Eine Werbung für die titelgebende Kanaren-Insel stellen die gefälligen Landschaftsaufnahmen in jeder Hinsicht dar, nur storytechnisch kommen die Bewohner nicht wirklich gut weg.
Das Debüt des Spaniers Gabe Ibanez entfaltet sich ohnehin als eher ambivalent, denn so intensiv man mit der Hauptfigur leidet, so scheitert der finale Twist ein wenig an seiner Vorhersehbarkeit.
Maria (Elena Anaya) und ihr fünfjähriger Sohn Diego befinden sich auf der Fähre, um auf El Hierro ein wenig Urlaub zu genießen. Doch während der Überfahrt nickt Maria kurz ein, danach ist Diego spurlos verschwunden.
Einige Zeit später wird sie zur Identifizierung eines Leichnams erneut auf die Insel gerufen, doch das Kind ist nicht Diego. Derweil forscht Maria weiter auf El Hierro nach und kommt auf die Spur eines einsam gelegenen Wohnmobils…
Etwas verwirrend gestaltet sich zunächst der Einstieg, welcher eine ganz andere Frau mit ihrem Sohn bei einem Autounfall zeigt. Die Frau wacht schwer verletzt auf, doch ihr Sohn ist unauffindbar. Erst später begegnet Maria jener Frau, deren Sohn bis heute vermisst wird.
Mit Hauptfigur Maria sympathisiert man von vornherein, denn der Verlust des eigenen Kindes offenbart sich auch hier als alptraumhafte Odyssee, zumal das liebevolle Verhältnis zueinander mit wenigen Szenen auf den Punkt gebracht wurde.
Es ist jedoch auch Elena Anaya zu verdanken, dass ihr intensives Spiel zu jeder Zeit überzeugen kann und ihr angedeutetes Trauma genauso glaubhaft transportiert wird, wie die verzweifelte Suche nach Diego und der damit einhergehende Realitätsverlust.
Denn trotz der überaus ruhigen Erzählweise und den zuweilen etwas zu ausschweifenden Landschaftsaufnahmen werden regelmäßig kleine Mysterien eingewoben wie ziehende Vogelschwärme, plötzliches Nasenbluten und Ohnmacht oder spielende Kinder, die von hinten nicht von ungefähr wie Diego aussehen.
Wasser ist ein immer wiederkehrendes Stilelement, was gleichermaßen das Trauma Marias symbolisiert und am Ende einen Teil der Auflösung darstellt.
So versteckt man sich auf der Ladefläche eines Jeeps, macht am Strand eine merkwürdige Entdeckung, sucht im Gewächshaus nach einem Ansprechpartner und misstraut dem ermittelnden Polizisten, der in seiner Wortkargheit etwas zu verheimlichen scheint.
Insgesamt ist die erste Hälfte deutlich stärker als der weitere Verlauf ausgefallen, denn zu Beginn ist man genauso unwissend wie Maria. Später werden Hinweise jedoch zu deutlich gestreut und auch wenn es im letzten Drittel noch zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommt und das Tempo merklich ansteigt, weiß der Twist kaum zu überraschen, er wirkt am Ende gar ein wenig konstruiert.
Dennoch hinterlässt der Streifen einen leicht überdurchschnittlichen Eindruck, was primär an den überzeugenden darstellerischen Leistungen, dem Score und den visuellen Aspekten liegt.
Die Geschichte wird zwar nicht immer konsequent erzählt und verstrickt sich bisweilen in unnötige Metaphern, doch trotz des eher vertraut erscheinenden Twists ergibt sich final ein recht rundes Bild, deren Inhalt obgleich einiger Mängel zu unterhalten weiß.
6 von 10