Wenn Gordon Gekko zu Beginn des Films aus dem Gefängnis entlassen wird und dabei seine Habseligkeiten überreicht bekommt, zu denen auch ein monströs großes Mobiltelefon aus der Steinzeit kabelloser Kommunikation zählt, ist man gespannt:
Wird Oliver Stone seinen charmanten Schurken als Relikt in der heutigen Wirtschaftswelt portraitieren, oder werden wir ein zweites Mal Zeuge seines Gier-ist-gut-Tornados werden, der eine Schneise der finanziellen Verwüstung durch die Jobs und Leben seiner Mitmenschen schlägt?
Es ist diese Frage, auf was Stone heute, über zwanzig Jahre nach seinem Meisterstück "Wall Street", und nur wenige Jahre nach der weltumspannenden Finanzkrise, mit seiner Fortsetzung und dessen Hauptfigur hinaus will. Moralpredigt? Satire? Erneuter Versuch einer Analyse, eines Ausblicks?
Und es ist diese Frage und ihr Spannungsfeld, die den Film in den über zwei Stunden Laufzeit im Leim halten muss. Stones koksgepushte Schnittberserkereien sind diesmal jedenfalls nicht zur Stelle, er versagte sich für die Drehzeit sogar zum ersten Mal seit werweißwann den Marihuana-Konsum, um die Geschichte so klar wie möglich erzählen zu können.
Das resultiert in einer ungewohnt angenehmen, man möchte fast sagen, altersmild-betulichen Regie, welche die zahlreichen Originalschauplätze (das Made-in-NY-Stempel prangt im Abspann) sehr gut zur Geltung bringt. New York hat im Kino lange nicht so gut ausgesehen, schimmert beinahe golden. Eine Ästhetik, die vielleicht auch modernen Fernsehserien wie "Mad Men" geschuldet ist, und die die entsprechenden Bilder für die streckenweise von Wehmut getragene Geschichte liefert.
Vor dieser Kulisse gibt Gekko die entsprechende Vorstellung. Egal, was er sagt oder tut, man sehnt seine Szenen und seine Bonmots herbei, wenn es dramaturgisch gerade mal wieder etwas zu sehr schlurft. Denn so richtig möchte sich Stone wohl doch nicht mehr in die Materie verbeißen, zu unübersichtlich ist ihm diese Hydra Finanzwelt geworden, das wird im Verlauf auch verbalisiert. Deswegen die Konzentration auf das persönliche Schicksal des Gordon Gekko, und die Darbietung Douglas'.
Um ihn herum agiert der Cast, der sich aus der jugendlichen Projektionsfläche (Nuller-La-Boeuf ist wesentlich warmherziger als der dringlichst nach oben drängende Achtziger-Sheen) der weiblichen Hauptfigur (interessanter Wandel: von der drei-Wetter-Taft-gestärkten, materiell orientierten Designerin Hannah zur unentgeltlich arbeitenden und mit niedlichem Kurzhaarschnitt ausgestatteten Bloggerin Mulligan) und der Big-Boss-Riege (Brolin, Langella, Wallach) rekrutiert.
Dieses Geflecht ist natürlich für einiges an Seitenhieben auf die aktuelle Finanzlage gut. Aber immer, wenn es kriselt, wenn man denkt, dass es jetzt hoch hergeht, bremst sich der Film wieder aus. Stones patentierter Sprintstil wandelt sich zum Langstreckenlauf mit eingeteilten Kräften.
Bleiben wir bei schönen Bildern: Wenn "Wall Street" ein aufputschender Becher schwarzen Kaffees bei gleißendem Sonnenaufgang war, so liefert "Money never sleeps" jetzt die gemütliche Tasse Tee für die Abenddämmerung. Wohlig verpackt der Film seine ganz und gar unerfreulichen Themen (die er letztlich doch alle anschneidet, dafür ist es doch zu sehr Oliver Stone, um nicht mit dem dicken Pinsel das ganz große Amerika-Gemälde zu malen) und entlässt den Zuschauer dementsprechend. Ob das jene, die ihren Stone gerne bissig mögen, zufriedenstellen wird, ist natürlich die Frage.