Review

So cool Edgar Wrights ironischer Horrorspaß „Don't" und Rob Zombie's herrliche Naziploitation-Hommage „Werewolf Women of the S.S." auch waren, den besten Faketrailer zum 2007er „Grindhouse"-Doppeldecker steuerte Robert Rodriguez, Regisseur des (überlegenen) Segments „Planet Terror", selbst bei: Der Rachefeldzug des von seinen Auftraggebern gelinkten mexikanischen Messerschwingers „Machete", gespielt von B-Movie-Legende und Rodriguez' langjährigem Lieblingsstar Danny Trejo, versetzte die Fanschar derart in Verzückung, dass schnell Forderungen nach einer tatsächlichen Verfilmung des nur als Faux-Teasers gedachten Actionreißers im sleazigen 70s-Stil lautwurden. Diese Wünsche hat Rodriguez nun erhört und präsentiert 2010 mit „Machete" ein weiteres großartiges, starbesetztes und augenzwinkerndes Revival des Bahnhofskino-Exploitation-Films.

Cop Machete (Danny Trejo) wird von Drogenbaron Torrez (Steven Seagal) in eine Falle gelockt und gerade noch von der Ermordung seiner Familie in Kenntnis gesetzt, ehe man ihn in einer in Flammen gesetzten Hütte zum Sterben zurücklässt. Doch zäher Hund der er ist, überlebt Machete das Inferno. Drei Jahre später hält er sich illegal in die USA eingewandert als Tagelöhner in Texas über Wasser, als ihm ein zwielichtiger amierkanischer Anzugträger (Jeff Fahey) das Angebot unterbreitet, für 150000 Dollar den mit rigiden Anti-Immigrations-Parolen Wahlkampf machenden und in seiner Freizeit gerne persönlich sich ins Land schleichende Mexikaner an der Grenze abknallenden Senator McLaughlin (Robert DeNiro) zu eliminieren. Machete akzeptiert, doch die Mission entpuppt sich als Falle. Bald ist er auf der Flucht und deckt mithilfe einer Einwanderungspolizistin (Jessica Alba) und der als Taco-Verkäuferin getarnten Anführerin (Michelle Rodriguez) eines revolutionären mexikanischen Netzwerks ein politisches Komplott auf, in das auch sein alter Erzfeind Torrez verstrickt ist...

Noch bevor die im atmosphärischen 70er-Flair stylish designten Opening-Credits erscheinen, stellt Robert Rodriguez mit einer actiongeladenen Pre-Title-Sequenz die Marschrichtung seines Films klar: Ironisch überzeichnetes Gemetzel, coole Posen und heiße Bräute sind das Herzstück seiner liebevollen Exploitation-Hommage. So säbelt sich der erstmals mit einer Hauptrolle geehrte B-Kultstar Trejo eineinhalb Stunden lang mit den verschiedensten Stich- und Schnittwerkzeugen in tollen Choreografien und ordentlicher Brutalität durch die Gegnerhorden, was auch in den extremeren Gewaltmomenten wie einer Szene, in der sich unser Held am herausgerissenen Gedärm eines Kontrahenten aus einem Hochhausfenster schwingt, eben durch die augenzwinkernde, comichafte Überzeichnung derselben nie seinen leichtfüßigen Funcharakter verliert.

Dazwischen gibt es, wie es sich für einen Exploitation-Film gehört, jede Menge nackte Haut, wobei sich die hüllenlosen Auftrittte der großen Namen im Cast samt und sonders als Mogelpackung erweisen: Jessica Alba drehte ihre Duschszene in erst nachträglich wegretuschierter Unterwäsche und die 80% ihrer Screentime nackt herumlaufende Lindsay Lohan bemühte für die Szenen, in denen ihre Figur tatsächlich oben ohne zu sehen ist, ein Bodydouble. Ganz schwache Vorstellung.

Nichtsdestotrotz sind es freilich die zahlreichen heißen Ballberbabes, die Rodriguez' Film sexy Flair verleihen: Ob mit Maschinenpistolen um sich schießende Krankenschwestern, Lindsay Lohan mit Revolver im Nonnengewand oder Michelle Rodriguez mit MG, Augenklappe und schwarzer Lederkluft - der Regisseur zelebriert alle Actionamazonen-Rollenspiel-Varianten mit Hingebung und spendiert seinen Grazien sensationell stylish eingefangene Auftritte.

Besonders großartig ist freilich, welch große Namen er hierfür mit Alba, Rodriguez und Lohan (spielt sich als publicity-Gag selbst) vor der Kamera versammeln konnte, denen ihre männlichen Kollegen an Prominenz in nichts nachstehen: Wer hätte jemals vermutet, einmal Robert deNiro und Steven Seagal zusammen auf einer Kinoleinwand zu sehen? Erfreulicherweise ruht sich der selbst „Sin City" in den Schatten stellende Cast nicht auf seiner Hochkarätigkeit aus, sondern überzeugt auch noch mit enorm spielfreudigen Leistungen: DeNiro als Karikatur eines gegen Ausländer und Immigranten wetternden Hardliner-Senators ist ganz große Klasse und sorgt mit seinen Wahlwerbespots für die humoristischen Highlights des Films, Jeff Fahey als Geschäftsmann mit sündigen Gedanken in Bezug auf seine Tochter ist herrlich schmierig, „Miami Vice"-Veteran Don Johnson als fieser Grenzcop von wunderbar cooler Bösartigkeit. Der unveränderten Leibesfülle von Aikido-Koloss Steven Seagal kommt es zugute, dass er den Großteil des Films nur von hübschen Mädchen umgarnt vor einem Laptop am Pool zu sitzen braucht und erst im Finale ein wenig mit dem Schwert herumfuchteln muss, für seine Stoneface-Verhältnisse kann man die gebotene Performance aber durchaus als spielfreudig deklarieren und zudem ist es einfach schön, den 90s-Helden mal wieder auf der großen Leinwand anstatt in lahmer DTV-Fließbandware bewundern zu können. Die Rodriguez-Regulars Cheech Marin und Tom Savini dürfen natürlich auch nicht fehlen, wobei Marin einige der besten Sprüche in den Mund gelegt bekommt, Savini als Killer aber leider ein wenig verheizt wird. Über allem thront freilich Trejos kultige Darstellung des mit Messern gleichwie lässigen Onelinern um sich werfenden Titelhelden. Groß.

Inszenatorisch nimmt Robert Rodriguez das „Grindhouse"-Konzept wieder auf, potenziert die Retro-Atmosphäre seines Werks einmal mehr mit gelegentlichen künstlichen Bildstörungen. Auch die teilweise enorm abgehackte Entwicklung des Handlungsvorgangs darf man in diesem Zusammenhang wohl als durchaus gewollt ansehen. Ein gewohnt hochklassiger (wenngleich freilich nicht an die in dieser Kategorie unerreichbaren „Desperado" und „From Dusk Till Dawn" heranreichender) Soundtrack rundet die atmoshärischen Qualitäten des Films in bewährter Manier ab.

Schön sind auch Rodriguez' Referenzen an die eigene filmische Vergangenheit wie eine Szene, in der Trejo seinen Messer-in-Limousine-Werf-Part aus „Desperado" wiederholen darf.Die Story an sich hält schön die Balance, sich zwar nicht zu wichtig zu nehmen und ihrem Charakter als Plattform für die Zelebrierung der Genre-Schauwerte verpflichtet zu sein, gleichzeitig aber mehr als bloßes Actionalibi zu sein und durchaus ein bisschen etwas zu erzählen zu haben. Letztlich zwingt die Thematik sogar zu Reflexionen hinsichtlich der amerikanischen (und auch allgemeinen) Grenz- und Einwanderungspolitik. Dennoch dürfte niemand Gefahr laufen, den intellektuellen Anspruch des Werkes überzubewerten ;-)

Einziges echtes Manko ist der ewas enttäuschende Showdown, der choreografisch mit dem zuvor Gebotenen nicht ganz mithalten kann und auch etwas länger hätte ausfallen dürfen (was im Speziellen auch den eher schwach geratenen Schwertkampf zwischen Trejo und Seagal betrifft). Da hier aber die coolsten Posen aufgefahren werden (gekrönt vom Auftritt der überhotten Michelle Rodriguez), lässt sich das jedoch gut verzeihen.

Fazit: Mit der Langfilm-Umsetzung seines gefeierten „Grindhouse"-Faketrailers schuf Robert Rodriguez einmal mehr eine großartige Hommage ans Exploitation-Kino der 70er: Einen exzellent besetzten, klasse inszenierten, atmosphärischen, starbesetzten, rasanten und augenzwinkernden Spaß mit kultigen Figuren, brachialer Action, Retroflair und einem Titelhelden, der an rauer Coolness seinesgleichen sucht. „Machete will return in Machete Kills and Machete Kills Again" verspricht uns der Abspann - es wäre wohl kein Fehler.

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