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Die bisher fünfte und wohl vorläufig letzte Zusammenarbeit von Regisseur Wilson Yip und Darsteller Donnie Yen als der bisher mit großen Abstand erfolgreichste Chinesische Film des Jahres 2010, was neben der Prämisse der vorzeitig erwarteten Fortsetzung und dem neuen Starsystem von Yen auch mit der thematischen Befindlichkeit des Filmes zu tun hat. Waren es im Vorgänger noch die Nöte des Krieges und die Repressalien der Japaner, die den Titelhelden zum Kampf gegen diese allumfassenden Repressalien zwangen, sind es nun wenige Jahre später die Briten, die ihr Unwesen im Lande treiben; eine schmachtende Empfindung, die auch nach 1997 den Bewohner der ehemaligen Kronkolonie und Special Administrative Region noch nur zu gut ein Begriff sein dürfte. Wie auch im ersten Teil folgt man damit einer erhöhten Phantasie, die hier wie dort ihre unabdingbaren Eindrücke hinterlässt, sich als nahezu historisches Befreiungsdrama die Sache mit dem stammtischgeeigneten Schüren von blinder Wut gegenüber dem Klassenfeind aber wieder übersteigernd travestiert und so viel zu einfach macht.

Ironischerweise wurde gerade auch der Opponent von Yip Man, der britische Boxer Taylor Miller [ Darren Shahlavi ], der mit dem Kampfnamen "Twister" und vor geistiger Simplizität und allgemeinem Unverstand geschwollener Brust durch die Hallen schreitet, im Marketing noch als differenziertes Porträt eines Ausländers angepriesen. Eine im Nachhinein wohl nur sarkastisch gemeinte Aussage, die keine weitere Aufmerksamkeit auf die Handlung erfordert, um schon in den ersten Sekunden seines Auftretens als naiv ehrenrührig widerlegt zu werden. Wenigstens beweisen Autor und Produzentensohn Edmond Wong und das ebenfalls zum Großteil wieder antretende Drehteam um Wilson Yip in den anderen Belangen ein empfindlicheres Auge vor allem um die vorbeidefilierten Schönheiten von Zeit- und Lokalkolorit, wobei die rein malerische Inszenierung mit innerer Freude vor den Zuschauern verweilt. Eine ästhetisch fordernde Stippvisite in die Vergangenheit mit manch süßen und manch bitter-lustigen Augenblick voll anrüchigem Diskrimierungscharme:

1950, Hongkong.
Lehrmeister Yip Man versucht bislang vergeblich, für seine kürzlich eröffnete Wing Chun - Schule entsprechende Mitglieder zu gewinnen; erst der ihn herausfordernde und so von seinen Fähigkeiten überzeugen könnende Wong Leung [ erstaunlich blass: Huang Xiao-ming ] schafft ihm nach und nach die Auszubildenden heran. Als Wong Leung von dem Hung Kuen praktizierenden Heißsporn Cheng Wai-kei [ empfiehlt sich für das kürzlich gestartete Prequel The Legend is Born - Ip Man: To Yue-hong ] in die Mangel genommen wird, gerät der am Rande der Pleite befindliche Yip Man auch noch in das engmaschige Regelsystem dessen Sifus Hung Chun-nam [ Sammo Hung ], der nur im Duell und zusätzlicher Jahresgebühr die Weiterführung der kontrahierenden Schule erlaubt. Währenddessen werden die Kampfkünstler gemeinsam von der britischen Obrigkeit unter Superintendent Wallace [ Charlie Mayer ] und dem in dessen Auftrag ein World Boxing Championship Tournament vermittelnden Polizisten Fatso [ Kent Cheng ] geknechtet, welches den Western Boxer "Twister" [ Darren Shahlavi ] promoten und Geld in die Kassen schaffen soll. Als deswegen auch die mit Yip Man befreundeten Zeitungsredakteure Leung Kan [ Pierre Ngo ] und Chow Kong-yiu [ Calvin Cheng ] in der Ausübung ihrer Pressefreiheit gehindert und die Chinesen im Rundumschlag gedemütigt werden, tritt Yip Man zu einem offiziellen Schlagabtausch an.

Das Drehbuch, mehr [anmutige] Action im Zwei- und Gruppenkampf, weniger biographical picture, geübt am kommerziell Konservativen, geriert sich dabei als Mischung aus Weiterführung und Remake unter anderen Voraussetzungen heraus. So wird zwar auf einige alte Bekannte wie Simon Yam, Fan Siu-wong und Lynn Hung als hochschwangere Ehefrau Cheung Wing-sing als bessere Randfiguren und ihren Anekdoten vor dem Zweiten Weltkrieg zurückgegriffen und die Geschehnisse in einer knappen Montage zu Beginn in das Gedächtnis gerufen, sind die Jahre in Foshan aber nunmehr zumeist passé. Bis auf kleine Details des alltäglichen Lebens, in der sich Sentimentales bis Verzweifeltes und das Nachdenken über das bevorstehende Alter die Hand reichen, wird die Person des Yip Man trotz eventuell sogar besserer Ansätze auch hier nicht näher beleuchtet, die allgemeine Lehre des Martial Arts und die spezielle Moral auch des Wing Chun allerdings öfters als zuvor verbalisiert. Wahre Tiefgründigkeit im tragisch-romantischen Profil dieser "Legend of the Grandmaster" - Symbolgestalt sind dabei sicherlich nicht gegeben, orientiert man sich an den üblichen Mythos-Kommentaren des Genres und reproduziert auch sonstig diese Aufführungen identifikatorischen Engagements. Neben einigen Tributen an ehemalige Shaw Brothers Stammschauspieler wie Lo Meng, Fung Hak-on und Lam Hak-ming, die ihren kämpferischen Gastauftritt bekommen, bringt das Werk als Sammelpunkt und eigentlich auch Hauptquartier der Gattung den Gang zum universell dramaturgischen und zugleich nationalen Selbstverständnis zum Ausdruck. Entscheidend ist dabei die nunmehr erlangte Eigenständigkeit – anders als noch 2008 oder auch dem aktuellen True Legend, der beim direkten Folgen in den übergroßen Fußstapfen versackt ist, konnte man sich diesmal von Fearless als Verbindung lösen –, und die mit Sorgfalt hehandelte Form.

Die by-the-numbers Wiedergabe im Bilderrahmen ist episch bis idyllisch bis volkstümlich, wird erneut in großteils dunkelbrauner, mit blütenreinen Weiß und kräftigen Schwarz kontrastierter Ausstattung und entsprechend eingefangenen Prachtbauten geschwelgt. Der Aufbau der vertieften Illusion in die Vergangenheit ist ökonomisch gerafft, wird der Anlauf bis zur ersten und die Pausen bis zur nächsten sprudelnden Actionszene zumindest gefühlt kürzer, aber auch mit weniger Spannungspotential aus der Notwendigkeit oder der gliedernden Funktion heraus gehalten. So wirklich starten tut man sowieso erst ab dem Mittel der Laufzeit, mit der prägnanten ideologischen Auffüllung, die mit primitiver Sensationsgier geißelt, erst die gegenseitigen Beleidigungen wie "Asshole", "Slay the foreigner devil" und das wirklich unverschämte "yellow piece of fat" in den Raum und bald sämtliche Gliedmaßen in den Boxring wirft.

Leider sind die Sequenzen bis dahin, einschließlich der schon zahlreich stattgefundenen Geplänkel nicht nur erstaunlich makellos, präzis gearbeitet und gewohnt virtuos, jedoch auch seltsam unpersönlich und so beliebig und fern der nun einkehrenden körperlichen Existenz gehalten; es fehlt auch verständlicherweise der Witz mit Übermut - Einstieg des Vorgängers. Das nun folgende abstoßende Übermenschen-Gehabe der komplett überzeichneten Gwailos ist entlarvend in seiner Lächerlichkeit und Verirrung, verschafft der vorgegebenen Struktur in Bezug auf Motivation und Charakter der Figuren aber auch die folgerichtige Gelegenheit, sich alldieweil stimmungsanheizend für das Dasein empfänglich zu machen.

Geändert hat sich auffallend nur die Herrschaft über die in doppelter Hinsicht flexible Choreographie, ist statt den dafür auch zu Recht prämierten Bruce Leung und Sammo Hung neuerdings nur der Letztere selber für die einerseits aufgestockte, andererseits minder triebhafte, wenn auch angesichts Hungs derzeitigen Alter, dem Gewicht und der Gesundheitsprobleme [ parallel durchgeführte Herzoperation ] gleichwohl erstaunliche Actionregie verantwortlich, was sich willkürlich oder unwillkürlich auf die Perzeption niederschlägt. Gerade das Einbinden einiger weniger, aber nun einmal hervorstechender wirework-Einlagen sind eigentlich unnötige Ergänzungen, die zuweilen gar bis an den gefährlichen Rand der Parodie rutschen. Der große Rest ist die geglückte, ein wenig verspielte und geistesabwesende Wiedergabe von Massenszenen, aus denen immer wieder einzelne Gruppierungen mit erweckenden Groß- und forschen Detailaufnahmen in die Aufmerksamkeit herausgelöst werden; die Montage sitzt, kunstvoll konstruiert, der Intensität mangelt es mit Ausnahmen des lange hinausgezögerten und dann umso mehr mit Kettenfauststößen zugeregneten Showdowns doch etwas.

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