White Storm ist eine Vortäuschung von Tatsachen.
Dem Unterschied von dem, wonach es aussieht und das, was es in Wahrheit ist.
Der Trailer hat wie so oft gelogen. In ihm wurden 2min lang alle verfügbaren money shots aneinandergereiht; die Werbung lockte in die Irre und hatte nachher das Problem, dass darüberhinaus noch 90min unsäglicher Film überbleiben. Beschweren über die Methodik kann man sich auch nicht, zumindest bringt ein nachfolgendes Entrüstungsgewitter wenig, wenn der Geldbeutel bereits geschröpft wurde.
Die Mogelpackung fängt auch noch genau mit dem an, was in der Vorschau am Vielversprechendsten aussah:
Ein kleines Dorf aus Holzbauten an einem beschaulichen Teich. Man befindet sich im Goldenen Dreieck, zwar nur 20km von der Grenze entfernt, aber dennoch weitab vom Schuss. Drogen werden gleich säckeweise verladen. Eine Eliteeinheit in Armeekleidung pirscht sich durch das Schilf heran und stürmt den Umschlageplatz. Eine ausgiebige Schiesserei entbrennt, HK – typisch, mit vielen Verrenkungen und Bewegungen; die man so üblicherweise nicht machen würde, wenn man unter scharfen Beschuss steht. Dennoch schön übersichtlich gefilmt und beinahe den Ausdruck der 80er Jahrer Actioner erreichend; zusätzlich werden farbenfrohe Grossexplosionen in entsprechender Würdigung eingebracht. Man erdreistet sich nicht einmal, die Aufnahme eines entzündeten Feuerballes in den Hintergrund der siegreich abziehenden Einheit in Zeitlupe einzuspeisen.
10min Film, die für lange Zeit die einzigen guten Szenen im Film sind; am Ende sollen noch einmal 10min folgen.
Viel zuwenig.
Regisseur Billy Chan Wui – ngai war bereits in den glorreichen 80ern aktiv und hat mit New Mr Vampire, Code of Honour, No Compromise, vor allem License to Steal und vielleicht auch noch All Men Are Brothers : Blood of the Leopard für doch schon bekanntere Arbeiten gesorgt. Zwar nicht so, dass man ihn als aussergewöhnliches Talent auf ein Podest stellen würden, aber er ist Jemand, der zumindest sein Handwerk versteht und mit Produktionsmitteln umgehen kann. Hier hat er zwar kein wirklich voluminöses Budget zur Hand, aber er kann der Optik den Anschein von wesentlich Mehr verleihen. Für einige wenige Minuten. So sehen die Drehorte in China schon mal eindeutig vermögender aus als beispielsweise die bereits geographisch nach Armut schreienden Schauplätze auf den Philippinen; deswegen kann er mal die Totale oder gar die Extreme Totale einfügen und die Wertigkeiten hervorheben. Auch bezüglich der Wohnungen springt einem die Geldnot nicht gleich sofort ins Auge; das Heim von Bad Guy Brother Ho Chi Fai [ Roy Cheung ] ist zwar mehr ein prunkvolles Reihenhaus auf gepflegten Rasengrundstück gesetzt statt einer Villa, aber zumindest ist es prunkvoll. Auch die Innenausstattung macht nicht prompt den Eindruck, als hätte man den örtlichen Schrottplatz auf der Suche nach Kulissen geplündert, sondern verhält sich einem lokalen Drogenpaten entsprechend standesgemäss. Grundweg sprechen die Bilder damit eine andere Sprache als die dürftigen Dialoge und Geschehnisse. Chan hat nämlich nicht viel zu zeigen, so dass alle Blau/Grünfilter und kontrastreich - glasklare Einstellungen nicht darüber hinweghelfen, dass nicht nur nichts Gescheites passiert, sondern gleich fast gar nichts. Ähnlich wie beim zeitgleichen Cold War ist nur die Ummantelung edel und darunter keine Fütterung vorhanden; sogar die Inhaltsangabe verarscht den Zuschauer mit einer vermeintlich soliden Handlung:
Die Eliteeinheit gehörte zu Betty [ Grace Lam ] und Dog [ Karel Wong ], die für einen Drogenhändler die gegnerische Gang überfallen haben. Nun wollen sie den erbeuteten Stoff nach Nanjiang zu Brother Ho in dessen neu eröffneten Nachtclub bringen, um das grosse Geld zu verdienen. Doch der Mann vom Zoll, Captain Chiang Pang [ Danny Lee ], steht mit Argusaugen schützend an der Grenze.
Problem – Lösung. Eigentlich nicht so schwer, daraus etwas zu stricken, was mit genug Action, Spannung und vielleicht etwas Talent angereichert wenigstens einen Durchschnittfilm ergeben sollte; im Jahre 2000 hat man auf dem B – Sektor eh nicht mehr allzu viel erwartet. Auch die Besetzung dafür würde in sich stimmig sein; viele Veteranen, die immerhin als zuverlässige Akteure bekannt sind. Die Hoffnungen werden aber nicht erfüllt, sondern noch eine Handbreit unter dem Mindestmass an Erträglichen gedrückt. Enttäuschung macht sich nach dem knackigen Opener und dessen vollmundigen Versprechen zwar nicht allzu schnell, aber dann unwiderbringlich breit. Es geht gar nicht um die Drogengeschäfte; jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man daraus Aufregung, Erregung und Tempo bezieht. Autor Hui Kong-shun versucht doch tatsächlich, das Adrenalin über diverse Familienangelenheiten zu erwirtschaften.
Dazu bündelt er einen Haufen Zufälle zusammen und verkauft damit seine schmalzig – tranige Geschichte von Trennungen, Weglaufen, Adoptionen, Zusammenfinden, Zusammenleben sowie Erkenntnissen, die erst 20 Jahre später aus heiterem Himmel auftauchen und nicht nur deswegen weder interessieren noch sonst wie überzeugen können.
Man stelle sich vor, dass zwei Kinder im Vorschulalter von ihren Eltern abhauen und / oder entführt werden – so richtig deutlich wurde es nicht – und sich die beiden kleinen Zwillinge auch auf verschiedene Wege begeben. Das Mädchen kommt bei einem Drogenboss unter und leitet später dessen Geschäfte >>> Betty; als der Junge aufgewachsen ist, hat er einen Social Security Officer als älteren Bruder >>> Chiang Pangs Partner. Natürlich treffen sie sich gerade jetzt wieder, als der Heroindeal über die Runden gehen soll. Kann man vielleicht noch hinnehmen, aber dass später auch noch Herr Papa auf der Suche nach seinen verlorenen Kindern auftaucht und unwissentlich von Allem für die Übergabe benutzt wird, ist dann doch zu blöde.
Schlimmer noch, es verzögert abrupt den fliegenden Start und legt tempomässig beinahe den Rückwärtsgang ein; ausserdem scheint ständig das Gleiche abzulaufen. Der nunmehrige Greis zeigt allen das vergilbte Foto herum und fragt sich durch; selbst seine Frau – die ebenfalls unwissend bei dem damaligen Entführer arbeitet ! Nein ! – ist schon genervt.
Dem Zuschauer gehts ähnlich, wenn nicht sogar schlimmer, will er das doch überhaupt nicht sehen und erkennt er die Fakten bereits in wenigen Minuten. Darf sich dann aber dem permanenten Wiederholen von Fragen und Antworten ergeben und bekommt dadurch die gesamte Zeit ein retardierendes pro familia Moment vorgesetzt.
Am Ende wird sich noch einmal geprügelt; in / an / auf einen Zug und auch diese Szenen wurden zur Genüge im Trailer ausgeschlachtet. Kein Wunder, bewegt man sich hier auch mal in höheren Ebenen, aber im Gegensatz zum Anfang ist die Luft nun bereits raus und es rettet nichts mehr.
Aber wahrscheinlich weiss man es beim nächsten Mal auch nicht besser, nur weil jetzt alle Ampeln auf Rot sind.