Nazi, wo ist dein Schrecken?
"Quiller Memorandum"(1966) gehört zum Genre des besonders in den 1960er Jahren virulenten zeitgenössischen Agentenfilms, Subgruppe Neonazis.
Im deutschsprachigen Raum waren diese Filme gefürchtet, besonders von Verleihern. Dem bundesdeutschen Michel kaum 20 Jahre nach dem krachenden Ende des "Tausendjährigen Reichs" Unterhaltungsfilme über Naziaktivitäten in der Bundesrepublik aufzutischen, das war Paramount, MGM und Konsorten nie so ganz geheuer. Sobald also nicht explizit SS-Uniformen und Swastikas durch's Bild marschierten, versuchte man kurzerhand, den Naziaspekt einfach wegzusynchronisieren/schneiden, so gut es eben ging.
Auch beim "Quiller Memorandum" (Gefahr aus dem Dunkel) wurden aus den Neonazi's unter Führung eines diabolischen Max von Sydow kurzerhand undefinierbare Verbrecher - wobei in diesem Fall der Revisionismus ironischerweise die ganze Schwäche des Films offenlegt: weder im Original noch in der deutschen Fassung gibt es irgend einen Anhaltspunkt, was denn nun die brisanten Ziele der braunen Gefahr sind. Die arische Rasse doch noch zum Sieg führen? Heimlich Hitlerporträts in der Herrentoilette vom "Kempinski" aufhängen? Weder der britische Geheimdienst noch die Schurken selber äußern sich hierzu dem Zuschauer gegenüber.
PRISMA online rafft den Inhalt folgendermaßen: Der britische Geheimagent Quiller (George Segal) soll in Berlin eine gefährliche
Untergrundorganisation zerschlagen. Bei seinen Ermittlungen stösst er
auf einen deutschen Lehrer und früheren Nazi-Verbrecher, der vor
einiger Zeit Selbstmord beging. An der Schule des Lehrers trifft
Quiller auf eine undurchsichtige Rektorin und die attraktive junge
Lehrerin Inge. Doch kaum hat er sich von Inge verabschiedet, da wird
Quiller von den Agenten der feindlichen Organisation verschleppt. Im
Versteck der Untergrundorganisation wird er Oktober, dem sinistren
Führer der Verschwörerclique, vorgeführt...
Tja, und mehr passiert im Grunde nicht. Max von Sydow, Alec Guinness und George Sanders tauchen hier und da als Vignetten auf, die den Zuschauern daran erinnern sollen, dass er hier Exklusives geboten bekommt, warum aber die Briten die Neonazi's ("those guys", um im Duktus des Films zu bleiben)unbedingt ausschalten müssen und wieso diese Quiller mehrmals unbeschadet entkommen lassen und welche Rolle Senta Berger in dem Ganzen spielt, erfährt man nie.
Wahrscheinlich dachte man sich, wenn man schon einen solch
geschichtsnotorischen Gegner ausruft, würde sich das Publikum alles
weitere schon selber ausrechnen könne. Etwas ratlos fragt man sich nach
der Hälfte des Films, ob die große Vision der Schurken darin besteht,
in regelmäßigen Abständen Agenten des Secret Service zu kidnappen.
Irgendwann ist der Film dann einfach vorbei und wehmütig erinnert man sich an den Meilen besseren Harry-Palmer-Themen-Beitrag "Funeral in Berlin". Wer das Genre schätzt, dem sei dieser anempfohlen.
Ansonsten gilt für den mit einigem Aufwand im Mitt-60er Berlin realisierten und von Harold Pinter (!) geschriebenen Spionage-Kokolores das alte Sprichwort vom Berg, der kreiste und eine Maus gebar.