Review

"Vernachlässigte Menschen sind gefährliche Menschen."

Ridley Scott's ("Black Hawk Down", "Blade Runner") "Robin Hood" ist eine komplette Neuerfindung der Legende, die nur noch am Rande mit den bereits bekannten Erzählungen zu tun hat.

Während der Kreuzzüge wird König Richard Löwenherz (Danny Huston) in Frankreich getötet. Der Bogenschütze Robin Longstride (Russell Crowe) gelangt durch den sterbenden Robert Loxley (Douglas Hodge) an die Krone des Königs und bringt sie zurück nach London. Richards Bruder John (Oscar Isaac) wird zum neuen König ernannt, der daraufhin Steuererhöhungen veranlasst. Sein Berater Godfrey (Mark Strong) treibt die Steuer unbarmherzig ein, worunter das ländliche Volk leidet. Auch Robin Longstride bekommt die Tyrannei zu spüren, während er den Tod von Robert Loxley seinem Vater in England, Sir Walter Loxley von Nottingham (Max von Sydow), mitteilt. Dieser adoptiert Robin und vermacht ihm nicht nur seine Ländereien sondern auch Robert's Frau Marion (Cate Blanchett), die davon wenig angetan ist. Da Robin sich der Tyrannei von Godfrey widersetzt, wird er zu dessen Zielscheibe, während parallel eine Invasion der Franzosen das ganze Land bedroht.

Scheinbar wollte Scott an sein kommerziell erfolgreichstes Werk, dem Schlachtenepos "Gladiator", anschließen. Bereits in den ersten Sekunden ist die musikalische Untermalung so bekannt, dass man sie mitsummen möchte. Gleichsam bekannt sind die überwiegend ansprechend gestalteten Kulissen, für die unter anderem das gleiche Waldstück wie bei genanntem Epos Pate stand.
Der Schwerpunkt bei "Gladiator" lag auf opulentem Schlachtengemälde. Zwei solche sind auch in "Robin Hood" enthalten, allerdings weit weniger opulent als man es von Scott gewohnt ist. Die Eroberung einer Burg zu Beginn enthält zumindest noch eine sichtbare Belagerungstaktik, während finale Schlacht an das erbarmungslose Gemetzel eines "Der Soldat James Ryan" erinnert. Jedoch geht es in "Robin Hood" weit zaghafter zu, als in Spielberg's Kriegsfilm. Obwohl Scott wert auf brachiale Gewalt legt, sind blutige Szenen kaum zu sehen. Dies verdankt der Film auch dem bekannten nutzen wackliger Kameraführung, die die Actionszenen mitunter unüberschaubar werden lässt.

Genau genommen hatte das Thema Robin Hood bislang wenig mit Schlachten am Hut. So ist es wenig verwunderlich, dass diese nicht in den Kontext passen wollen, allerdings auch alleinstehend nicht funktionieren. Wenn sich ein Werk mit Robin Hood beschäftigte standen immer Charaktere im Vordergrund. So ist ein Sheriff von Nottingham ebenso bekannt wie der titelgebende Dieb. "Robin Hood" vernachlässt diese allerdings und stellt stattdessen völlig neue vor. Bruder Tuck, Will Scarlet und Little John werden somit zu Randfiguren, während der neu hinzu erfundene Sir Godfrey mit den größten Teil der Laufzeit erhält. Bedauerlicherweise fällt die Charakterisierung der Figuren ohnehin so eindimensional aus, dass dramaturgische Höhen zu keinem Zeitpunkt erreicht werden. Totalausfälle, wie die munter zur Waffe greifende Marion zur finalen Schlacht, bestätigen den bereits mäßigen Gesamteindruck.

Trotz der vielen Anlässe zur Kritik hat "Robin Hood" durchaus Szenen mit Potential. So können zumindest zeitweise die gelungenen Kulissen und schönen Landschaften etwas entschädigen. Auch zeigen Szenen, in denen die Charaktere untereinander agieren, großes Potential durch ähnlich augenzwinkernde Momente, die man bereits aus "Robin Hood - König der Diebe" kennt.
Der Film zeigt zudem eine recht moderne Liebesgeschichte zwischen Robin und Marion, die den anfänglichen biederen Charme mit Ironie und schließlich plumpen Sprüchen auflöst.

Obwohl die Besetzung hochkarätig ist, bleiben die Leistungen weit hinter dem erwarteten Potential. Matthew MacFadyen ("Frost/Nixon", "Sterben für Anfänger"), Léa Seydoux ("Inglourious Basterds"), William Hurt ("Der Unglaubliche Hulk", "8 Blickwinkel") sowie Max von Sydow ("Minority Report") werden viel zu selten in die Handlung eingebunden und können somit ihr schauspielerisches Talent erst garnicht belegen.
Die Befürchtung die stets kühlen Gesichtszüge von Cate Blanchett ("Der seltsame Fall des Benjamin Button") könnten ihrer Figur schaden sind nur anfangs gerechtfertigt. Sie helfen tatsächlich die biedere Annäherung zu Russell Crowe ("A Beautiful Mind") herzustellen und sie belohnt später mit einem warmherzigen Lächeln. Crowe hingegen bewegt sich unentschlossen zwischen seiner forschen "Gladiator" Performance und dem gemäßigten Kevin Costner Robin Hood, ohne am Ende eine eigene aussagekräftige persönliche Note entwickelt zu haben.
Die Gegenspieler sind visuell eindrucksvoll. Gerade Mark Strong ("Sherlock Holmes", "Kick-Ass") sticht mit seiner erneuten Rolle als Bösewicht hervor, während Matthew MacFadyen, wie bereits erwähnt, keine Möglichkeit bekommt sich zu positionieren. Oscar Isaac hingegen fehlt die Erfahrung um seiner Rolle als abwegiger König gerecht zu werden.

"Robin Hood" ist ein spürbarer Versuch an "Gladiator" aufzusetzen. Gelingen tut dies dem Film zu keinem Zeitpunkt. Die Schlachten sind zu zahm, die Handlung nicht episch genug und der Soundtrack zu bekannt. Stattdessen hat die Erzählung fast nichts mehr mit der Legende um Robin Hood zu tun sowie eine eindimensionale Figurenzeichnung und träge Inszenierung. Einzig die gelungene visuelle Darstellung mit ordentlichen Landschaftsaufnahmen und Kulissen wie auch manch augenzwinkernde Interaktion der Figuren zeigen, was der Film hätte sein können.

4 / 10

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