Review

Das Leben von Erica ist ein einziger Rausch, bestehend aus Partynächten, Alkohol und Sex mit fremden Männern. Erica lebt ein emotional verkrüppeltes Leben auf der Überholspur, immer auf der Suche nach wahrer Wärme. Als sie den schweigsamen und merkwürdig erscheinenden Nate kennenlernt, scheint sich in ihrem Leben zum ersten Mal ein wenig Hoffnung auf ein Dasein abseits der Trostlosigkeit abzuzeichnen. Doch es ist der Beginn eines Kreislaufes des Verderbens, aus dem niemand als Gewinner hervorgehen wird.


Schmerzhaftes Meisterwerk (Deadline Magazin)

Im Prinzip bräuchte man kein weiteres Wort über dieses Werk von Regisseur Simon Rumley verlieren, beschreiben doch diese beiden Worte nahezu perfekt einen Film, der eine aufwühlende und vor allem verstörende Wirkung auf den Zuschauer hinterlässt, die einen auch noch lange nach der Sichtung beschäftigt. Man muss diesen Film wirklich selbst gesehen haben, um die verschiedendsten Emotionen nachempfinden zu können, die hier mit ungeheurer Wucht auf einen einprasseln und gegen die man sich einfach nicht wehren kann. Im Prinzip kann man die Geschichte in drei große Kapitel einteilen, in denen die Hauptcharaktere Erica, Franki und Nate jeweils im Vordergrund stehen und je nach Kapitel einen kleineren oder größeren Anteil am verstörenden Szenario haben, das sich einem hier offenbart. Im Focus der Ereignisse steht eigentlich ein banaler One Night Stand, der allerdings im Nachhinein gesehen eine Kette von Ereignissen auslöst, die in einer wahren Orgie von Gewalt und Brutalität ausarten, die man zu Beginn der Story wirklich noch nicht einmal erahnen kann. Beginnt der Film doch wie ein Frauen-Drama, in dem man einen tieferen Eindruck in das Lotterleben von Erica (Amanda Fuller) erhaschen kann, deren Leben anscheinend lediglich aus Partys und Männerbekanntschaften besteht, die sie schon selbst nicht mehr zählen kann. Unweigerlich stellt man sich dabei die Frage, wie eine doch recht hübsche junge Frau so wenig Selbstwertgefühl an den Tag legen kann, da sie ziemlich offensichtlich noch nicht einmal Spaß an den ständigen Sex-Spielchen hat, was man eindeutig ihrem Gesichtsausdruck entnehmen kann.

Vielmehr entsteht beim Zuschauer das Gefühl, das sie alles einfach über sich ergehen lässt, ohne dabei auch nur den Ansatz von Gefühlen erkennen zu lassen. Diese treten erst auf, wenn ihr ein Mann wirklich nahe kommen möchte, denn echte Nähe kann Erica überhaupt nicht zulassen, was einen selbstverständlich eigene Vermutungen über die Gründe dafür anstellen lässt. Doch die Antwort darauf bekommt man erst in der zweiten Filmhälfte, als die junge Frau mit den Konsequenzen eines One Night Stands mit dem Rockmusiker Franki konfrontiert wird, der letztendlich dann auch der Auslöser für eine wahre Ereignis-Welle ist, die immer unaufhaltsamer über die Protagonisten der Geschichte hinwegschwappt und sie dabei förmlich wegspült. Nun muss man allerdings erst einmal wieder in die erste Filmhälfte zurückgehen, denn nach besagtem One Night Stand ist Franki (Marc Senter) für eine gewisse Zeitspanne aus dem Geschehen verschwunden, dafür tritt der anscheinend ruhige Nate (Noah Taylor) in Ericas Leben und ist anscheinend der erste Mann, der in ihr nicht nur eine Art Sexobjekt sieht, sondern wahres Interesse an ihrer Person zum Ausdruck bringt. Kann die junge Frau zu Beginn überhaupt nicht damit umgehen, so entwickelt sich mit der Zeit doch mehr zwischen den beiden und Nate will Erica eine wichtige Frage stellen.

An dieser Stelle tritt dann wieder die Figur des Franki in Erscheinung und Nate tritt erst wieder im letzten Drittel der Geschichte in Erscheinung. Das hört sich jetzt im ersten Moment eventuell etwas wirr und verstörend an, doch genau diese Drehweise von "Red White & Blue" ist es, die nach der Sichtung des gesamten Werkes einen Schuß Genialität erkennen lässt und dem Szenario seine enorme Wucht verleiht, die den Betrachter wie ein Schlag in die Magengrube trifft. Die verstörende Wirkung des Filmes wird auch noch zusätzlich durch die phasenweise wie abgehackt erscheinenden Schnittfolgen unterstützt, die den Eindruck aneinandergereihter Video-Clips erweckt, was zu Beginn noch etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen mag, im Endeffekt aber dafür Sorge trägt, das die Ereignisse ihre volle Kraft und Intensität entfalten entfalten können. Die volle Härte und Brutalität wird einem selbst erst ganz am Ende so richtig bewust und obwohl Simon Rumley bis auf wenige Ausnahmen fast gänzlich auf explizite Gewaltdarstellungen verzichtet, spielt sich insbesondere im Kopf des Zuschauers ein Szenario ab, das kaum härter hätte ausfallen können. Reicht doch zumeist lediglich die Andeutung diverser Aktionen vollkommen aus, um einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Doch auch Freunde visueller Härte kommen vor allem im letzten Drittel des Filmes auf ihre Kosten, was in den Taten von Nate zu begründen ist, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, um niemandem die Spannung zu nehmen.

"Red White & Blue" ist definitiv ein Film, auf den man sich wirklich einlassen muss, um die ganze Tragweite der Geschehnisse begreifen zu können. Die teilweise gewöhnungsbedürftige Drehweise des Werkes hinterlässt dabei eine verstörende Wirkung, die der Geschichte insgesamt aber sehr gut zu Gesicht steht und so überhaupt erst die ganze Intensität zum Vorschein bringt, die den Ereignissen beiwohnt. Zudem sind insbesondere die drei Hauptrollen brillant besetzt, denn Amanda Fuller, Marc Senter und Noah Taylor verkörpern ihre Charaktere mit einer Authenzität und Glaubwürdigkeit, die schon fast als erschreckend eingestuft werden kann. Doch selbst die Nebenrollen sind hier keinesfalls zu vernachlässigen, hat man doch auch dort genau die richtigen Darsteller verpflichtet, so das gerade die gesamte Darsteller-Riege diesem aussergewöhnlichen Drama ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückt. Insgesamt gesehen präsentiert sich dem Betrachter ein Film, der kaum eine verstörendere Wirkung erzielen könnte und in seiner Schluß-Sequenz seinen absoluten Höhepunkt erfährt. Beantwortet doch eine eher banale Szene in der Nate am Lagerfeuer sitzt und ein Foto betrachtet sämtliche noch offene Fragen und zeigt die ganze Tragweite der Tragödie auf, die sich hier in gut 100 Minuten Laufzeit abgespielt hat.


Fazit:


Störkanal ist ja mittlerweile bekannt dafür, das die Filme der Reihe einen gewissen Anspruch besitzen und nicht unbedingt im Mainstream-Bereich angesiedelt sind. Jedoch gab es bisher wohl kaum ein Werk aus der Reihe, das eine so extrem verstörende Wirkung auf den Zuschauer hinterlässt. An Intensität und Authenzität kaum zu überbieten, wird man mit einem Filmerlebnis der wirklich besonderen Art konfrontiert, das auch ohne explizite Gewaltdarstellungen einen Härtegrad entfaltet, den man schwerlich in Worte fassen kann. Auf jeden Fall aber handelt es sich um einen Film, den man unbedingt gesehen haben sollte, auch wenn man eine gewisse Zeit benötigt, um das Gesehene wieder aus den Klamotten zu schütteln.


9/10

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