Review

Ist zu einer beliebten Story nach zahlreichen Adaptionen im Grunde alles gesagt, kommt immer irgendjemand mit einer Neuauflage mit Anspruch auf historische Wahrheit um die Ecke - dass die historische Wahrheit und Quellenlage hinter Strumpfhosenlegende Robin Hood höchst vage und nebulös ist, macht Sir Ridley Scotts Unterfangen, die reale Geschichte hinter der Legende erzählen zu wollen, im vorhinein zur zweifelhaften Marschrichtung.

Nach den allesamt überzeugenden „Der Mann, der niemals lebte", „American Gangster" und „A Good Year" holte er sich dafür zum nunmehr fünften Mal Lieblingsstar Russel Crowe ins Boot und drehte das, was weithin alsbald treffend als „Gladiator im Wald" umschrieben wurde: Bogenschütze Robin Maximus, Verzeihung, Longstride hat sich diesmal nur am Rande mit den bewährten Finsterlingen Prince John und dem Sheriff von Nottingham herumzuschlagen, sondern erweist England vor allem seine Dienste, indem er einfallende Franzosen in die Flucht schlägt. Dabei nahm Scott das geflügelte Wort des finsteren Mittelalters so wörtlich wie nur möglich und präsentiert das angeblich historisch korrekte Treiben in rauer, düsterer Nüchternheit.

Der Wunsch, den Mythos Robin Hood auf seine geschichtliche Wahrheit hin zu sezieren, schlägt sich nun vor allem darin nieder, dass Sir Ridley mit Fleiß alles anders macht, als es die Vorgängerfilme taten: Prince John, der Sheriff von Nottingham, Lady Mariann, Bruder Tuck, König Richard Löwenherz - alle sind sie dabei, aber alle in anderen Positionen oder mit anderen Schicksalen als man sie klassischerweise kennt. So ist Löwenherz nicht der edle König, der zum Happy End nach Hause zurückkehrt, sondern ein ungeliebter Schlächter, der gleich im Anfangsgefecht dran glauben muss, der Sheriff eine Randfigur von keinerlei Relevanz und die traditionellen Elemente der Story ohnehin nur Beiwerk zu einem neuen Fokus auf eine Verschwörung zur französischen Invasion Englands. Der Punkt, an dem die eigentliche Robin-Hood-Geschichte ansetzt, seine Ächtung, sein Leben im Sherwood Forest, sein Kampf gegen die Ungerechtigkeit, gegen das Regiment Prince - im diesmaligen Falle King - Johns, bildet hier den Schlussstrich mit Fortsetzungsoption. Man könnte den neuen „Robin Hood" also auch guten Gewissens als Prequel bezeichnen - als mit dem traditionellen Verlauf seiner Story sehr frei umspringendes Prequel freilich.

Dem Film diesen Ansatz zum Vorwurf zu machen, ist Unsinn - oft genug wurde Robin Hoods Legende in ihrer klassischen Form erzählt, mit Kevin Costners Megahit „Prince of Thieves" ohnehin von einer definitiven Version gekrönt, die sich bis auf weiteres nicht mehr toppen lässt. Die Sache einmal anders anzugehen, ist also nur eine erfrischende Abwechslung. Zumal deren technische Umsetzung stimmt: Regielegende Scott weiß, wie man ein historisches Abenteuerepos inszeniert, hat das mit „1492", „Gladiator" und zuletzt „Kingdom of Heave" oft genug beeindruckend bewiesen, so bleiben auch diesmal kaum Wünsche offen: Traumhafte Landschaftsaufnahmen, aufwendige Ausstattung, ein gewaltiger Score, epische Kameraarbeit, pathetische Gänsehaut-„Braveheart"-Reden und monumentales Schlachtengetümmel - alles da, was der Genrefilm gemeinhin braucht. In Bezug auf letzteres wäre es zwar schön gewesen, wenn „Robin Hood" mit dem Härtegrad, den die verspielte Abspann-Optik andeutet, auch in den eigentlichen Actionszenen glänzen würde, zumal im Angesicht des brutal-düsteren „Gladiator"-Ansatzes, doch haben PG-13-Ratings auch schon schmerzlicheren Tribut gefordert und sind die Kämpfe des Films noch immer wuchtig und überzeugend anzusehen.

Auch die Darstellerriege ist hochkarätig und weiß zu gefallen: Russel Crowe ist nicht umsonst Sir Ridleys liebster Star, seine souveräne Performance ist stark wie gewohnt, Maximus reloaded eben. Daneben verleihen so bekannte Gesichter wie Cate Blanchett, William Hurt, Kevin Durand und Max von Sydow Glanz, besonders gelungen ist auch Oscar Isaacs Performance als King John.

Fazit: Mit seiner „Robin Hood"-Interpretation gelang Ridley Scott ein prächiges Abenteuerepos, dessen Anspruch auf historische Wahrheit zweifelhaft, dessen Abwandlung der gängigen Strukturen und Personenkonstellationen des Robin Hood-Universums aber eine nette Abwechslung ist, das zudem mit guten Darstellern, souveräner Inszenierung, prächtigen Bildern und wuchtigen Schlachten glänzt. An die großen Klassikerverfilmungen mit Erroll Flynn und Kevin Costner kommt der Film zwar nicht heran - unterhaltsame zwei Stunden Genrekino bietet er aber zweifelsohne.

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