Review
von Cineast18
Hassan ist Rapper, Breakdancer, angehender Schriftsteller, ehrenamtlicher Trainer in einem Jugendzentrum in Berlin Neukölln - und Mitglied einer Familie, die bis zum heutigen Tag von den deutschen Behörden nur geduldet wird und jederzeit wieder abgeschoben werden könnte.
Die Dokumentarfilmer Agostino Imondi und Dietmar Ratsch begleiteten die Familie Akkouch über einen Zeitraum von drei Jahren in ihrem Bestreben, endlich anerkannte deutsche Staatsbürger zu werden. Die Eltern waren vor vielen Jahren aus dem Libanon eingereist, einige der Kinder sind in Deutschland geboren, die gesamte Familie ist voll integriert und führt ein ehrliches, strebsames Leben. Dennoch legt ihnen die Einwanderungsbehörde jeden nur erdenklichen Stein in den Weg.
"Neukölln Unlimited" wirft einen kritischen, aufrüttelnden Blick auf die deutsche Ausländerpolitik, in der Menschenleben zu Zahlen und Daten auf Papier degradiert und unter oft fadenscheinigen Begründungen in Länder zurückgeschickt werden, mit denen sie nicht das Geringste zu tun haben. Dennoch ist er kein Politfilm: Die Filmemacher bleiben stets nah an der Familie, zeigen ihre persönlichen Probleme im Alltag, geben ihnen Raum zum Ausdruck ihrer Gefühle, Wünsche und Hoffnungen. Ohne begleitenden Kommentar entfaltet sich Stück für Stück das komplexe Leben der Protagonisten, oft sind bildfüllende Einstellungen ihrer Gesichter zu sehen. Das macht den Film zu einem sehr persönlichen Bericht über die Familie, der die politische Problematik eher am Rande, beinahe wie zufällig aufgreift. Und doch liegt gerade darin der Clou: Hier stellt sich niemand hin und deutet mit dem Zeigefinger auf die bösen Politiker und Beamten und die Missstände, die sie heraufbeschwören; in der intimen Darstellung der Familie liegt der Reiz für den Zuschauer, sich selbst seinen Gedanken darüber hinzugeben, was die fehlgeleitete Einwanderungspolitik für die betroffenen Menschen bedeutet.
Auch formal kann sich "Neukölln Unlimited" auf höchstem Niveau behaupten: Die schnelle Schnittfolge und ausdrucksstarke Musik (teilweise von Hassan Akkouch selbst stammend) verleihen dem Film eine unglaubliche Energie, die den Zuschauer mit sich reißt und ihm an manchen Stellen schier den Atem raubt. Melancholie und Lebensfreude, Wut und Glück wechseln sich so natürlich ab, gehen so fließend ineinander über, wie man es nur sehr selten in Filmen, egal ob Dokumentar- oder Spielfilm, erlebt. Hier werden kleine alltägliche Augenblicke des Friedens gewürdigt, um im nächsten Moment Platz zu machen für Bilder einer wütenden Demonstration gegen die deutsche Politik, die es so vielen Menschen so schwer macht. Das ist großes, aufrüttelndes, emotionales Kino.
Imondi und Ratsch ist der Spagat zwischen ernster Information und packender Unterhaltung beinahe perfekt gelungen. Ihr Film über ein immer noch aktuelles und akutes Thema dürfte einer der besten Dokumentarfilme des Jahres 2010 sein. Und vielleicht öffnet er ja dem einen oder anderen Zuschauer die Augen für die wahren Verhältnisse, in die unsere bürokratisierte Politik die Menschen in Deutschland zu treiben vermag.