Robin Hood - im Director's Cut und somit 16 Minuten länger als die Kinofassung - hinterläßt bei mir ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits ist es ein Epos, grandios bebildert und erzählt, andererseits ist es eine Geschichte, die (zumindest mich) nicht überzeugt.
Nach all den vielen Robin-Hood-Verfilmungen ahnte Ridley Scott sicherlich, dass er keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken könnte, wenn er die sattsam bekannte Geschichte nur noch einmal neu erzählen würde. Dann müsste er sich allein auf seine Regie, die Kameraführung, die Schauspieler und die technischen Effekte verlassen, um den Film am Markt erfolgreich etablieren zu können. Stattdessen schildert er jedoch die Entstehung des Robin Hood. Mit dieser neuen Geschichte ist er weitgend frei von altbekannten Vorgaben, und so taucht der Sheriff von Nottingham auch nur am Rande auf, wie reingezwängt, wie um die Zuschauer nicht zu enttäuschen, die auf diesen Charakter gewartet haben. Auch Robins Gefährten behalten zwar ihre bekannten Namen, erhalten aber eine neue Vita. Sozusagen ein "Robin Begins". Ein entsprechender Filmtitel wäre deshalb auch ehrlicher gewesen - sei's drum!
Die Idee ist ja eigentlich nicht schlecht. Mit seinem König Richard (Löwenherz) ist Robin Longstride, der einfache Bogenschütze, auf dem Weg zurück vom Kreuzzug in die Heimat, wo des Königs Bruder John die Bevölkerung auspresst. Die Atmosphäre ist stimmig eingefangen. Der König nicht hehr und edel, sondern selbstgrüblerisch und durchaus nachtragend. Hier fällt bereits Robins Selbstkritik über ein vom König befohlenes Massaker an muslimischen Zivilisten seltsam modern in die mittelalterliche Szene. Aber ansonsten ist die Darstellung stimmig. Mögen die Burgen und Hallen in ihnen auch ein wenig zu groß geraten sein, hygienische Verhältnisse, Behausungen, Kleidung, Schmuck, Bewaffnung, alles dürfte dem Stand der historischen Forschung entsprechen, was wir über das beginnende 13. Jahrhundert wissen. So weit so gut, und einer packenden Erzählung hätte man nun getrost die zweieinhalb Stunden folgen können. Doch leider sorgt das Drehbuch immer wieder für Stirnrunzeln oder Kopfschütteln. Dabei ist es noch egal, dass der französische König Philipp ganz entgegen seiner wahren historischen Bedeutung als Intrigant und Feigling dargestellt wird, viel ärgerlicher finde ich es, wenn in ein mittelalterliches Spektakel der Geist des 21. Jahrhunderts weht und man deutlich merkt, wie die Zuschauerin / der Zuschauer wieder politisch korrekt "informiert" werden soll. Damit ist noch nicht einmal die Rolle der betont emanzipierten Marian gemeint, sondern Robins Vater, der Steinmetz, der "Mann aus dem Volk", der einem kurz und bündig als aufrechter Demokrat und Verfassungsvater dargeboten wird, dem der Adel in seiner Borniertheit einst den Kopf abschlug, der nun aber dessen Sohn Robin - tief geläutert - hilft, die Bürgerrechte von König John zu erstreiten. Da lässt die Magna Charta libertatum von 1215 zwar schön grüßen, doch mit ihr erkämpfte sich der Adel seine Rechte. Das gemeine Volk ging leer aus.
Sicherlich hat jede Zeit das Recht, die Geschichte neu zu interpretieren, doch wenn ein Regisseur auf der einen Seite sich bemüht, das Mittelalter so authentisch wie möglich darzustellen, dann sollte er auf der anderen Seite nicht hingehen und versuchen, in diesen Rahmen Ansichten und Geisteshaltungen zu importieren, die in dieser Form erst viele Jahrhunderte später entstanden sind. Dies stört den Filmgenuss umso mehr, je deutlicher dieser Belehrungsversuch erkennbar ist.
Fazit: 5 von 10 müssen genügen.