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Auch in "Going the distance" gibt es diesen spezifischen Moment, ohne den eine RomCom nach Hollywood - Muster nicht auszukommen in der Lage zu sein scheint. Nach einem Disput kehrt die Frau/der Mann, zur Versöhnung bereit, wieder in die Wohnung der Frau/des Mannes zurück - und erblickt eine(n) leicht derangierte(n), wenig bekleidete(n) Frau (Mann), die(der) ins Bad rennt. Welche Optionen hat sie/er in diesem Moment?

1. Wegrennen, ohne den Verdächtigten noch einmal zur Rede zu stellen
2. In Tränen ausbrechen (weiblich) oder sich mit seinen Kumpels dem Suff hingeben (männlich) - am besten beides zusammen.

Natürlich ist jedem Betrachter sofort klar, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann, aber in der Regel bedarf es Tage, manchmal Monate, bis der zu Unrecht verdächtigte, die Sache richtig stellen kann, aber das stört die Macher von RomComs nicht, die vor keiner noch so konstruierten Situation zurück schrecken, um irgendein Beziehungsdrama zu behaupten.

In „Going the distance“ dauert dieser Moment nur wenige Sekunden, bis die kurz aufgebrachte Erin (Drew Barrymore) erfährt, dass die junge Frau mit Dan (Charlie Day), dem Mitbewohner ihres Freundes Garrett (Justin Long), die Nacht verbrachte. Der bekommt davon entsprechend nichts mit, aber daran lässt sich das eigentliche Problem des Films festmachen. Ständig drängen sich Vergleiche zu den unzähligen RomComs der letzten Jahre auf, vermutet man im nächsten Moment die typische Wendung oder ahnt schon den an den Haaren herbei gezogenen Schicksalsschlag. Dabei geschieht nichts dergleichen, was angesichts des Beginns des Films logisch erscheint, denn normale RomComs wären bei diesem Storyaufbau spätestens nach 10 Minuten zu Ende.

Als Garrett gerade seine kurz zuvor beendete Beziehung mit seinen besten Freunden in einer Bar ausdiskutiert, lernt er Erin kennen, die bei einer renommierten New Yorker Zeitung ein Praktikum macht. Sie verstehen sich gut und landen gemeinsam im Bett. Aus einer solchen Konstellation strickt Hollywood gerne Legenden, über Paare, die sich danach aus den Augen verlieren, natürlich niemals vergessen, um sich dann nach Jahren der Verzehrung wieder zu finden. Nichts davon bei Erin und Garrett, die einfach gemeinsam zum Frühstücken gehen - und da weiter machen, wo sie zuvor aufgehört hatten. Aber natürlich gibt es auch hier einen kleinen Wermutstropfen – Erin verlässt nach dem Ende ihres Praktikums wieder New York, um in ihre Heimatstadt San Francisco, bekanntlich am anderen Ende der USA, zurück zu kehren.

Meistens lernen sich in Hollywood-Filmen Paare am Vorabend, manchmal nur Minuten vor so einem Ereignis kennen, aber Erin und Garrett bleiben noch 6 Wochen. 6 Wochen ? – Das genügt in einer Standard - RomCom für mindestens zwei Hochzeiten, drei Schwangerschaften und ein frisch eingerichtetes Einfamilienwohnhaus. Stattdessen verbringen die Beiden ihre Zeit miteinander, die sie neben ihren Jobs haben, verlieben sich mehr ineinander als sie zuvor wollten und versuchen, ihre Beziehung trotz der großen Distanz aufrecht zu erhalten. Doch warum muss Erin eigentlich wieder nach San Francisco zurück? – Nur um ihr Studium zu beenden und um als Kellnerin etwas Geld zu verdienen ? – Für so etwas muss in Hollywood-Komödien der Begriff „Grund“ erst erfunden werden. In der Regel hat sie wenigstens ein zu pflegendes krankes Mütterchen in der Heimat, ein verheimlichtes Kind, dessen Vater unglücklich verstorben ist, oder ist in Wirklichkeit ganz reich, wovon sie einmal Abstand gewinnen wollte usw. usw. – doch Erin wohnt sogar noch bei ihrer älteren Schwester (Christina Applegate), gemeinsam mit deren Mann und kleiner Tochter, die ganz schön nerven kann. Wo bleibt denn da das liebende Frauenherz, dass seine Gefühle dadurch beweist, dass es sofort alles für den Mann aufgibt?

Wenn Erin und Garrett wenigstens noch schön neurotisch oder sonst irgendwie psychotisch wären, aber stattdessen sind sie erstaunlich normal, so wie sich der gesamte Film ernsthaft mit den Problemen eines Paars auseinandersetzt, dass seine Beziehung irgendwie über monatelange Trennungen weiter führen will, ohne deshalb gleich die eigenen Interessen aus den Augen zu verlieren. Natürlich ist das von leichter Hand inszeniert, versucht gar nicht erst künstlich zu dramatisieren, bleibt aber auch gelassen in den glücklichen Momenten. Für die komödiantischen Elemente sorgen größtenteils die Nebendarsteller, die aber trotz gewisser Skurrilitäten nicht übertrieben gestaltet sind, so wie der gesamte Film auf jeden zotigen Gag zu verzichten in der Lage ist. Man erkennt daran auch, wie eng Komik im Alltag verankert ist. Als Erin und Garrett, nachdem sie sich lange nicht gesehen hatten, auf dem Esstisch übereinander herfallen, vergessen sie für einen kurzen Moment, dass sie in dem Haus nicht allein sind, was zu einer peinlichen Situation führt. Doch selbst diese, im Gesamtkontext des Films etwas übertrieben geschilderte Situation, ist nicht nur vorstellbar, sondern wird auch von den Beteiligten ohne Zuspitzung ausgespielt.

„Going the distance“ – der Versuch der deutschen Übersetzer mit „Verrückt nach dir“ beweist es schon – wird kein großer Erfolg beschieden sein. Denn so gerne das Genre „RomCom“ mit seiner Vorhersehbarkeit, seiner reaktionären Sicht auf die Geschlechterrollen und den oft an den Haaren herbei gezogenen Konflikten kritisiert wird, so sehr hat man sich an diese Konstruktionen gewöhnt. „Going the distance“ vermittelt dagegen, zwar komisch und optimistisch, eine reale Situation, die vielen Paaren vertraut sein dürfte, erfüllt in seiner Unaufgeregtheit und Normalität aber nicht die geschürten Erwartungshaltungen. Wer es aber mit seiner Kritik an romantischen Komödien typischen Hollywood-Zuschnitts ernst meint, wird diesen Film mögen (8/10).

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