Klassiker und populäre Filme der 1970er und 1980er erfuhren in den 2000ern und 2010ern Remakes, vor allem aus dem Horrorgenre, doch auch der prägende Martial-Arts-Jugendfilm „Karate Kid“ bekam anno 2010 eine Neufassung spendiert.
Daniel-san ist out, Dre Parker (Jaden Smith) ist in da House. Und weil dieses Remake in diversen Beziehungen einen draufsetzen muss, reicht ein popeliger Umzug nach Kalifornien nicht mehr aus, sondern es wird gleich der ganze Kontinent verlassen, als Dre mit Mutter Sherry (Taraji P. Henson) nach Peking zieht. Dort kann Regisseur Harald Zwart dann auch Panorama-Shots der Landschaften und Bauten Chinas huldigen, darunter sogar irgendwann eine Trainingseinheit auf der chinesischen Mauer. Das erklärt dann vielleicht auch, warum der neue „Karate Kid“ noch einmal 15 bis 20 Minuten länger als das Original ist und am Ende geschlagene 140 Minuten auf der Uhr hat – inhaltlich erzählt man nämlich ansonsten eine weitestgehend identische Story, mit gewissen Variationen und In-Jokes.
Dre wird nämlich wie dereinst Daniel mit der Faust ins Gesicht in der neuen Heimat begrüßt, weil er nett zu der Falschen ist. Aufgrund des Alters ist das Ganze zwar nur ein harmloser Spielplatzflirt mit der talentierten Nachwuchsgeigerin Meiying (Han Wenwen) und Bully Cheng (Wang Zhenwei) ist auch nicht deren Ex-Freund, sondern ein besitzergreifender Freund der Familie, aber das ist für Dre erstmal egal: In die Fresse ist eben in die Fresse, aus welchem Grund auch immer. Cheng ist ein Kung-Fu-Experte, gegen der Ami-Junge keine Schnitte sieht. Da der Rabauke auch im ortsansässigen Gym Musterschüler beim Training mit „Keine Gnade“-Credo ist, fällt die Option des Kampfkunsttrainings aus, als Dre von Cheng und seiner Crew in der Schule nun dauerhaft drangsaliert wird.
Als Dre mal wieder als Watschenheini für die Bully-Rasselbande dienen soll, bekommt er unerwartete Hilfe: Mr. Han (Jackie Chan), der Hausmeister aus seinem Apartmentkomplex, greift ein und erteilt den Schlägern eine Lektion. Als auch eine Audienz beim Lehrmeister der Rabauken keinen Erfolg erzielt, erklärt er sich Han bereit Dre in Kung Fu zu unterrichten…
Dass das neue Karate-Kind eigentlich ein Kung-Fu-Kind ist, pfiffen spätestens zum Filmstart die Spatzen von den Dächern, aber der Name musste wohl trotzdem bleiben, denn die Neuinterpretation kann ihre Vorlage nicht verstecken und erzählt den „Karate Kid“-Plot mit nur wenigen Variationen. Natürlich ist das eine modernisierte Variante, in der die Kampfszenen noch einen drauflegen müssen, in welcher der Umzug weiter und der Darsteller des Lehrmeisters bekannter ist, in der es nun anstelle von Eighties-Pop und Eighties-Rock zeitgenössische Pop- und Hip-Hop-Musik gibt, inklusive eines Abspannsongs, den Hauptdarsteller Jaden Smith gemeinsam mit Justin Bieber singt. Da mag mancher altgediente Fan des Originals die Nase rümpfen, doch auch der 1984er Film war für seine Zeit durchaus modern. Nicht nur in Sachen Casting, Musik und Style, sondern auch als Beitrag zum damals noch jungen Martial-Arts-Boom in den USA, den „Karate Kid“ noch weiter befeuerte.
Natürlich sieht man „Karate Kid“ von 2010 auch an, dass er ein Geschenk der stolzen Eltern Will und Jada (Pinkett-)Smith an ihren Filius Jaden ist. An dem ist zwar kein großer Schauspieler verloren gegangen, allerdings sind Leistungen hier doch eine Nummer besser als jene in „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ und „After Earth“. Und zumindest körperlich legt er sich sehr ins Zeug, denn er kriegt hohe Tritte, Spagat und andere Kampfkunstmoves überzeugend hin. Allerdings ist „Karate Kid“ schon extrem auf ihn zugeschnitten, sodass beinahe alle anderen Darsteller zu besseren Statisten verdammt werden: Die talentierte Taraji P. Henson etwa ist als Mutter kaum mehr als eine Stichwortgeberin. Dass Wang Zhenwei in seiner Fieslingsrolle wenig Raum erhält, ist angesichts seiner 08/15-Performance nicht tragisch, auch Han Wenwen als Love Interest hinterlässt kaum Eindruck. Das schafft eigentlich nur der zweite Hauptdarsteller des Films und dessen eigentlicher Star: Jackie Chan. Der versucht sich als Lehrmeister mit Schatten in der Vergangenheit an einer seiner ernsten Rollen, macht sich aber als Kampfkunstmentor ziemlich gut. Seltsam bei diesem Casting ist nur, dass er im Gegensatz zu Miyagi aus dem Original nicht den fiesen Lehrmeister verwemmsen darf, sodass seine einzige Kampfszene jene ist, in welcher er die Bullys vermöbelt.
Nun bringt Chan nicht nur mehr Kampfkunsterfahrung und mehr Fitness als der öfter mal gedoubelte Pat Morita für die Lehrerrolle mit, sondern die Szene wirkt auch dadurch etwas gewöhnungsbedürftig, dass die Schüler hier keine älteren Teenager, sondern Zwölfjährige sind – das wirkt fast so, als habe sich Chan von Will Ferrell und John C. Reilly in „Step Brothers“ inspirieren lassen. Leider ist das nicht das einzige Problem, welches das Herabsetzen des Alters mit sich bringt: Konnte man bei dem eifersüchtigen Schulhof-King Johnny Lawrence noch verstehen, warum er solche Besitzansprüche anmeldete, ist die Motivation des Bullys hier noch weniger verständlich, da mehr als Händchenhalten oder zarte Küsschen bei der Love-Story in diesem Film nicht im Raum stehen. Und zu guter Letzt ist dann da noch das Problem, dass die Kiddies zwar jünger als im Original sind, das Remake aber noch einen draufsetzen will, weshalb die Steppkes hier teilweise Sprung- und Kick-Kombinationen hinlegen, denen auch Scott Adkins Respekt zollen würden – selbst Dre nach wenigen Wochen Training mit Han legt los wie ein Meister. Im Gegensatz zu Ralph Macchio haben die Karate- bzw. Kung-Fu-Kinder zwar mehr echte Martial-Arts-Erfahrung auf dem Kasten, manches wird aber dann doch nur durch ersichtlichen Wirework-Einsatz möglich gemacht, etwa der finale Kick Dres – der gute alte Kranich reichte da wohl nicht mehr. Immerhin: Die Choreographie ist recht gelungen, die Inszenierung meist brauchbar, manchmal aber etwas verschnitten und unübersichtlich. Doch der Bully-Fight im Hinterhof und das finale Turnier machen durchaus Laune.
Ansonsten ist dann routiniertes Malen nach Zahlen, das manchmal gewitzt auf das große Vorbild anspielt, etwa wenn die Fliege-und-Stäbchen-Szene parodiert wird. Andere Neuerungen sind im Vergleich eher schwach: Das An- und Ausziehen einer Jacke ist weitaus weniger cool als „Auftragen, polieren“ bzw. „Wax on, wax off“, die Schlangen-Hypnose-Technik deutlich weniger griffig als der Kranich. Auch der etwas naive Charme des Originals geht dem Remake ab, das dafür wesentlich mehr reinklotzt mit China-Setting, den erwähnten Panorama-Shots (u.a. auch von einem ganzen Hof voller synchron trainierender Kung-Fu-Kämpfer) und höheren Production Values. So laufen beispielsweise beim finalen Turnier auch intradiegetisch gleich zig Kameras mit, die Instant Replays erlauben der beste Moves erlauben.
So ist „Karate Kid“ von 2010 unterm Strich kein großes Ärgernis, aber auch ein Remake, das zwar ein paar Sachen anders, weniges besser (z.B. die Kampfkunstkenntnisse des Hauptdarstellers), aber mehrere Sachen schwächer macht. Dass der Titel „Karate Kid“ zumindest alterstechnisch wörtlicher zu nehmen ist, die deutlich stolzere, aber nicht besser gefüllte Laufzeit und das Weniger an Charme schlagen beim Remake schon zu Buche – da hilft auch ein Jackie Chan nur bedingt.