bei einer chinesischen Mutter und deren Baby unterkommen, geht Uxbal seinen Geschäften nach. Er organisiert den Verkauf gefälschter Ware durch illegal eingewanderte Afrikaner, indem er einen Polizeibeamten schmiert und mit einem chinesischen Geschäftsmann zusammen arbeitet. Dieser beherbergt in einem Kellerraum eine große Zahl seiner Landsleute, die ebenfalls keine Aufenthaltsgenehmigung haben, und für einen Hungerlohn die Ware herstellen müssen. Doch die Geschäfte laufen schlecht, weshalb sie zunehmend dazu übergehen, die chinesischen Männer als Schwarzarbeiter auf einer Baustelle einzuschleusen.
Es ist Uxbals ruhiger, im Herzen freundlicher Art zu verdanken, dass trotz dieser Äußerlichkeiten keinen Moment der Eindruck entsteht, es mit einem kriminellen oder gar schlechten Menschen zu tun zu haben. Im Gegenteil spürt man nicht nur seine innige Liebe zu seinen Kindern, sondern auch seine Fürsorgepflicht und Verantwortungsgefühl für die Menschen, die unter seiner Obhut arbeiten. Obwohl er dafür Geld nimmt, scheint er gleichzeitig darunter zu leiden - anders als sein Bruder Tito (Eduard Fernández), der dabei ebenso kräftig mitmischt und dessen rassistische Haltung und Arroganz jederzeit spürbar wird. Selbst sein Kontakt mit den Toten, von denen er an deren Sterbebett noch Informationen für ihre Verwandten aufnehmen kann, womit er sich etwas dazu verdient, wirkt bei ihm nicht wie Scharlatanerie. Im Grunde ist Uxbal, trotz seiner 40 Jahre, immer noch ein Suchender, der eine Lösung aus diesem Dilemma finden will, aber der Film macht von Anfang an klar, dass es dafür zu spät ist. Schon in einer der ersten Szenen wird ihm mitgeteilt, dass er an Hodenkrebs im fortgeschrittenen Stadium leidet und nur noch kurze Zeit zu Leben hat.
"Biutiful" wird damit scheinbar zu einem Film über das Sterben, dass ab sofort über jeder Aktion Uxbals schwebt, mit der er noch versucht, die Dinge vor seinem Ableben ein wenig in Ordnung zu bringen. Doch tatsächlich ging es Regisseur und Autor Alejandro González Iñárritu um das Leben und dessen Schönheit, die sich auch noch in den finstersten Momenten zeigt - sei es durch eine zärtliche Geste des Vater zu seinen Kindern, den verzweifelten Versuch die Verhaftung eines Afrikaners zu verhindern oder die gegenseitige Liebe zwischen ihm und seiner Frau, auch wenn diese keine Chance in der Realität hat. In dieser Konstellation verbergen sich die stärksten Momente des Films, großartig von der argentinischen Tänzerin Maricel Álvarez in ihrer ersten Filmrolle getragen, die sich auszubrechen traut, sich in Extreme zu winden vermag, in denen man noch die Sehnsucht nach Normalität spürt. Nie ist sie wirklich im Leben, aber auch nie ganz weg.
Es fällt schwer, einen Film zu kritisieren, dessen künstlerischer Gestus jederzeit zu spüren ist, der von einem Javier Bardem getragen wird, der jeden Moment souverän bewältigt, und dem doch der letzte konsequente Mut fehlt, obwohl er sein Publikum so deutlich mit Tod und Niedergang konfrontiert. Vielleicht liegt darin der Grund, warum sich Iñárritu um eine Ausgewogenheit bemühte, die zu sehr im Außenraum bleibt. Die Anzahl der tragischen Ereignisse, die vielen Toten, die im weiteren Verlauf des Films noch hinzu kommen, wären nicht notwendig gewesen und erzeugen eher eine Gewöhnung, als eine Steigerung der Dramatik. Das Leben des Uxbal in diesem Viertel Barcelonas, seine Krankheit, vielleicht schon ein Blick in sein Gesicht hätten genügt, um die Tragik, aber auch die Schönheit dahinter zu empfinden, aber der Film füttert seine sehr lange Laufzeit mit weiteren Ereignissen, die ein wenig wie Ablenkung wirken.
Diese Vorgehensweise wäre legitim und höchstens eine Randbemerkung wert, wenn nicht ausgerechnet die Hauptfigur, der Mensch, dessen Leiden bis zu seinem Tod der Film schildert, die charakterlich oberflächlichste bliebe. Iñárritu begeht hier den Fehler, den vielen Ereignissen im Außenraum eine stoische Figur gegenüber zu stellen, die in ihren Empfindungen immer gleich bleibt. Anders als seine Ex-Frau oder sein Bruder, der chinesische Geschäftsmann oder der bestechliche Polizist, bleibt Uxbal geradezu ein Muster an Anständigkeit, das seine seltenen emotionalen Ausbrüche unmittelbar danach wieder gut macht und trotz aller Schicksalsschläge nie die innere Ruhe verliert. Vielleicht ist dieser Fels in der Brandung notwendig, um den Film überhaupt ertragen zu können, denn bei den Dingen, die um ihn herum geschehen, geht der Film keine Kompromisse ein, versucht nichts zu schönen.
Das macht sicherlich betroffen, aber es nimmt der Hauptfigur die intensive Möglichkeit zur Identifikation, weshalb dieser prinzipiell sehr gute Film immer einen gewissen Abstand wahrt, ihn mit der Zahl der Ereignisse eher vergrößert und letztlich nicht wirklich berühren kann (7/10).