Remakes A Go-Go! MUTTERTAG war nie ein übermäßig guter, sondern vielmehr ein besonders dreckiger Film und ein Wegbereiter des Backwoodhorrors. Nun muss aber selbst diese alte Sackratte aus dem Jahre 1980 für eine Neuauflage herhalten.
Die Story: Eine flüchtige Bankräuberbande, drei Brüder und ihre Schwester, sucht Unterschlupf im Landhaus ihrer Mutter. Das Problem: das Haus wurde zwangsversteigert und gehört nun einem Ehepaar, das gerade im Keller eine kleine Party schmeißt. Die Gangster nehmen kurzerhand die ganze Spaßveranstaltung als Geisel und verbarrikadieren sich in dem fremden Heim. Ein anwesender Arzt darf sich um den Räuber mit der Schussverletzung kümmern. Bald darauf trifft die Mutter, das Familienoberhaupt der Gangsterfamilie, ein. Nun gilt es Geld aufzutreiben, die Cops abzuwimmeln und die widerspenstigen Geiseln in Schach zu halten…
Erinnern wir uns kurz an den MUTTERTAG aus den 80ern. Darin ging es um zwei zurückgebliebene Brüder, die unter der Fuchtel ihrer Psycho-Mama im Wald hausten, Wanderer, vorwiegend hübsche, junge Damen verschleppten und diese dann vergewaltigten und zu Tode folterten. Die Geschichte endete in klassischer Rape&Revenge-Manier mit einer Axt im Schritt des Peinigers. Ein vor Sleaze und Dreck beinahe überschäumendes, bitterböses Filmchen.
Und nun das Remake: Kein Wald? Kein Sleaze? Keine Hinterwäldler??? …Ja, was soll denn der Scheiß!? Und in der Tat könnte man MOTHER’S DAY auf den ersten Blick für einen schlichten Geiselnahme-Thriller halten, der Namensdiebstahl betreibt und sich mit fremden Federn schmückt. Die erste Dreiviertelstunde verbringt der Zuschauer hauptsächlich damit sich zu fragen, was dieses Pseudo-Remake bitteschön mit dem guten, alten MUTTERTAG zu tun haben soll. Die Mutter und ihre Söhne sind keine Rednex, sondern mehr oder weniger hübsche Allerweltstypen in H&M-Klamotten und nicht doof sondern normal intelligent. Sie agieren weitaus weniger triebgesteuert und gehirnamputiert wie die Perversen im Original. Zu Beginn gibt es also beinahe keinerlei Gemeinsamkeiten zur Vorlage.
Ab dem Erscheinen der Mutter auf der Bildfläche häufen sich jedoch die Wiedererkennungsmomente. So ist auch diese eine zentrale und lenkende Rolle einnehmende Mum überaus streng und kontrollsüchtig und erwartet von ihren Kindern, die sie in einem Gerüst aus Lügen und weltfremden Anschauungen erzogen hat, bedingungslosen Gehorsam. Unter der schnieken, auf Hochglanz polierten Oberfläche brechen allmählich Abgründe hervor und der Streifen wird verdammt hart und dreckig. Dann auch merkt man, dass auf dem Regiestuhl der Dirigent von SAW II – IV sitzt. Die Folterungen nehmen zu. Eine Geisel wird mit Benzin übergossen und angezündet. Einer anderen wird kochendes Wasser ins Ohr gegossen. Einer dritten aus nächster Nähe der Schädel per Schrotflinte weggepustet. Auch gibt es so etwas wie SAW-ähnliche Szenen. Beispielsweise werden zwei Opfer vor die Wahl gestellt, ob sie auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen oder beide erschossen werden wollen.
Hier greift der Film tief in die psychologische Trickkiste und geht über den handelsüblichen Geiselnahme-Thriller hinaus. Es werden Dynamiken aufgezeigt, wie man sie sich in einer authentischen Geiselsituation vorstellen kann. Beispielsweise nutzen einige Geiseln die Möglichkeit zur Flucht nicht, weil sie ihre Liebsten nicht zurücklassen wollen. Willenlos werden Anordnungen der Geiselnehmer befolgt und Erniedrigungen hingenommen. Es herrscht Zwietracht zwischen den Geiseln. Obwohl sie in der Überzahl sind, gelingt es ihnen nicht sich zu organisieren.
Unterm Strich also ein ziemlich harter, todernster und fesselnder Geiselthriller mit einer ordentlichen Prise Psychoterror, dessen häusliche Geiselsituation eher an Filme wie INSIDE oder HOSTAGE erinnert als an den alten MUTTERTAG. So verschwindend gering die Parallelen zum Original sein mögen, sie sind dennoch vorhanden:
1.) Die sadistische, kontrollsüchtige Mutter – übrigens fabelhaft gespielt von der stark in die Jahre gekommenen Rebecca De Mornay (DIE HAND AN DER WIEGE, an der Seite von Tom Cruise in LOCKERE GESCHÄFTE).
2.) Ihre willenlos folgsamen Verbrecherkinder.
3.) Einer der Brüder endet mit dem Kopf im Fernseher, nachdem er Abflussfrei zu trinken bekommt.
4.) …hm, ich glaub, das war’s.
Remakes wie I SPIT ON YOUR GRAVE, THE HILLS HAVE EYES, THE CRAZIES oder MY BLOODY VALENTINE sind definitive näher am Original als dieser Bursche. Hier erkennt man das Original praktisch nicht mehr.
Aber das Remake hat recht: Es gibt keinen Wald mehr und auch keine Hinterwäldler! Die Hinterwäldler sind längst alle in die Stadt gezogen und haben sich unters normale Volk gemischt. Somit lautet mein…
Fazit:
Klasse Neuinterpretation des Backwood-Klassikers, die erfrischend tollkühn eigene Wege beschreitet! Hat zwar mit Backwood überhaupt nichts mehr am Hut („Backwood“ steht hier vielmehr für eine Geisteshaltung), kann aber auch als Geiselthriller vollends überzeugen. Jetzt noch einen schlechten „Deine Mutter“-Witz zum Schluss? Nein, lieber nicht.