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Ach, wäre hier doch nur ein Hauch von „Hitch" zu spüren gewesen.  Nein, nicht der unsägliche Date Doctor-Quark mit Will Smith, sondern der „Master of suspense" höchstpersönlich. Was Alfred Hitchcock so wunderbar gelang, nämlich Romanze und Thriller bzw. Komik und Spannung perfekt miteinander in Einklang zu bringen,  scheint für das Hollywood der Gegenwart eine schier unlösbare Aufgabe. Selbst wenn man solche Geniestreiche wie Über den Dächern von Nizza oder Der unsichtbare Dritte nicht zum Maßstab nimmt, ist es doch erbärmlich, was uns die Traumfabrik auf diesem Sektor seit Jahren serviert. Neuester Offenbarungseid ist die romantische Actionkomödie Kiss & Kill.

Die Idee, dass ein ehemaliger Auftragskiller oder Topspion sich plötzlich nach Spießbürgerlicher Idylle und einem „normalen" Familienleben sehnt ist zwar nicht neu, hat in der Vergangenheit aber durchaus zu den ein (True Lies) oder anderen (Mr & Mrs Smith) filmischen Treffern geführt. Der Mix aus Krimi und romantischer Komödie hat jüngst allerdings auch so schlimme Rohrkrepierer wie Der Kautions-Cop oder Date Night - Gangster für eine Nacht hervorgebracht.
Was man jedenfalls für solch ein doch reichlich abstruses Szenario unbedingt braucht, ist darstellerische Glaubwürdigkeit. Und hier sind wir gleich beim Kernproblem von Kiss & Kill. Während man Arnold Schwarzenegger sowie Angelina Jolie und Brad Pitt ohne weiteres die kaltblütige Tötungsmaschine abnimmt, wirkt Demi Moore-Lover Ashton Kutcher in dieser Rolle ungefähr so überzeugend wie sein Vorgänger Bruce Willis als Kindergärtner.

Eine irgendwie geartete Chemie zwischen den beiden Haupt-Turteltauben wäre für das Funktionieren der ganzen Chose auch nicht verkehrt. Leider besteht die einzige Chance ein Knistern zwischen Katherine Heigl und besagtem Kutcher wahrzunehmen nur darin, eine mitgebrachte Chipstüte zu malträtieren. Beide wirken wie zugegebenermaßen hübsche Kleiderständer, die man versehentlich im Schaufenster nebeneinander platziert hat.

Bleibt noch der Witz. Und der ist ein selbiger. Die Ehe-Kabbeleien zwischen Jen (Heigl) und Spencer (Kutcher) wandeln auf ganz ausgetrampelten Humorpfaden und sind bestenfalls hin und wieder für ein zartes Schmunzeln gut. Pinkelprobleme vor Zeugen, Flatulenzen auf der Couch oder durchgeknallte Schwiegereltern, das alles hat einen längeren Bart als der Erdumfang. Auch  der Running Gag von Jens dauerbesoffener Mutter (Catherine O´Hara) wirkt durch die weitestgehende Abwesenheit von Ironie und Schwarzem Humor eher deplaziert und ist ein Sinnbild für die insgesamte Unausgegorenheit des Films. Das gilt leider ebenso für Tom Sellecks wenig gelungene „Hommage" an Robert DeNiros Berufs-Paranoiker in Meine Braut, ihr Vater und ich.
Lediglich die beschwingten Anfangsminuten im sonnigen Nizza - als die unbedarfte Jen so gar nicht ahnt, womit sich ihr neuer Traumprinz zwischen den diversen Rendezvous so die Zeit vertreibt - sowie Spencers Outing als ehemaliger Geheimagent in der Filmmitte, bieten etwas Situationskomik und nähren kurzzeitig die Hoffnung auf eine zwar seichte, aber launige Sommerkomödie.

Kiss & Kill
beweist wieder einmal eindrucksvoll wie schwierig es offenbar ist, einen halbwegs stimmigen Genremix auf der Grundlage einer RomCom anzurühren. Das wohl vorwiegend weibliche Zielpublikum dürfte vor allem ob der zahlreichen Actionszenen mit Todesfolge eher verschreckt als verzückt sein und Actionfans - sollte sie sich überhaupt in diesen Film verirren - wird das Gezeigte ob seines Dutzendwarecharakters in resignative Schwermut versetzen.
Dazu kommt ein selbst für dieses Genre völlig hanebüchener Plot, der das Sprichwort „an den Haaren herbeigezogen" zur Untertreibung des Monats degradiert. Wieso auf den milchbärtigen Exspion, der bestenfalls zwei bis drei Jährchen aktiv gewesen sein kann, plötzlich das horrende Lösegeld von 20 Millionen Dollar ausgesetzt wird und vor allem von wem, entzieht sich jeglicher Nachvollziehbarkeit und gewinnt mangels selbstironischer Distanz die diamantene Plot-Himbeere.

Am Ende bleiben mir nur ein paar ehrlich gemeinte Erholungstipps für alle, die diesen kruden Quark über sich ergehen lassen mussten. Wie wäre es wieder einmal mit ein paar richtig wahren Lügen? Auch ein Besuch beim Ehepaar Schmidt könnte Linderung verschaffen. Mein absoluter Geheimtipp ist allerdings ein Ausflug über die Dächer von Nizza. Die Tour mit Fremdenführer Alfred bringt euch garantiert wieder auf andere Gedanken. Versprochen.

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