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  „Robin begins"

„Jede Legende hat einen Anfang .... " Was für Britanniens populärste fiktive Heldenfigur der Moderne recht ist, kann für ihr historisches Pendant nur billig sein. Nachdem wir filmische Zeugen werden durften wie James zu Bond wurde, erfahren wir nun also auch endlich wie Robin zu Hood wurde.
Gut, einen weiteren Film um den grün bewamsten Outlaw, der aus seinem idyllischen Versteck im Sherwood Forest die Reichen bestiehlt und die Armen beschützt, hätten wir auch nicht mehr gebraucht. Die immer gleichen Episoden vom Stockkampf mit Little John oder dem eigens veranstalteten Bogenschützenturnier zu Festsetzung des lästigen Gesetzlosen erfordern nun wirklich keine weitere Leinwandinterpretation. So ähnlich sahen das auch die Macher von Robin Hood anno 2010. Regisseur und Hauptdarsteller Russell Crowe erklärten unisono, dass sie an einer simplen Neuauflage der beliebten Sage nicht interessiert wären.

Ähnlich Gladiator verbindet Scott in Robin Hood Legende und historische Wirklichkeit zu einem Abenteuerepos mit modernem politischen Anstrich. Die simple Formel ist vor allem ein gängiges Konzept historischer Romane: Man nehme eine fiktive Gestalt (Maximus oder Robin Longstride) und verknüpfe ihr Schicksal mit realen geschichtlichen Fakten und Figuren. Im Falle Robin Hoods ist es der Zwist zwischen dem glücklosen Kreuzfahrer Richard Löwenherz und seinem Bruder Johann Ohneland, sowie deren Auseinandersetzung mit Frankreich. Es ist des weiteren der Machtkampf des späteren König John mit seinen Fürsten, die ihm 1215 mit der Magna diverse Rechte und Freiheiten abtrotzen.
Wie schon bei seinem Römerhit nimmt sich Scott bei der Darstellung der historischen Ereignisse allerdings zahlreiche Freiheiten heraus. Um die Bedrohung für England greifbarer zu machen, inszeniert er kurzerhand eine versuchte Invasion der französischen Flotte, die so und vor allem zu diesem Zeitpunkt (1199) nie stattgefunden hat. Auch die Entstehung der Magna Carta wird der Heroisierung der Hauptfigur zuliebe gut 15 Jahre zu früh angesiedelt.

Vor diesem Hintergrund ist die Handlung nur lose mit historischer Faktizität verbunden: Der Bogenschütze Robin Longstride (Russell Crowe) dient im Kreuzzugs-Heer des englischen Königs Richard Löwenherz (Danny Huston). Nach dem Tod des Königs soll Sir Robert Loxley die Krone nach England bringen, gerät mit seinen Rittern aber in einen Hinterhalt. Robin und seine Männer können die Angreifer vertreiben. Er verspricht dem sterbenden Loxley dessen Schwert seinem Vater in Nottingham zu übergeben und nimmt dessen Identität an.
Land und Leute stöhnen derweil unter der hohen Steuer- und Abgabenlast des neuen Königs, Richards Bruder John (Oscar Isaac). Als dieser seinen Vertrauten Godfrey (Mark Strong) schickt, um den finanziellen Forderungen der Krone mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen, drohen Aufstand und Bürgerkrieg. Sir Walter Loxley (Max von Sydow) überredet Longstride sich als sein Sohn auszugeben und somit wieder für stabile Verhältnisse im geknechteten Nottingham zu sorgen. Lady Marian (Cate Blanchett) arrangiert sich nur widerstrebend mit der neuen Situation, erliegt aber bald dem rauen Charme ihres neuen Ersatzgemahls.
Unterdessen droht England eine Invasion durch Frankreich. In dieser verzweifelten Lage macht Robin ein überraschendes Angebot. Er verspricht eine Einigung der englischen Fürsten, wenn John im Gegenzug die Rechte der Krone vertraglich einschränkt ...

Scott geht es nicht um faktische Authentizität. Seine Themen sind Freiheit, Ehre und Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Sich gegen bestehendes Unrecht (von oben) zu erheben, dem einfachen Volk mehr  Freiheiten zu verschaffen und die Willkür des Obrigkeitsstaates zu beschneiden war schon die Antriebsfeder des Maximus. Scotts Robin Hood ist in dieser Haltung  - wie sein römisches Vorbild - mit Sicherheit kein typischer Vertreter seiner Zeit. Gerade die demokratische Grundhaltung dieser Helden ist natürlich modernen Ursprungs und hat wenig mit römisch-antikem oder mittelalterlichen Denken gemein.
Aber nicht nur in ihrer Geisteshaltung erinnert die Hauptfigur frappierend an Scotts Oscarhit Gladiator. So mimt Russell Crowe nicht nur erneut den Titelhelden, sondern trägt auch dieselbe Haar- und Barttracht. Die Beteuerungen des Regisseur es handle sich dabei lediglich um einen militärische Haarschnitt und keinesfalls um eine Maximus-Kopie, darf man getrost ins Reich der Fabel verweisen. Beide Figuren kämpfen sich aus einfachen Verhältnissen (Gladiator und Bogenschütze) zum umjubelnden Volkshelden empor und bedrohen durch ihr Handeln den Herrschaftsanspruch des despotischen Monarchen. Allerdings wirkt Robin aufgeräumter, humorvoller und insgesamt weniger verbissen als Maximus.

Diese immer wieder durchbrechende Leichtigkeit gilt für den gesamten Film. Zwar setzt Scott im Stil seiner bisherigen Historienepen (1492, Gladiator, Königreich der Himmel) erneut auf visuellen Realismus, was bei ihm vor allem Schmutz, Blut und wuchtige Kampfszenen bedeutet. Und das alles in eine düstere, farbentsättigte Optik getaucht, die einem schon bildlich entgegenschreit: das waren finstere, entbehrungsreiche Zeiten. Robin Hood strahlt trotz dieser typisch düsteren Bildästhetik allerdings immer wieder Optimismus und Wärme aus, ein in Scotts bisherigem Oeuvre eher seltenes Phänomen. Vor allem die Szenen in Nottingham, als der greise Sir Walter Loxley den Bogenschützen Robin Longstride zu seinem Ersatzsohn erklärt, erzeugen eine warmherzige und humorvolle Stimmung. Ähnliches gilt für die Annäherung der verwitweten Lady Marian an ihren neuen Gemahl.

Robin Hood
ist weit mehr Abenteuer als Drama und unterscheidet sich hierin am deutlichsten vom scheinbar kopierten Gladiator. Der Film ist damit aber auch weniger wuchtig, weniger episch und letztlich auch weniger intensiv. Die Figuren sind -  auch das Abenteuergenre-typisch - deutlich simpler gestrickt und ganz klar in Gut-böse-Kategorien einzuteilen. Zwar erschleicht sich Robin zunächst seine neue Identität, tut dies aber nur zum  eigenen Schutz und dem seiner Männer. Später entpuppt er sich schnell als ehrenhafter und edelmütiger Charakter, der durchaus dem gängigen Legendenbild entspricht. Lady Marian ist schlagfertig, zupackend und fürsorglich und dem väterlichen Walter Loxley strömt das Gutmenschentum aus jeder Pore. Prinz John und sein Handlanger Godfrey dagegen sind verlogen, verräterisch, feige und handeln in jeder Beziehung eigennützig. Gleiches gilt für den Sheriff von Nottingham, den eigentlich klassischen Hood-Antagonisten, dessen geringe Screentime wohl dem Begins-Konzept geschuldet ist.

Dass diese simple Charakterzeichnung nicht in Plattheiten versinkt, ist dem nicht nur namhaften, sondern auch souverän agierenden Cast zu verdanken. Vor allem Cate Blanchett ist eine wunderbar spröde und zugleich hemdsärmelige Lady Marian, die Robin wiederholt mit einer Reihe scharfzüngiger Sprüche den Schneid abkauft.  Russel Crowe schaltet gekonnt auf Historienheldenmodus und wirkt in jeder Szene als wäre er für die Mittelalteratmosphäre geboren. Mark Strong, Oscar Isaac und Matthew Macfayden schließlich wetteifern um die hinterhältigste, schmierigste und bösartigste Figur mit klarem Punktsieg für Isaacs König John.

Mit Robin Hood hat Historienexperte Ridley Scott eine interessante Neuinterpretation des klassischen Legendstoffes vorgelegt. Indem er einfach die Vorgeschichte des berühmten Outlaws erzählt und diese in reale geschichtliche Ereignisse einbettet, bewahrt er den Zuschauer vor der x-ten Neuauflage gängiger Sherwood Forest-Romantik und der Nacherzählung der ewig gleichen Episoden. Zwar gibt es auch in Robin Hood wieder politische Kommentare zu Machtmissbrauch und Freiheitsdenken, aber anders als im teilweise ähnlich angelegten Gladiator überwiegt hier eindeutig der Abenteuercharakter die dramatischen Elemente.
Mit einem weniger aufdringlichen und teilweise langweilenden Soundtrack und einer weniger deutlichen Neuauflage der Scott-typischen, düster-farbentsättigten Bildästhetik hätte Robin Hood ein moderner Klassiker werden können. Aber schließlich haben wir damit ja erst den Anfang der Legende gesehen. Wer weiß, was dem Team Scott-Crowe für Robins Outlaw-Dasein noch so alles einfällt.

(7,5/10 Punkte)

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